Tartaros

Kurzgeschichte zum Thema Liebe, lieben

von  GroAda


Mir ist, als stiege ich den Tartaros hinunter, dunkle, glitschige Stufen. Eine muffige Kälte wie aus einem Grab kriecht um meinen Körper. Je tiefer ich mich vorwärts taste, desto deutlicher höre ich das Stöhnen und Schreien der Verdammten. Mit jedem Schritt abwärts graut es mir mehr vor dieser Hölle. Aber ich muss hinab. Ich habe keine Wahl.

Einst gab ich meine Liebe als Pfand blind aus den Händen. Und nun hole ich zurück was mein.

Als ich unten durch die Pforte schreite, färbt sich mein Mantel, als tränke man ihn in Pech. Feuchte Schwüle umarmt mich und heißt mich willkommen. Vorsichtig gehe ich auf einem schmalen Steg durch den Sumpf, aber mit festem Schritt. Links und rechts ragen Gerippe aus der schwarzen Brühe, greifen mit ihren knorrigen Fingern nach mir.
Doch sie erreichen nur den Saum meines Umhangs und zerren daran. Sie wollen mich zu sich ziehen, jeder auf seine Weise - Lügner mit Lügen, Betrüger mit Gaunereien und Mörder mit dem ihrigen. Gebe ich nach, werde ich einer von ihnen. Seelenlos im Meer der Seelenlosen.

Ich schaue mich um. Lodernde Dunkelheit in all ihren Schattierungen. Wie nur soll ich in dieser Abgeschiedenheit des Lichtes meine Liebe finden? Mein Ein und Alles. Die Sonne meines Herzens.

Ich schließe die Augen und meine schwarzen Schwingen öffnen sich. Sie heben mich hinauf, hinauf in brütende Lüfte - ins Feuer, welches kein Anfang und kein Ende.

Plötzlich schwebt er vor mir, der Herr der Bösartigkeit, der König allen Übels, und grinst frech. Sein gezackter Schwanz wedelt wie ein Pendel hin und her, hält mir meine Kostbarkeit direkt vor die Nase, aber nie so weit, dass ich sie fassen kann.

Ruhig knurrend fordere ich mein Pfand zurück, aber schallend ertönt das Lachen des Fürsten der Unterwelt. Mit seinen Höllenaugen wirft er mir kleine, spitze Blitze entgegen. Die landen auf meiner Haut und dringen tief in mich ein, wie Säure. Entschlossen hebt er die geöffnete Hand und beginnt mir die Seele auszusaugen. Langsam und genüsslich.

Hinter ihm hängt der Käfig mit meiner Liebe an seinem Schweif. Und sie weint bitterlich.

Als ich dies sehe, zerreißt es mir das Herz. Es explodiert in einem gleißendem Licht. Der Schein erhellt den ganzen Raum und umhüllt den Käfig. Ein kurzer Moment setzt dröhnend das Sein außer Kraft. Ihm folgt eine leuchtende Implosion. Diese reißt nun wie ein schwarzes Loch alles mit sich. Den Käfig, die Liebe und den Herrscher. Blanke Panik ergreift ihn. Er flieht hinab zum Ozean, seine Krallen tief in den Strudel der Verlorenen getaucht, damit sie ihn halten, aber seine Rute hält noch den Käfig.
Sein Körper dehnt sich ins Unendliche. Bis zum Zerreißen gespannt. Als der Schweif meinen Busen erreicht, schnippt er zurück, als hätte er ein verbotenes Gefäß berührt. Klirrende Kälte aus reinem Stickstoff. Mein Licht aber strömt mit Gewalt in meine Brust. Im Inneren hält es meine Liebe wie ein kleines Kind in seinen Armen. Das Licht aber füllt sich in mir bis zum letzten Rest und meine Schwingen umschließen es.

Ich liege in meinem Bett, mir ist heiß und kalt. Mein Herz pocht wie wild. Als ich es mit meiner Hand berühre, spüre ich - meine Liebe ist bei mir.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Augustus (13.05.24, 13:19)
Erinnert an Dantes Inferno oder Milton Paradiese Lost. 
Aber auch an Herkules, der in den Tartaros hinabsteigen misste und lebendig wieder hinaus kam. Unzählige griechische Mythen über den Tartarus sind sicherlich nachlesbar. 
Das Epos von Dante wurde auch überzeugend animiert. Sehenswert und empfehlend. 

Die Kurzgeschichte lehnt sich sprachlich an die Epoche der dunklen Romantik. Liebe und Tod in Gestalt des satans werden angesprochen,  der Klassiker.

Kommentar geändert am 13.05.2024 um 13:20 Uhr

 GroAda meinte dazu am 13.05.24 um 14:26:
Vielen Dank.
Dantes Inferno kenne ich.
Mir liegen die Griechen aber näher.
Haben wir nicht alle ein Stück Unterwelt in uns?
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram