Kafkas Grab

Geschichte

von  Zeder

Wir stehen an der Küste. Vor uns ist nicht als graue Brühe, der Wind peitscht sie auf.
Du wolltest unbedingt das Meer sehen. Ich beschrieb dir tiefblaue Lagunen, türkise Fjorde, Korallenriffe und Sandstrände. Es hielt dich nichts ab.
Unser Zimmer hier ist beinahe leer. Wir haben es mit einem tiefen Holztisch übernommen, an dem die Stühle seltsam groß erscheinen, an dem wir uns die Knie stoßen. Das Bett steht fade, das Regal ist überflüssig, bis auf fünf Bücher trägt es nichts. Wenn man die Tür öffnet, tritt man sofort ins Zimmer ein, die Küche ist gegenüber, die Toilette ist geht rechts ab und das Papier riecht nach Kamille. Die Wände sind terrakottafarben, was nicht ins Ambiente passt. Sie wirken verloren.
Wir gehen vier Minuten zum Meer. Immer in Windjacken. Die Straßen sind leer zu dieser Jahreszeit. Der Ort besteht aus Ferienhäusern, es ist ein Ort mit Sommersaison und dann Winterschlaf. Aber im Herbst holt sich die Natur noch die Straßen zurück. Bedeckt sie mit Laub und Kastanien. Manchmal fallen sie wie Steine auf die Schultern und holen mich ins hier.
Wir essen Salat aus Spanien, trinken abends Bier oder Wein. Und Geschichten erzählen wir uns selten zu ende. Unsere Gespräche laufen gegeneinander und vermischen sich nicht. Erst später, wenn wir uns still geredet haben, finden wir uns.
Oft sind wir grausam und ich wünsche mich an Kafkas Grab. Ich wünsche mich fern von dir zu meinem eigenen Weg, ich verfluche das Meer und die Seeluft. Ich will Blumen bringen und an all die Männer denken, die ich liebte, aber mich nicht traute. Ich träume von prächtigen Bahnhöfen. Nachts hole ich manchmal meinen Koffer unter dem Bett hervor und beginne zu packen. Nur siehst du schlafend so friedlich aus. Ich weiß nicht was du vom Zerwürfnis weißt und ich frage dich nicht.

Am nächsten Tag die Lesung. Ich stehe mit weißem Hemd und Fliege, schwarzem Kleid und roten Stiefeln an die Wand gelehnt, bis sie mich ankündigen. Ein Mann um die vierzig winkt mich lächelnd auf die Bühne und ich weiß, wenn ich nichts vorzuweisen, wenn ich nicht mit klarer Stimme von der Liebe lesen könnte, würde ich ausgestoßen werden von diesen Menschen, dann würde ich nicht interessiert beäugt, ich würde verurteilt und verwiesen werden. Ich will zu keinem sprechen. Ich wende mich ab und lese lange und ausgiebig mir selber vor. Ich lächle nicht und weine vielleicht. Alles ist still. Ich blicke nicht auf als ich ende. Ich gehe von der Bühne als träte ich in einen anderen Raum und suche nicht nach dir. Ob du gekommen bist? Ich bin nicht unehrlich. Alles was ich denke, schreibe ich. Du könntest es lesen, wenn du wolltest und wüsstest alles über uns.
Im Zimmer höre ich Postpunk über Kopfhörer und beginne dich zu malen. Du hast schon geschlafen, als ich kam. Ich liebe dich.

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Kommentare zu diesem Text


 FRP (03.11.13)
Positiv: Der Text wirkt. Dies kann er nur, wenn er:
1. Gut geschrieben ist. 2. Beim Empfänger auf
Gleichgerichtetes: Erinnerungen, Analogien, Beobachtungen
trifft. Eigentlich schlimm, solche Festgefahrenheiten.
Sätze, die wie gegen Wände prallen. Erst die beidseitige
Stille wirkt. Bewirkt. Eigentlich schlimm: Liebe, herunter
gebrochen auf Gegensätze? In der Stille finden sief Vertrautheit.
Negativ: Im Grunde weiß ich nicht, was solche Kurztexte
sollen. Auch die meinen. Eine Stimmung memoriebar machen?
Und wäre es nur das.

 Vessel (04.06.14)
das ist irgendwie ... befremdlich. ich erinnere mich an kafkas grab, hingewünscht habe ich mich auch, ich weiß nichtmal ob er da wirklich liegt, nur, dass es mir passend erschien.
der text wiederum, ich bin nicht sicher um was er sich dreht. frp fragt: um was geht es in einem solchen ausschnitt überhaupt? ich denke, es ist die flucht es autors, aus dem alltäglichen. eine kurze überschneidung mit den figuren, die an sich so befremdlich erscheinen.
wer ist das ich in diesem text? eine autorin, ein autor?
mir gefällt, wie du idee und geschehen sich einander widersprechen lässt. das meer sind blaue lagunen und fjorde, oder eben eine graubraune brühe.
den letzten satz braucht es, denke ich, nicht, er sagt nur, was klar ist.
Al_Azif (34)
(12.06.14)
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Samhain (23)
(09.12.14)
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