Die Nacht vor dem Morgen des Grauens, zuerst zur Blutabnahme und dann Lungenröntgen.
Ich gestehe: Ich habe panische Angst vor der Blutabnahme. Ja, ich weiß, es tut nicht weh, aber es ist schrecklich.
Als Kind lief ich mal hinter den Schreibtisch der Ärztin und schrie das Haus zusammen. Jetzt darf ich das nicht mehr, ich bin schon groß, aber ich täte es gerne.
In ganz Wien sind die Termine in der Allergieambulanz ausgebucht. Ich bekam einen am 21.6. Das, obwohl ich kaum noch atmen kann.
Es ist eine Schande wie kaputt überall das "Ach, so tolle Gesundheitssystem ist!" Privat kostet alles in allem 850 Euro in der Privatklinik, auch ausgebucht.
Aber, die ganzen Allergien sagen etwas über unsere Lebensweise aus. In Biochemie sah ich einen Film über Landkinder, die kaum Allergien haben, es ist ein Städtephänomen.
"Kind, wasch dir sofort die Hände!" schrie die Mutter. Ich durfte bei ihr nicht im Sand buddeln. Nie. Erst mit der Nichte saß ich in der Sandkiste und holte alle Burgen und Kuchen nach. Ich liebte es!
Die Oma ließ mich alles machen, aber angreifen durfte ich im hypersterilen Haus auch nichts. Opa zeigte mir im Lichtmikroskop schwimmende Tierchen. Er sagte, die Oma will alles Lebendige töten. Das tat sie auch.
Wenigstens durfte ich draußen leben und atmen. Ich war gegen nichts allergisch.
Das Niesen begann, als ich hinter dem Sarg ging, die vielen Lilien auf dem Sargbukett waren unerträglich. Seitdem hasse ich Lilien wie die Pest.
Ich nieste und die Augen tränten, geweint habe ich nicht. Einfach, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Ich verdrängte alles. Bis heute.
Einem Arzt sagte ich: "Ich habe Angst!" Er schwieg, dann sah er auf mein Buch und ich sah weg, da fragte er mich, um was es in dem Buch ginge? Ich erzählte es, da sagte er: "Fertig."
Ich habe nicht einmal etwas gespürt, mich entspannte das Reden über Literatur. Ich lächelte ihn dankbar an.
Der war lieb.
"Wieso muss ich mitgehen? Beutelratte, du bist 17!" - "Weil ich sonst nicht gehe und so lange ich noch eine Beutelratte bin, bin ich klein!" - "Die bleibst du ein Leben lang." So ist es.
Ich habe noch immer Angst. Da mache ich lieber Prüfungen. Vielleicht habe ich nur noch Angst vor dem Ergebnis. Ich bin zu oft in die Venen gestochen worden, konnte mich nie daran gewöhnen. Die Chemo war das Schlimmste. Ich hatte den Kopf in der Toilettenschüssel und kotzte alles raus. Mein ganzes altes Leben.