Im Räderwerk

Kurzprosa zum Thema Tiere

von  RainerMScholz

Im Räderwerk

Kettenwerke rasseln, zermalmen etwas, ein Ding, ein Lebewesen, das zuckt und sich windet, schreit, fleht, um dann zu verstummen, zerquetscht unter dem Getöse knirschenden Metalls, zwischen ineinandergreifenden Zahnrädern, besudelt und geschändet. Maschinenöl und Blut. Grelles Licht flackert auf, blitzt, verätzt das Weiße, in den Augen, erlischt, um sich erneut in blutende Gehirne zu brennen. Wuchtiges Kolbengestänge stampft auf und nieder, rammt seine phallische Gewalt in Explosionen gleißender Energie, brüllt seine Macht in schier endlos sich erstreckende Fabrikhallen, Orte, die nie die Helle des Tages sahen, Höllen animalischer Torturen und Prozesse unter der Herrschaft verselbstständigter Systeme, unter dem Joch einer sinnentleerten Diktatur, errichtet zur Erhaltung, Manifestierung, unentwegten Bestätigung derselben.
Sonnengleiche Eruptionen blauer Funkenstürme tauchen die Rückseite monolithischer Eisenkolosse in ein Meer aus Schatten. Ohrenbetäubendes Kreischen diamantharter Knochensägen reißt Krater in ausgebombte Seelenlabyrinthe. Riesige eherne Kessel sieden namenlose Kadaver, deren stumme Schreie in den Weiten eines verlorenen Feenwaldes widerhallen. Ketten rasseln widerwillig doch präzise durch die Winden rostiger Gerüste, die bis zur im Qualm verschwindenden, alles überragenden Gewölbedecke reichen. Mächtige Pfeiler ragen in den stählernen Himmel. Gigantische Hämmer krachen auf Ambosse. Grünblaue Sonnenlanzen brechen glühende Sturzbäche aus dem geweihten Stahl des Grals.
Die dumpfen Laute berstender Knochen, das Schmatzen zerissenen Fleisches, die wahnwitzigen, irren Blicke aus Augen, die nichts mehr zu sehen vermögen in zerschmetterten, deformierten Gesichtern. Das Stammeln des Viehs und die Stille der Unbegreiflichkeit bereits massakrierter, mit einer der Maschine eigenen stupiden Arroganz euthanasierter Leiber, die kopfüber am Haken des Fließbandes baumeln, ihr Leben ausbluten, frei von der Erkentnis nun, Vieh gewesen zu sein.
Die Maschine frißt Menschenfleisch.

© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text

Zentoolino (60)
(30.11.06)
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 RainerMScholz meinte dazu am 01.12.06:
Vegetarier? Ich fürchte, daß wird uns auch nicht aus der Misere helfen. Danke für den Kommentar.
Grüße,
R.

 michelle (30.11.06)
ich bin schockiert und doch, ich bin es nicht..... glg

 RainerMScholz antwortete darauf am 01.12.06:
Weiß ich doch -oder nein: irgendwie doch nicht. Danke.
Grüße,
R.
Jack (33)
(31.10.08)
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 RainerMScholz schrieb daraufhin am 02.11.08:
Tja, weiß ich auch nicht. Vor allem, weil du alles andere ja schon versternt hast. Auch hier: Danke, Jack.
Grüße,
R.
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