rau

Kurzprosa

von  Traumreisende

Sie begann einfache Gegenstände zu benennen, Wand, Bett, Fenster...
Beständig versuchte sie ein neues Wort hinzuzufügen. Die, mit den wenigen Silben hämmerten sich bereits leicht über ihre Lippen, bumm, oder bummbumm, alles was darüber hinausging bröckelte stimmungslos aus ihrem Mund.
Auch Farben bereiteten ihr Mühe, aber da sie nie farbenblind war, begann sie langsam ihren Augen zu trauen. Nur Adjektive wehrte ihr Wesen völlig ab.
Sie versuchte sich wieder an der Wand. ‚Los fühl sie!'
Wand... Wand... langsam nahm ihr Bewusstsein kalt und hart wahr, auch rau, und mit geschlossenen Augen tastete sie über die Tapete, Ja, rau gefiel ihr.
Das würde sie nehmen, wenn sie jetzt einen Schritt weiterging.
Weitergehen bedeutete auch zulassen, loslassen, einlassen.
Sie atmete tief durch und öffnete sich.
Sofort spürte sie, dass es zuviel war.  Wie eine Flutwelle und augenblicklich schloss sie wieder: Wand!! Wand!! Wand!! Tisch, Bett, Stuhl... keine Farben, keine Adjektive, nur kurze Worte, bumm, bumm, bumm.

Ein erneuter Versuch. Nicht zu weit einlassen! Nur soviel, dass er einzeln eintreten musste, der Schmerz, dass er ihr Stück für Stück entgegen treten musste, dass sie ihn betrachten konnte, ihm sagen, ja du bist mein Schmerz, aber du bist nur ein Teil von mir! Und dann ihm zunicken, ihm sagen, nun sehe ich dir in die Augen, erst dann den nächsten zulassen. Zwischendurch murmelte sie: ’Wand, Tisch, Bett...’ immer öfter auch ein ‚rau’, bis er in all seinen Gesichtern aufgereiht war, bis sie erkannte, dass sie größer war als er.

Groß, klein... Adjektive



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Kommentare zu diesem Text


 franky (08.01.07)
Hallo liebe Silvi,
habe den text einige male gelesen und in mir aufgesogen;
es ist ein interessanter weg den du hier zeichnest.
am ende erkennen: ich bin grösser als der schmerz;
das fühlt man nur, ist nicht messbar.
schicke dir helles licht für den heutigen neuen tag
Franky mit lächeln für dich:-)

 Traumreisende meinte dazu am 11.01.07:
ja, dies ist ein weg des fühlens, ein fühlen, das man aussperren wollte in dem man garnichts mehr zuläßt, aber fühlen trägt viele farben, wenn wir wieder die fühlenden wortbeschreibungen verwenden erkennen wir vielleicht deren vielfalt und das schmerz nur ein teil davon ist.
hab ganz doll dank
und sei umarmt
silvi
Herzwärmegefühl (53)
(08.01.07)
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 Traumreisende antwortete darauf am 11.01.07:
bei disem text habe ich versucht in das fühlbare von wörtern zu gehen, es war für mich selbst ein erkennen.
auch wenn die zeit, in der ich einmal einen solchen weg gegangen war zurückliegt, ist es gut sich zu besinnen, er kann immer wieder kommen, der schmerz, und dann ist es wichtig, dass er nicht zum wir wird..
danke dir sehr
lg silvi
poxy (19)
(08.01.07)
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 Traumreisende schrieb daraufhin am 11.01.07:
ich denke, wenn man dicht macht, weil der schmerz zu groß ist, kommt nichts an gefühl durch, auch nichts gutes, zu fühlen wird immer erst einmal ungefiltert bleiben, sind adjektive nicht ein ausdruck des fühlens und empfindens??
hab dank du
dir liebe grüße
silvi

 rela (09.01.07)
Hallo, Du Zauberin der Worte. Habe diesen Text ganz leise laut gelesen. Selten habe ich so eine Gänsehaut verspürt, einen Schmerz so tief nachempfunden und dennoch eine
unendliche Kraft und Tapferkeit aus den Zeilen gesaugt.
Es gibt einen lieben Menschen dem Dein Text eine ganze Menge Trost und Hoffnung spenden kann. Darf ich ihn meiner Mum vorlesen? In inniger Umarmung. Rela

 Traumreisende äußerte darauf am 11.01.07:
deine worte haben mich sehr gefreut! natürlich darfst du. wenn jemand diesen weg der schmerzbetrachtung nachempfinden kann, selbst dadurch einen weg finden kann, dann ist es wie ein geschenk..
es gab eine zeit in meinem leben, da habe ich tatsächlich durch das betasten einer wand reales empfinden als weg genommen...
hab so viel dank!!
alles liebe
silvi

 mondenkind (09.01.07)
weisst ja.. :)

 Traumreisende ergänzte dazu am 11.01.07:
ja...:-)
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