Wenn nichts mehr bleibt, dann gehst auch du.

Erzählung zum Thema Familie

von  SunnySchwanbeck

Nun kommst du nach Hause, ich habe deine Wut schon im Treppenhaus gehört. Du platzt zur Tür rein und mich trifft ein harter Blick von der Seite. Willst du mich nun taumeln sehen? Ich hätte so viel zu sagen, in diesem Moment, aber du ermüdest mich mit deinem ständigen Sinn nach Gerechtigkeit, die sich nur auf dich bezieht. Dann brichst du aus, ein Vulkan der Vorwürfe spuckt und alles unter sich begräbt, dass Luft holen will um etwas zu rechtfertigen. Dir geht es nicht darum, verstanden zu werden. Dir geht es nicht um Zugeständnisse oder darum, dass man dich ernst nimmt.
Du hast diesen Gedanken nun in deinem Kopf, seit ein paar Monaten schon, der Gedanke, dass du hier nicht mehr hin gehörst. Damit streichst du alles an, jeden Vorwurf und leider auch jegliche Erinnerungen. Du gehörst hier nicht mehr hin, wir, das gibt es nicht mehr, denn du bist anders. Geworden. Vielleicht warst du es schon immer, trugst einen anderer Schwarzton auf deinem Schafspelz, warst immer etwas besser als ich, etwas schlanker, etwas ruhiger. Etwas mehr das, was man sich als Elternteil wünscht. Glaubst du, ich war froh damit, eure bunte Welt immer mit dunklen Flecken zu beschmutzen? Meinst du, es war mir egal, als die Bilderrahmen umgedreht wurden? Oder warum es keine Umarmungen mehr gab, sondern immer nur dieses ewige Kopfschütteln.

Du stehst immer noch mit aufgerissenem Mund im Flur und deine Arme malen Flüche in die Luft, deine Brille rutscht ein Stück weiter auf deiner Nase, man erkennt nun das leichte Grün deiner Augen und ich frage mich, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn ich mir all das zu Herzen nähme, was du mir gerade vor die Füße spuckst.
Ich schließe meine Augen und höre mein Blut durch meine Ohren rauschen, stelle mich langsam darauf ein, dass da gleich dieser dicke Klos in meinen Hals rutscht, ein Knäuel aus ungesprochenem und den Tränen, die ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr weine, weil ich weiß, du hörst nicht das Schluchzen, sondern nur die zu laute Musik.

Er bleibt aus.

Stattdessen formen meine Lippen Worte, die dich dort treffen, wo ich dachte das Gleichgültigkeit dominiert. Ich schreie. Ich schreie alles aus meinem Herzen raus, bis es erschöpft wie ein leerer Luftballon in mir zusammensackt. Dein Mund ist nun nur noch leicht geöffnet, deine Augenbrauen zusammen gezogen und deine Pupillen taumeln von links nach rechts, während dir klar wird, dass ich nicht mehr das kleine Kind bin, dass sonst erschrocken auf dem Sofa sitzt und auf seine Socken starrt. Nun fehlen dir die Worte, dir fehlen Antworten auf Fragen, die du dir nie gestellt hast. Dir fehlen Erklärungen und Entschuldigungen, die ich seit Jahren so gerne gehört hätte.
„Es geht nicht um dich.“ Sage ich, versucht, meine Stimme klar und kalt zu halten, so, wie ich es mal lernte, in Stunden in denen wir beide in deinem Zimmer saßen, hinter der Tür und Kinderlieder sangen um das Gebrüll von unten nicht mehr zu hören.
Du drehst dich um und schüttelst den Kopf, ich weiß, dass du meine Worte verstanden hast, dass mein gesagtes als Keim in deinem Kopf wirbelt, jedoch weiß ich ebenso, dass dort keine Wurzeln schlagen werden und spätestens als du die Tür hinter dir zuschlugst war mir klar, dass mein ganzes Ich für dich nur wucherndes Unkraut ist.

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Kommentare zu diesem Text


 Nachtpoet (12.01.15)
Ein sehr trauriger Text, vor allem weil er kein Happy End hat, noch nicht mal die Chance auf ein kleines Happy End. Gerade in der Familie ist das bitter. Ich nehme an, der Dialog wird hier mit deinem Bruder geführt?

Liebe Grüße
Ralf

 SunnySchwanbeck meinte dazu am 13.01.15:
weißt du, familäre happy ends sind eher die seltenheit.
wann wurde die böse stiefmutter denn einmal einsichtig und entschuldigte sich für ihre schandtaten?
und geschwisterliebe entsteht meist nur aus notsituationen heraus. allein im wald, du weißt schon.

ich danke dir für deine empfehlung, lieber ralf.
letzten endes wird blut ja doch immer dicker bleiben.
aber lungenembolien entstehen schließlich auch aus verklumptem blut.

etwas liebes,
s.
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