Der Geschichtenschreiber

Erzählung zum Thema Schreiben

von  Omnahmashivaya

Genervt saß er am Schreibtisch, er war den Tränen nahe. Ihm fiel einfach kein Thema für den Literaturwettbewerb ein. Wenn man ihn und seine Umgebung als Ausschnitt eines Bildes betrachtete, hätte man meinen können, er wäre ein verzweifelter Dichter oder Denker. Das typische Bild mit hunderten von zerknüllten Papieren auf dem Boden, dem Tisch und im Müllkorb, so wie man es oft in Filmen sieht.
Er wollte unbedingt den Literturwettbewerb gewinnen. Ein Bestseller sollte es werden, das Buch sollte Alle Menschen mitreißen, berühren, verzaubern.
Er hatte diverse Themen angeschnitten, versucht eine Fantasiegeschichte zu schreiben, wollte von seiner Projekt "Mensch und Tier" berichten, bei dem er Obdachlose, Senioren, Ottonormalverbraucher und Freunde mit ihren Vier oder Zweibeinern abgelichtet hatte. Auf den schwarz weiß Fotos hatte er auch noch Zitate der Personen geschrieben. Es würde sicher ein schöner Bildband werden, aber das Problem war, dass das heute Niemanden mehr interessierte. Was nützt dem Menschen ein Bild, auf dem ein Obdachloser mit einem zahnlosen Grinsen seinen zotteligen Hund knuddelte und darunter steht: "Chicco ist das Liebste und Einzige was ich noch habe" Oder das Märchen von der längst vergessenen kleinen Elfe, wo doch die Menschen immer seltener selbst träumen... Es hatte keinen Sinn, ob lustiges Studentenbuch, Alltagsgeschichte, Kurzkrimi. Alles war so etwas von ausgelutscht. Es kam doch immer wieder das Gleiche auf den Tisch.
Angestrengt von der verspannten Sitzhaltung streckte er erstmal die Beine aus, zog den linken ausgelatschten Schuh mit Hilfe des rechten Fußes und den rechten Schuh mit Hilfe des linken Fußes aus, faltete die Hände vor der Brust, um dieser dann von sich wegzustrecken. Während dieser Bewegung gingen die Handinnenflächen nach außen, von ihm weg und es knackte genüsslich. Er seufzte und stöhnte, gesinnte sich wieder seiner Arbeit und starrte auf das immer noch leere Blatt Papier. Mit dem Stift in der Hand kratzte er sich seitlich am Kopf, kurz über dem Ohr. An der Stelle, die die Mediziner als „os temporale“ bezeichneten.
Er grübelte, war der Verzweiflung nahe. Er hatte so viele Ideen gehabt, aber nichts Gescheites war dabei. Hatte er mal einen längeren Text geschrieben, so merkte er nach mehrmaligem Lesen, dass der Text keine Pointe hatte. War das denn so wichtig, fragte er sich?
Sicherlich gab es noch mehrere Leute, die so wie er schräge Gedankengänge hatte und im Dreick dachten. Aber würden diese Leute seine Story lesen? Würde sie überhaupt Jemand lesen? Er war nahe daran, dass Schreiben aufzugeben, aber in ihm lebte der Geist des Ehrgeizes und er gab nicht auf. Ein sehr großes Problem von ihm war, dass er zwischendurch regelrechte Geistesblitze hatte, die ihn vor Freude aufleben ließen. In den Momenten entspannte sich sein Gesichtsausdruck und ein seltsames Kribbeln durchfuhr seinen Körper. Er hatte eine Idee im Kopf, endlich wieder etwas was vielleicht spannend sein könnte. Doch so schnell es kam, ging es auch wieder. Durch den Adrenalinausschuss war er so durch den Wind, dass nichts weiter übrig blieb als ein krampfhaftes oder sagen wir kampfhaftes Nachdenken über die Idee, die er unbedingt wieder zurückrufen wollte.
Er beruhigte sich irgendwann wieder und schrieb Wortfetzen auf seine Blätter. Leider kam er nie weiter… Vor lauter Frust griff er zur Flasche. Er tat dieses öfter in der letzten Zeit. Der Rotwein sollte seine Gedanken anregen, aber leider bewirkte er oft das Gegenteil.
Schlimm wurde es, als er es einmal mit Absinth versuchte. Er schrieb ein Gedicht und schlief darüber hinein ein…

Absinth

Absinth ist das Gesöff was benebelt macht,
so benebelt, dass man über Schwachsinn lacht
und Einem der Boden unter den Füssen kracht.

Die grüne Fee wird es auch genannt,
auf die Wirkung ist man stets gespannt.
Kaum ist die Flasche auf, kommen Alle angerannt.

Mit Anteilen aus Wermut schmeckt es richtg gut,
doch vor dem täglichen Genuss sei auf der Hut,
denn man weiß nicht mehr was man tut.

Wenn Einen die grüne Fee in ihren Bann zieht
und man vor den psychedelischen Folgen fliegt….

Er flog zwar nicht durch die Gegend, aber vom Stuhl. Außerdem sollte es fliehen heißen, aber das hat er wohl nicht mehr auf die Reihe bekommen. Die grüne Fee hatte ihn für den Abend verführt. Am nächsten Tag wachte er mit einem Kater auf und beschloss dieses schreckliche Gedicht nicht zu veröffentlichen. Was sollten denn auch sonst die Leute von ihm denken…
Ein anderes Mal versuchte er sich in der Poesie die sich um Liebe, Leidenschaft und Lust drehte. Auch dass gelang ihm nicht. Er kam sich nach der zweiten Strophe blöd vor und wusste davon abgesehen auch nicht mehr, was er noch schreiben sollte.

Meine Liebste

Ach, was hab ich all probiert,
um dich zu faszinieren,
hab mich viel zu oft blamiert,
doch konnt` ja nichts verlieren.

Eigentlich hab ich nichts getan,
außer schweigend dich betrachten,
hab mich viel zu oft vertan,
lieber wollt ich schmachten-

Selbstfindungsprozesse fanden auch in ihm statt. Doch alles war nur ein kleines, zerpflücktes Blatt Salat. Welk, bitter im Geschmack und ohne Topping.

Auf einem Floss treib`ich dahin,
mitten auf dem großen Strohm.
weiß nicht genau, wo ich gerad bin….

Am Ende war er, dass stand fest! Da brachten ihm auch die Yogastunden nichts, die er neuerdings zur Entspannung besuchte.
Ein Geschichten und - Gedichteschreiber fällt nun mal nicht vom Himmel.
Er schaute traurig aus dem Fenster, sah den Sichelmond und hörte die Grillen zirpen. Eine rollige Katze miaute und dann war es wieder still. Er dachte sehr viel nach, nicht mehr über das, was er der Welt mitteilen wollte, sondern über sich und sein Leben, seine Gedanken, Wünsche, Träume. Erinnerungen kamen hoch, schöne Bilder waren im Kopf, so schön, dass er sie nie in Worte hätte fassen könnte. Er kam zu der Einsicht, dass er doch Alles hatte um glücklich zu sein. Er war gesund und munter, hatte Freunde und ein Dach über den Kopf. Seine Haustiere leisteten ihm Gesellschaft, mit Frauen sah es auch nicht gerade übel aus und der Job bot auch Aufstiegschancen. Außerdem hatte er Phantasie und Träume. Für ihn waren sie schön. Er konnte die Farben sehen, wenn er sich ein Bild vorstellte, konnte sich auf der Stelle in eine schöne Situation beamen oder Urlaub auf einer Südseeinsel machen. Manchmal schloss er dafür einfach nur die Augen. Einmal legte er sich mit einer Strandmatte auf den Balkon in die Sonne und hielt sich eine Muschel an das Ohr, um das Rauschen des Meeres zu hören. Ja, Phantasie hatte er. Und Träume. Wunderschöne Träume. Er konnte sie nur nicht in Worte fassen weil sie zu schön waren und sie vielleicht auch nicht jeder verstehen würde. Es waren seine Träume. Und jeder Mensch hat seine eigenen Träume…
Über diesen Gedanken schlief er ein. Als er am nächsten Tag aufstand wurde ihm bewusst, dass der Wettbewerb schon am kommenden Nachmittag stattfinden würde. Er hatte immer noch nichts geschrieben. Anscheinend war es ihm mittlerweile auch egal. Eine Mischung aus Resignation und Gleichgültigkeit. Und vielleicht auch einfach der Einsicht, dass er das nicht bräuchte. Er ging in den Garten, legte sich in die Hängematte, aß schmatzend einen Apfel, ließ ein Bein aus der Hängematte heraushängen und pfiff „Don`t worry – be happy“.
Am Nachmittag begab er sich zum Literaturwettbewerb. Er nahm einen Zettel und kritzelte grinsend einen kurzen Satz auf den Kopf und steckte dann den Zettel in einen Umschlag, der mit seiner Adresse versehen war. Als er auf dem Literaturwettbewerb ankam gab er diesen Umschlag ab. Er war schon längst zu Hause, als der Mann der Jury den Umschlag öffnete und den Satz vorlas. „Platz für deine Träume“ stand auf dem sonst völlig leeren Blatt.
Kurze Stille, dann schallendes Gelächter, welches jedoch nach und nach verstummte. Die Leute kehrten in sich, schlossen die Augen und wollten dann ein Blatt Papier und einen Stift haben. Sie schrieben und malten. Manche  behielten auch einfach ein leeres Blatt, als Andenken. Sie wollten es sich an die Wand hängen, weil sie darauf immer wieder ihre Träume sehen  würden. Die Leute waren begeistert. Den anderen Geschichten und Gedichten lauschten sie nur noch widerwillig, weil sie viel zu sehr in Gedanken versunken waren, träumten, der Phantasie freien Lauf ließen. Einige Wochen später kaum ein Buch auf den Markt, welches die Menschheit faszinierte. Es war ein ganz normales Buch, kein Besonderes, oder vielleicht doch? Es war leer, so wie ein gewöhnliches Notizbuch und hatte nur einen Satz auf oben auf der ersten Seite…

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Kommentare zu diesem Text


 rela (01.07.06)
Eine interessante Erzählung mit eher märchenhaftem Ende.
Irgendwie finde ich mich darin wieder mit meinen vielen
Notizen, halbfertigen Texten und Gedichten, die nie zu einer
Vollendung kommen, weil die Zeit zum träumen und Seele baumeln lassen viel schöner ist.Und die Träume sind oft so schön, daß sie einem beim Schreiben einfach wieder wegfliegen, so bleibt manches Blatt unbeschrieben.
Absinth lass ich da aber lieber in der Flasche, denn vom Stuhl fallen möchte ich nicht unbedingt *g*.

 Omnahmashivaya meinte dazu am 01.07.06:
Hallo, ich denke dass es dem einem oder anderem so gehen wird, wie dem Mann in der Geschichte Vom Stuhl fallen möchte ich auch nicht unbedingt. Das mit den halbfertigen Texten und Wortfetzen kenne ich. Damit sie nicht ganz so sinnlos sind, habe ich sie mit in den Text eingebaut. Die werden eh nicht fertig Gruß Sabine

 NormanM. (26.07.09)
Das ist eine klasse geschichte mit interessanter wende. Ich find auch die gedichteinlagen darin gut.
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