Der verlorene Traum II

Kurzgeschichte zum Thema Liebe und Leid

von  Mondsichel

Wie oft hatte er schon versucht der Einsamkeit zu entfliehen. Wie oft hatte er gesucht, doch niemals gefunden. Immer sehnend nach diesem Feuer, das er so vermisste, auch wenn er nicht wusste warum. Er verlor sich in der Sehnsucht, die ihn in die Arme seelenloser Liebe führte.
Fingerspitzen zogen sanft ihre Kreise auf nacktem Fleisch, Küsse brannten sich in die Haut, Perlen süßen Nektars netzten die Lippen, doch die Erfüllung war kalt wie der Tod. Für immer in eine Welt aus Leere und Eis gebannt, floh er sich in die Atmosphäre, die weit hinter den Meeren der Seele lag.
Abwesend von der wirklichen Welt lebte er nur noch vor sich hin. Geklammert an das Bild seiner innigsten Wünsche, von denen nur die Emotionen in seinen Gedanken verlieben waren...

Seine Augen waren die Spiegel tiefster Verzweiflung. Irgendetwas hatte sein Herz getroffen, tiefer noch, als er es jemals hätte ahnen können. In seinen Träumen war er ihr begegnet. Er wusste, irgendwo hatte er sie schon einmal gesehen. Doch wo und wann, dies blieb seiner Erinnerung verborgen.
Das Leuchten in ihren Augen, dieses Lächeln auf ihrem verführerischen Kussmund. Das lange mondleuchtende Haar, welches sich um ihre weichen Züge schmiegte. Ihre Stimme, die hellen Glockenklang und loderndes Kaminfeuer in sich vereinte.
Wärme erfüllte sein Innerstes, als das Verlangen wuchs sie zu umarmen. Doch sie entschwand, wie der Nebel, den man nicht greifen kann. Je mehr er über diesen Traum nachdachte, desto verwirrter wurde sein Innerstes...
In seinen Träumen war er mit ihr weit hinter die Horizonte geflogen. Hatte im Feuer des Sonnenaufgangs das Eis seiner erstarrten Seele aufgetaut. Doch hier in dieser kalten Realität, blickten ihn nur verständnislose Augen an. Fügten ihm noch mehr Schmerz zu, als er sowieso schon spürte.
Dabei suchte er doch nur die Erfüllung seines tiefsten Wunsches. Nur einmal noch den Honig der Blüte der Versuchung zu kosten. Nur einmal die Worte „Ich liebe Dich“ auszusprechen, ohne darüber nachzudenken, für wie lange diese Unendlichkeit dauern würde, die oft nur Sekunden der Sterblichkeit waren.
Verkrochen in der Dunkelheit seiner Selbst, umschmeichelt vom Duft des Weihrauches, der ihm die Illusion schenkte, in seiner Einsamkeit nicht allein zu sein.
Doch in dieser Nacht zog es ihn fort. So verließ er den Ort seines Schmerzes, seiner ewigen Gedanken...

Versunken streifte er durch die endlosen Straßen, auf der Suche nach einer Erkenntnis. Und als sein Kopf schon fast zu zerspringen drohte, blieb er stehen um sich dem Nichts zu ergeben, das in ihm geblieben war. Denn er wusste nicht mehr, worauf er hoffen sollte. Er hörte ihre Stimme, doch verhallte sie immer wieder in einer vergessenen Erinnerung, die von seinen Lippen hinfort geflogen war.
Die Kälte kroch ihm seine Knochen hinauf und schien ihm die Kraft zu nehmen seine Füße zu bewegen. Der Wind ließ sein dunkles Haar im Schein des Mondes fliegen und er fühlte sich, als würde das Leben ihm eine unendliche Last auf die Schultern legen.
Langsam lehnte er seinen Kopf an eine Hauswand, fast wollte er weinen, doch er wusste nicht einmal warum er weinen sollte. Die Tränen blieben verborgen hinter seinen Augen, in denen schon die Meere ungeweinter Tauperlen aus Traurigkeit im Sturme peitschten.
Er atmete tief durch, doch es schien ihm nichts von der Inneren Welt fallen zu wollen. Stattdessen zog es ihn immer tiefer in die Dunkelheit. Schließlich blickte er auf, drehte sich um und sank vorsichtig zu Boden...
Er sehnte sich so sehr nach seiner Wohnung, nach dem Kerzenschein, in dem ihm der Engel seiner Träume oft erschienen war. Er sehnte sich nach der Liebe, die ihren verführerischen Atem über ihre nackte Haut gehaucht hatte.
Doch hier war nur Stille und Einsamkeit um ihn herum. Er hatte hier das Gefühl all jenes zu verlieren, was ihn in den Wänden seiner Glückseeligkeit wie einen Vogel über den Wolken fliegen ließ. Weit hinaus über diese Kälte und Leere, die seine Träume immer mehr verdrängten.
Und jedes Mal wurde ihr Angesicht blasser, floh immer weiter davon. Es tat weh, so unendlich weh. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, sie niemals mehr wieder zu sehen...

Vor seinem inneren Auge fiel ein Tropfen Blut in den weißen Schnee und ein Schrei gellte durch die aufkeimende Dunkelheit. Irgendwie drehte es ihm die Luft ab, als er plötzlich ihre Augen vor sich sah, in denen der Mond zu glühen schien.
Sie lächelte, er sah wie ihre Lippen sich bewegten. Aber kein Wort schien zu ihm durchdringen zu wollen. Nur Stille, unendliche Stille, die ihn ängstlich machte.
Er wollte nach seinem Traum greifen, um ihn zu halten. Doch im nächsten Moment zerbrach das Bild vor seinem Innersten in Millionen Splitter und jeder Einzelne schien sich in seine Seele zu bohren.
Dieser Schmerz, er pulsierte durch jede Ader, jede Zelle seines Körpers und raubte ihm Stück für Stück seine kleine Welt. Kraftlos sanken seine Arme zu Boden, die gerade noch in die Leere gegriffen hatten. Müde blickte er hinauf zum Vollmond und es schien ihm, als hörte er ihre Stimme, die zu ihm sprach.
Eine einzelne Träne lief aus seinen Augen und netzte den Boden...
„Ich liebe Dich“, flüsterte es in seinen Gedanken.
„Ich liebe Dich auch. Doch mein Schicksal ist ein anderes“, antwortete sein Traum.
Da durchfuhr es ihn so heftig, dass er mit seinem Rücken kraftvoll gegen die Wand krachte. Der körperliche Schmerz konnte jedoch den seelischen nicht stillen.
Verzweifelt rang er mit dem Atem, als sich sein Innerstes schmerzlich zusammenzog. Plötzlich war ihm, als würden sich sanfte Lippen mit den Seinen vereinen und ihm die Sinne rauben.
„Ich will nur Dich, denn Du bist mein Schicksal. Bitte lass mich nicht leiden, lass mich nicht sterben. Schenk mir Leben und das Feuer Deiner Liebe. Denn ich weiß das es nur für mich brennt“, hörte er die Erinnerung sprechen.
In seiner inneren Welt schien es langsam ruhiger zu werden. Seine Muskeln entspannten sich und ein leichtes Brennen erfüllte sein Herz. Er schloss die Augen und verweilte in dem angenehmen Gefühl, das ihn nun erfüllte. Im selben Moment fühlte er sanfte Hände, die über sein Gesicht streichelten...

Müde öffnete er seine Augen, als dunkle Schatten über den Mondschein hinweg zogen. Doch da war noch ein weiterer Schatten, der sich direkt vor ihm befand und ihn musterte.
„Warum kannst Du nicht vergessen?“, flüsterte eine ihm wohl bekannte Stimme zu.
„Ich will nicht vergessen. Denn dies ist alles was ich noch habe. Sonst wäre ich ganz alleine in dieser toten Welt“, zitterte seine Stimme durch die eiskalte Luft.
„Warum kannst Du nicht leben? Du erfrierst im Angesicht Deiner Sehnsüchte, die im Nichts verweilen“, hörte er sie sagen.
„Ich lebe doch! Ich lebe nur für diesen Traum. Wenn dieser Traum stirbt, dann werde auch ich sterben“, antwortete er hauchend. Im selben Moment schwebten kleine Schneeflocken zu Boden und berührten sein Angesicht.
Seine Augen weiteten sich und längst vergessene Bilder stürzten auf ihn ein. Die Erkenntnis zerbrach ihm das Herz. Langsam erfüllte das Mondlicht wieder die Welt und er blickte seiner Erinnerung direkt in die Augen. In den Seinen glühte dasselbe grelle Licht, welches er in denen seines Traumes gesehen hatte...

Vorsichtig erhob er seine Hände und berührte das weiche Antlitz, welches er lange Zeit vergessen hatte. Sie lächelte und schmiegte sich in seine Berührung. Und es war, als würden die Flammen der Leidenschaft erneut Besitz von seinem Selbst ergreifen.
Er kniete sich vor dem Mädchen hin und nahm sie fest in seine Arme. Wie hatte er sich die ganze Zeit danach gesehnt! Bebende Lippen vereinten sich zu bittersüßen Küssen, die sich mit glühenden Lettern in den Himmel malten.
„Ich liebe Dich für die Unendlichkeit. Es gibt keine Grenzen mehr. Unser Schicksal wird sich vereinen, so wie Du es willst. Dann werden wir für immer und ewig auf den Schwingen des Feuervogels fliegen und niemals mehr alleine sein“, flüsterte ihm das Mädchen zu und malte ihm leere Spiegel in die Augen.
Völlig geblendet von den tiefen Gefühlen, die ihm der Traum versprach, folgte er den Verlockungen des eisigen Todes. Er merkte nicht einmal mehr, dass die Liebe die er spürte zu Eis geworden war. Seine Träume zersplitterten zu tausend leuchtenden Sternen. Und während seine Füße ihn weiter voran trugen, hatte seine Seele schon längst den Weg auf andere Pfade gewählt...
Am Horizont sah er den Engel fliegen, der ihm mit seinen Träumen aus dem Herzen gerissen wurde. Er fühlte es: Dies war das Ende dem er niemals begegnen wollte. Das Ende der Gefühle. Das Ende der Hoffnungen. Das Erlöschen des Feuers. Das Verzweifeln der Leidenschaft. Der Tod der Sehnsucht. Das Ende eines Traumes. Das Ende einer Seele, die nach Liebe hungerte.

Und der Engel konnte nur stumm das Schicksal akzeptieren, das er nicht verhindern konnte...

(c)by Arcana Moon


Anmerkung von Mondsichel:

So findet alles mal ein Ende...

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Kommentare zu diesem Text


 franky (09.12.06)
Hallo liebe Arcy,
es ist rau und kalt und verzweifelt;
alles will schreien um einen gütigen gott der silbernen tränen;doch der mensch kann ständigen schmerz nicht ertragen; auch nich ständiges glück, es würde sich bis zur schattenlosen verzweiflung herabwürdigen.
es muß beides in unseren träumen wohnen können, sonst zerbricht man an dem scharfen kannten einer der auserwählten wahrheiten.
einen tag voll glück kann man nur durch viele tage von unglück und trauer erreichen. ein unendlich scheinender weg, der sich immer wieder in den einen traum erfüllt, er nur allein trägt die liebe unter seinen flügeln.
geben wir dem licht der einzigen hoffnung die chance uns am leben zu halten und den stern der liebe immer wieder anzuzünden. er wird sich mit dem mond vereinen und mit dir als schneeflocke die erde besuchen. sie setzt sich auf die lippen der sehnsucht, dort brennt das ständige feuer.
vereint mit der einzigen tränen können sie ein paar sein, es reicht so lange wie die worte flüstern: ich liebe dich.
das ist die größte kraft, sie kann die tiefste verzweiflung zum leben erwecken.
wenn sich ein neuer traum auf die schwingen sezt,
sich über alles hinwegsetzt, dann wird sich auch das ende wiederholen, wir benötigen anfang und ende, es liegt in unserer zeit, sie will unsere trauer und unser glück messen. doch beides ist nicht meßbar, wir können es nur erfühlen. in all seinen höhen und tiefen.
du bleibst für mich der engel der im mondschein seine liebeslocken schüttelt und seinen kußmund für kurze zeit bereit ist um dann rasch im nebel der unbegreiflichkeit zu verschwinden.
vielen dank für denn zweiten teil des verlorenen traum,
er bleibt in meinen gedanken am leben.
sei ganz lieb gedrückt du engel im mondlicht..
Franky mit lieben gedanken

 Mondsichel meinte dazu am 10.12.06:
*lächel* Mit Deinem Kommentar hast Du eine Saite in meinem Herzen erklingen lassen, die mir das Lächeln auf Mund und Augen zaubert. Ich kann nur sagen: Lieben Dank! Es bedeutet mir sehr viel... :)
Dieser Traum ist zuende, doch warten noch so viele dort in meinem Innersten. Vielleicht kann man schon bald wieder einen neuen Traum in Lettern niedergeschrieben lesen. Wenn mein Herz es will...
*ganz lieb zurück drück*
Und danke fürs lesen. Nur so können Gedanken lebendig werden... ^^

Liebe Grüßle
Deine Arcy
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