Fürs Stricken denkbar ungeeignet -Wollknäuel mit Charme (2. Teil)

Erzählung zum Thema Tiere

von  tastifix

Krallenkürzen und Ohrensäubern

Mato und Quinny strotzten nur so vor Gesundheit. Schlimmstenfalls plagte Mato ab und zu ein blödes Ekzem. Jedoch störte das meinen Hund beileibe nicht so wie Ohrensäubern, Krallenkürzen oder etwa (entsetzliche Vorstellung!) gar eine Impfung. Ihn zu einem Tierarztbesuch zu überreden, war eine echte Kunst. Das Krallenkürzen machte der Doktor jedes Mal, denn bei Hundchens Anstellerei mit Pfote wegziehen und Jammerlauten traute ich mir das nicht zu. Sogar noch nach dieser doch banalen Prozedur spielte er den gequälten Patienten, mit allem, was dazugehört. Schwer gekränkt, nahm Herr Hund die hinterher angebotenen Trostleckerchen generell innerhalb der Praxis niemals an.

Das Ohrensäubern nahm ich zu Hause selber vor. Allerdings geschah das in einer regelrechten Zeremonie. Sah Mato nämlich dieses berüchtigte Stäbchen, erlebte ich die sekundenschnelle Verwandlung eines Machos in einen Floh, der kläglich vor sich hin piepend vor mir auf dem Boden lag. Aus den Augenwinkeln schielte er erst ängstlich das Wattestäbchen an, dann flehentlich zu mir.
“Mato, das ist ja nun wirklich nichts Schlimmes, tut absolut nicht weh. Hör auf zu wimmern, als ob ich dich abschlachten wolle!”
Diese Ermahnung brachte gar nichts. Bei jeder vorsichtigen Berührung seiner Ohren mit dem Wattebausch zuckten diese heftig, wahrscheinlich in der Hoffnung, ich würde mein Vorhaben aufgeben. Aber schmutzige Hundeohren sehen sehr ungepflegt aus. Außerdem bietet Dreck in den Ohren die Grundlage für Entzündungen. Also kein Pardon! Damit er sich nicht mehr muckste, handelte er sich einen Miniklaps auf seine Schnute ein. Bedröppelt ob dieser deutlichen Ermahnung ergab er sich frustriert und natürlich schon wieder um ein weiteres Mal mehr beleidigt, in sein Schicksal. Siehe da, ich konnte ganz in Ruhe „arbeiten“. Ich merkte ihm an, wie erleichtert er dann feststellte:
“Tut gar nicht weh!”
Bis zum Ende meines ja eigentlich frechen Eingriffes in seine Privatsphäre lag er völlig entspannt er zu meinen Füßen. Nach zwei Minuten hatte er es dann überstanden. Diese entsetzliche Vergewaltigung seiner armen Ohren war vorbei. Solche kaum fassbare Tapferkeit schreit regelrecht nach Belohnung. Also regnete es anschließend für die süße Hauptperson dieses kleinen Dramas Berge von Leckerchen. Hoffentlich grübe sich das tief in sein Gedächtnis ein: Für´ s nächste Mal!!


Impfung
S-Bahn

Die Tierarztpraxis lag in Langenfeld. Ohne Auto blieb nur die Fahrt mit unserer S-Bahn, die an jedem noch so kleinen Bahnhof hielt.
„Sind ja bloß zwei Stationen!“, sagte ich mir.
Das blieb dann der einzige Lichtblick auf dieser Reise.

Menschen gehen gepflegt und sauber zum Arzt. Für Hunde gilt gleiches. Also schnappte ich mir meinen Liebling und bürstete und bürstete. Letztendlich verschwand der halbe Hund in der bereitgestellten Plastiktüte. Mensch, hatte der eine Wolle! Nach einer Dreiviertelstunde stand er endlich schick frisiert vor mir. Dann hatte mein Mato von dieser Prozedur aber auch die Nase gestrichen voll. Ich ebenso, und war zudem nassgeschwitzt. Erst ´mal duschen! Wieder erfrischt, suchte ich seinen Impfpass heraus, der so in etwa dem Gegenstück für Menschen entsprach. Dem Heft war zu entnehmen: Mato hatte in all den Jahren schon so manche Arztbesuche wohlbehalten überstanden, war regelmäßig zur Impfung erschienen und ich demnach ein ausgesprochen gewissenhaftes Frauchen. Eigenlob stinkt. Stört mich aber nicht im Geringsten.

Fein gebürstet glich Mato wahrhaftig einem Dressman auf vier Beinen. Toll sah er aus. Mit Sicherheit hätte er auf einer Schönheitskonkurrenz einen der ersten Plätze belegt.
“Was siehst du süß aus!” flüsterte ich ihm zärtlich ins Ohr.
Stolz genoss ich den Anblick. Mato machte aus Dank dieses eigentlich schon längst überfälligen Komplimentes wegen geschmeichelt Dackelaugen. Er trug in den nachfolgenden Minuten sein Nase noch ein Fitzelchen höher als ohnehin schon, zumindest bildete ich verliebtes Frauchen mir das liebend gerne ein.

Aus taktischen Gründen verstaute ich noch eine Handvoll Leckerchen in eine bei jeder Bewegung laut knisternde kleine Tüte (ausschließlich echte Frolics!). Sollte mein Hund seine berühmten Wegen-zum-Tierarzt-gehen-stur-stehenbleiben-Versuchsanfälle unterwegs kriegen, wollte ich diese Tüte dem Vierbeiner vor seine süße Steckdosenschnute halten. Knisterei (oh, wie verlockend!) und intensiver Frolic-Geruch (einfach unwiderstehlich: Hunde laufen meilenweit für Frolic!), sollten mein Knuddelvieh von der wachsenden Erkenntnis ablenken, wohin dieser Spaziergang führte. Bei früheren Ausflügen dieser Art hatte “Frolic” stets Matos gute Vorsätze, sich gegen die Annäherung an die Praxis zu wehren, bestens zunichte gemacht. Mit diesem Trick ersparte ich mir für wenigstens die Hälfte des Weges den berühmten Zieh-Kraftsport.

So ausgerüstet zogen wir, Mato nooch bester Laune, ich nicht ganz so fröhlich gestimmt, los zur S-Bahn. Für diesen normalerweise 10-minütigen Weg hatte ich etwa zwanzig Minuten eingeplant, um in möglichst üblicher Bummelmanier zum Bahnhof zu wandern. Vielleicht konnte ich so Mato täuschen, welche Richtung wir nähmen? Denkste!! Hunde kann man nicht so leicht an der Nase herumführen. Sie spüren, was der ihnen anvertraute Zweibeiner da im Schilde führt.

Bevor wir in Hellerhof den Bahnhof erreichten, überquerten wir den großen Parkplatz vor unserem kleinen Einkaufszentrum. Da dämmerte Mato etwas. Zwar noch sehr diffus, aber immerhin. Nie im Leben war das ein normaler Spaziergang. Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste! Auch mir drängte sich in diesem Moment genau dieser Gedanke auf. Deshalb hielt ich meinem Wauwau schon ´mal mit lieben Worten das knisternde Tütchen zum Anschnuppern vor die Nase. Ich hoffte, seine Gedächtnisarbeit dadurch verlangsamen zu können. Vergeblich! Mein Hund fand zwar die Tüte klasse, aber ablenken von den bei ihm plötzlich eingesetzten Überlegungen konnte sie ihn nicht mehr. Die hätte da sogar nach Pansen riechen können, wohlmöglich hätte selbst das nichts mehr geholfen. Wenigstens blieb er, (etwa mir zuliebe?), nicht bereits schon vor der Ankunft am Bahnhof schon stehen, sondern trappste brav neben mir her, jedoch schon deutlich bedächtiger. Auf dem Bahnsteig änderte sich Hundchens Verhalten. Mato fing an zu nerven. Leise vor sich hin fiepsend, trippelte er nervös von einer Pfote auf die andere und schaute mich wiederholt schräg, vorwurfsvoll-klagend so richtig von unten nach oben hin an. Prompt erntete er tröstende Worte samt Streicheleinheiten. Auch ich war ein wenig unruhig bei dem nicht ganz abwegigen Gedanken, was mich wohl von Matos Seite her bei der Ankunft in Langenfeld erwarten könnte. Das würde spannendwerden. Ohne Zögern stieg er in den Zug. Geschafft!

Aufatmend sank ich auf den nächstbesten Platz.
“Sitz!”
Mato gehorchte sofort. blieb auch lieb für ein paar Sekunden sitzen. Jedoch, da ziemlich verunsichert, erhob er sich aber mehrmals, piepste los und sah ängstlich zu mir. Der wusste Bescheid. Den konnte ich jetzt nicht mehr täuschen. Die bewundernden, lieben Worte der Mitreisenden, an meinen Hund selbst gerichtet, brachten auch nichts. Ihm war klar:
“Es geht zum Tierarzt. Oh Gott!“

Langenfeld-Mitte stiegen wir aus. Der Rest –  ein einziger Kampf! Mato verharrte stur auf einem Fleck. Ich zog wie verrückt. Es wartete ein fester Termin auf uns. Den wollte ich pünktlich wahrnehmen. Weil es ja nicht anders ging, gab Hund nach und ließ sich einige Schritte vorwärts schleppen. Aber nur wegen der besagten Tüte vor seiner Nase. Die verlor auffallend schnell ihren Inhalt. Die Leckereien hinderten Mato nicht daran, sich noch weitere Trotzvarianten einfallen zu lassen. An der nächsten Straßenecke blieb er nicht einfach nur stehen. Nein, dieses Angstpaket setzte sich mit einem lautem Plumps ostentativ auf seinen Po und verweigerte jeden weiteren Schritt. Klasse gemacht, mein Kleiner! So kämen wir nie rechtzeitig zum Tierarzt, was ja auch Sinn und Zweck dieser Übung war. Derartig konnte das nicht weitergehen. Ich herrschte meinen Kameraden rabiat an, was ihn doch ein wenig beeindruckte. Immerhin erhob er sich zögernd und begleitete mich zerknirscht, aber gehorsam den nächsten Meter. Allerdings im Schneckentempo.

Wir erreichten die Straßenecke Nummer Zwei. Da erinnerte sich mein Hund ganz offensichtlich seiner an der vorigen Straßenecke doch recht erfolgreichen Methode, die Annäherung an die verhasste Praxis noch ein wenig hinaus zu zögern. Wenigstens ein paar lumpige Minuten. Das schrie nach Wiederholung! Ein wenig Abwechslung in diesem schönen Spiel würde nicht schaden. So stemmte Mato sich diesmal im Stehen vehement gegen die Laufrichtung. Leider saß sein Halsband zu fest. Er schaffte es nicht, das Ding loszuwerden. Ich kannte ja meinen Liebling und hatte es sicherheitshalber ein Loch enger geschnallt. Seine Anstrengung wäre also umsonst. Die brächte nichts.
“Ja, glaubst du denn im Ernst, Frauchen kennt dich so wenig?” meinte ich.
Wir setzten das nervtötende Spiel die ganze Reststrecke lang fort. Für das zu erwartende Theater in der Arztpraxis blieb gerade noch ein minimaler Rest der Schluckereien in der Tüte zurück Endlich standen wir vor dem gefürchteten Eingang. Hochleistungssport! Ich packte meinen Hund am Halsband und trug ihn halb durch die Luft ins Innere der Praxis. Uff, drin waren wir!! Groggy von dem ganzen Zirkus schloss ich schleunigst die Tür hinter ihm.
Angekommen. In der Höhle des Löwen.


Galgenfrist

Leider waren wir nicht die Einzigen, die den Tierarzt in Anspruch nahmen. Das Wartezimmer platzte aus allen Nähten. Mir kam der passende Gedanke: Theaterstück –  Zweiter Akt! Da ich ja nicht voraussehen konnte, auf welches Gegenüber mein Hund hinter der Türe stieße, nahm ich lieber die Leine ganz kurz. Denn mit fremden Rüden hätte es auf diesem engen Raume vielleicht Schwierigkeiten gegeben. Welch ein Glück! Da saßen, um die Wette zitternd, nur kleinere Ausgaben, so etwa von Dackelhöhe. Die wagten es hier sowieso nicht, sich aufzuspielen. Sie hatten genug mit ihrer eigenen Angst zu kämpfen. Die Gesichter mancher zugehörigen Besitzer sprachen ebenfalls Bände. Denn nicht alle vierbeinigen Patienten waren nur einer Impfung wegen erschienen wie mein Mato.

Alle anwesenden Herrchen und Frauchen versuchten gleich mir, gelassen zu bleiben und diese Stimmung auf ihre Tiere zu übertragen. Doch die kleinen oder auch etwas größeren Patienten rochen gegenseitig ihre Furcht, weswegen unsere menschlichen Bemühungen zu keinem Erfolg führten. Vergebliche Liebesmühe! Darin waren sich in einem solchen Raum alle tierischen Wesen, ob Vogel, Maus, Kaninchen, Katze oder Klein-Hund bzw.Groß-Hund erstaunlich einig. Ja, beim Tierarzt hielten sie alle zusammen. Aggressionen gegen irgendwelche unsympathischen Artgenossen wurden in den meisten Fällen erfolgreich verdrängt; so nach dem Motto: Wenn das hier alles überstanden wäre, könnte man sich ja gerne vor der verhassten Praxistür ein wenig raufen.

Als anständiger Hund fiepte man kräftig die ganze Zeit vor sich hin und versteckte sich, wenn man nicht zu groß ausgefallen war, möglichst weit hinten unter dem Stuhl seines Besitzers. Dort suchte man dann verzweifelt Mauselöcher, in die man hätte verschwinden können und bibberte sich pflichtgemäß fast zu Tode.

Eins gestand ich Matochen zu. Er verhielt sich seinen Artgenossen gegenüber sehr solidarisch und schloss sich, was Zittern und Jaulen anging, äußerst willig an. Er hatte absolut kein Interesse an irgendeiner vierbeinigen Auseinandersetzung. Im Gegenteil: Mato wollte da nur schnellstens wieder weg. Die blöde Impfung konnte ihm gerne gestohlen bleiben. Seiner Meinung nach könnte ich mich ja gerne pieksen lassen. Er jedenfalls nicht!

In seiner Panik riss Mato an seiner Leine, um sie irgendwie doch noch los zu werden. Er wechselte dabei von einer Stuhlseite zur anderen. Mein Riesenstofftier zählte natürlich wieder einmal zu denjenigen, die am lautesten vor sich hin jaulten und/oder sich bellend die Aufregung von der Seele redeten. Ich beschäftigte mich mit wachsender “Begeisterung” ununterbrochen damit, ihn durch Zureden und Schmusen plus Spenden aus der fast geleerten Tüte einigermaßen im Zaum zu halten.

Neben mir trug eine Frau ein Katzenkörbchen auf dem Schoß, aus dem es kläglich miaute. Draußen vertrat Mato stets die Ansicht, diese miauenden Ungeheuer gehörten sofort in den Römertopf. Hier kümmerte ihn das Biest (wie merkwürdig!?) gar nicht. Sie durfte sogar die ganze Zeit miauen. Er hatte mit sich selbst genug zu tun.

Uns direkt gegenüber hockte ebenfalls in einem schönen Weidenkorb ein kleiner Hase, dessen Näschen vor Aufregung hin und her zitterte. Mato roch das wohl (Lieblingsbeute Nr. 2), doch er hatte momentan wirklich andere Sorgen. Trotzdem achtete ich auf einen gehörigen Abstand. Wusste ich denn, ob der Jagdtrieb trotz seiner Angst nicht doch die Oberhand gewänne? Also besser aufpassen!

Als mein Liebling seine vergeblichen Befreiungsversuche deprimiert endlich aufgab, kroch er in höchster Verzweiflung unter meinen Stuhl. Er robbte soweit als möglich mit der Schnute voran zur Wand. Wohl in dem Glauben, da fände ihn kein Tierarzt der ganzen Welt jemals. Doch da täuschte er sich. Ihm war nur ein Teilerfolg vergönnt. Mato war nun ´mal ein relativ großer Hund. So lugte sein Schwanz deutlich sichtbar zwischen meinen Beinen hervor.

Mit der Zeit leerte sich zum Glück das Wartezimmer. Und unser Termin rückte endlich näher!


Ans Messer geliefert

Nach geschlagenen eineinhalb Stunden Wartezeit waren wir endlich an der Reihe. Ein Griff ins Halsband. Nochmals die Schlepperei von vorne. Leckerchen halfen nicht mehr. Ich schleifte Mato einfach über den Boden. Sonst hätte ihn der Behandlungsraum wohl nie zu Gesicht bekommen. Dieses Zimmer kam meinem Hund bekannt vor. Er schielte zu der großen Fensterfront, deren Fenster der Wärme wegen auf Kippe standen. In der irrigen Annahme, er könnte durch die Lücke entfleuchen, machte Hund Männchen und landete mit seinen Vorderpfoten auf der Fensterbank. Ein paar darauf abgelegte Zettel glaubten dran und segelten zu Boden.
“Mato! Kommst du da wohl runter. Das geht nicht!” wies ich meinen Hund zurecht. Energisch lotste ich ihn auf den Boden zurück.

Gott sei Dank. Die Ärztin trat ein. Mato konnte sie sehr gut leiden. Trotz seiner Panik ließ er sich wohlig von ihr streicheln. Auch die herbei zitierten Hilfskräfte, (irgendwer sollte ihn ja festhalten!), durften das. Im Grunde genommen hatte diese Ärztin vor chowchow-ähnlichen Hunden Respekt. Aber in Bezug auf meinen Hund meinte sie:
“Vor Mato habe ich keine Scheu; der ist ja lieb!”
Solch ein Kompliment zogen Mato und erst recht ich uns gerne an Land. Ich war sehr stolz auf ihn, wie brav er sich den von mir erbetenen Maulkorb überstreifen ließ, ohne auch nur den geringsten Versuch einer Gegenwehr. Doch meiner eigenen Nervösität wegen landete das Ding dummerweise falsch herum auf seiner Schnute.
“Ach entschuldige, Knödelchen,” bekannte ich meinem immer noch gehorsam vor mir sitzenden Tier meinen Fehler.

Ein fixer Griff und der Maulkorb saß richtig. Es sollte losgehen. Das blöde Ding auf seiner Schnute fand mein Hund äußerst lästig. Natürlich hatte er sofort mitgekriegt, dass ich es aus zu großer Vorsicht heraus zu locker umgeschnallt hatte, um ihm ja nicht weh zu tun. Ein paar Male mit der Pfote an der Schnute herumgestrichen, und der Korb hing unter derselben. Bevor Knödelchen aber diesen kleinen Triumph uns gegenüber so richtig auskosten konnte, griff ich nochmals blitzschnell zu und befestigte dieses Ärgernis ein wenig enger. Verflixt, zu dumm für ihn!

Ausgerechnet an diesem Tag wurden fast alle Praxisangestellten vom Bandscheibenvorfall oder zumindest Hexenschuss geplagt. Den hatte ich gerade glücklich überstanden. Die behandelnde Ärztin erzählte mir, sie hätte sich wochenlang mit einem massiven Bandscheibenvorfall herum geplagt. Selbstverständlich wollte sie keinen Rückfall riskieren und deshalb Mato nicht auf den Behandlungstisch heben. Ich aber konnte es auch nicht, denn mein Hund war nicht gerade ein Leichtgewicht. Zusätzlich erschwerte seine panische Strampelei das Ganze.

Doch gottlob fand sich eine Assistentin, die von Rückenbeschwerden jeglicher Art verschont geblieben war. Mit geübtem Griff schnappte sie sich meinen Teddy, der dann total unglücklicher Miene wie ein nasser Sack wehrlos auf ihrem Arm hing. Der stieß dann so komisch klägliche Laute hervor und versuchte, der Helferin wenigstens mit seinen Pfoten ein bisschen gegen den Bauch zu treten. Die Hampelei meines Hundes verunsicherte das junge Mädchen jedoch keineswegs. Ehe er sich´ s versah, stand Mato auf dem zu allem Überfluss auch noch wackeligen Tisch. Es war ihm anzusehen: Da fühlte sich mein Hund alles andere als wohl. Die Höhe war ja nicht das Schlimmste. Aber das komische Ding unter ihm verschob sich dauernd seitlich, grauenhaft! Es schien mir so, als ob es meinem Mato fast schwindelte.

Diese Bangebuxe ähnelte so gar nicht dem kleinen Macho, mit dem ich von daheim losgezogen war. Innerlich verwandelte der sich erst in eine Maus, dann schrumpfte er doch tatsächlich auf Flohgröße zusammen. Das Stadium einer Mikrobe blieb ihm dummerweise verwehrt. (In der Hundeschule hatte der den entsprechenden Lehrstoff wahrscheinlich ignoriert und sich lieber mit wahrer Begeisterung dem Fach “Fasanenjagd” gewidmet). Das erwies sich jetzt als Nachteil.

Doch versuchte er verzweifelt, dieser Freiheitsberaubung durch dreifachen Klammergriff von vorne, seitlich und hinten zu entkommen. Ganz allmählich, Stückchen für Stückchen, rutschte mein Kleiner rückwärts indem er ganz allmählich auf das hintere Ende des Tisches zu rutschte.(Bestimmt hoffte er, das merkte niemand!). Dass dahinter aber keine Balken zum Auffangen parat standen, und er, statt sich vor uns retten zu können, höchstens mit einem Plumps recht unsanft auf dem Boden landen würde, hatte er sich nicht klar machen können. Selbst einem Prinz v. Emsdahl fehlte dazu die nötige Einsicht!

Doch die Gefahr des Fallens bestand ja gar nicht. Ich erahnte selbstverständlich seinen Plan und schubste ihn zurück zur Mitte des Tisches.
“Nix da, mein Kleiner! Ist doch gleich vorbei. Du bleibst hier oben!”
Im Stillen dachte ich:
“Meine Güte; dieses Zinnober nur einer Impfung wegen. Das dauert ja länger als der eigentliche Dreiviertelsekundenpieks. Welch ein Schwachsinn!”
Das nächste Mal bäte ich darum, ob Mato nach Möglichkeit unten auf dem Boden verarztet werden könnte. Das wäre für alle Beteiligten eine Mordserleichterung, vor allem für meinen kleinen Angsthasen. Doch jetzt hieß es:
“Festhalten!”

Denn es näherte sich bereits die böse Spritze. Mato ruckte verzweifelt, aber ohne Erfolg! Weinerlich schielte er erst zu mir und dann auf das spitze, etwa sieben Zentimeter lange Ungetüm. Oh nein, das brannte gleich! Wahrscheinlich hatte er sich vorgenommen, im entscheidenden Augenblick los zu quieken wie ein Schweinchen. Aber die Spritze war schneller, mein Kleiner quiekte kein bisschen und schaute nur sehr überrascht drein. Außerdem waren da ja meine Hände. Die knuddelten ihn liebevollst ab, weil er sich eines dicken Lobes wegen ausgesprochener Tapferkeit mehr als würdig erwiesen hatte. So, wie ich meinen Racker kannte, nahm er das nach Hundeart alles fein für wahre Münze.

Der Hauptakt lag hinter uns. Bärchen sollte wieder runter. Doch vor dieser erneuten Kraftanstrengung kurz für einen Moment verschnaufen! Wir alle waren klitschnass geschwitzt bis auf die Haut. Ein geübter Griff und Mato landete wiederum auf dem Arm des jungen Mädchens. Völlig kleinlaut, wehrte er sich gar nicht mehr, ließ die Pfoten kraftlos in der Luft baumeln und mit sich alles Weitere frustriert geschehen.
“Noch schlimmer würde es doch jetzt hoffentlich nicht mehr werden?” fragten seine Augen bange.

Nein, stattdessen spürte er im nächsten Moment endlich festen Untergrund unter seinen Beinen, wuchs vom Floh über die Maus wieder zu einem Prachtexemplar von Eurasier. Nun erkannte ich ihn auch wieder. Da stand ja tatsächlich mein Hund vor mir und versuchte fix, da die Behandlung beendet war, eine hochnäsige Miene aufzusetzen. Erleichtert ließ er sich vom Maulkorb befreien, (endlich war das lästige Ding weg), von allen streicheln und schnupperte dann prüfend nochmals den Boden ab. Nicht, dass da etwa irgendwo noch eine nachträgliche Gemeinheit auf ihn wartete. Tja, so ganz gutgläubig war mein Mato ja nicht, sondern eher der kritische  Typ. Nach dieser gründlichen Überprüfung atmete er auf. Es war anscheinend alles wieder in bester Ordnung. Er lebte noch, und seine vier Beine waren auch noch dran.

Die Ärztin war begeistert von Mato, der trotz seiner Panik soo brav gewesen war. Ja, für meinen Liebling kam selbst in solchen Situationen Knurren oder gar Schnappen keinesfalls in Betracht. Er achtete sozusagen peinlichst auf gutes Benehmen. Er spürte, die wollten ihm alle nur helfen, und ich war ja bei ihm. Doch glaubte die Ärztin, er nähme nach der ausgestandenen Angst trotz anschließenden Lobes sogar im Behandlungszimmer dann gnädigst Leckerchen entgegen, so hatte sie sich getäuscht. So toll war das Ganze nun doch nicht gewesen! Selbst “Frolic” futterte er doch hier nicht! Draußen vor der Praxis würde mein Hund mir wegen “ Frolic” fast die Finger abbeißen. Da war ich mir sicher. So etwas nennt man Wiedergeburt eines süßen Machos.

Zum Abschluss seines Besuches beim Tierarzt nahm Matochen noch hoheitsvoll seine Belohnungsmedaille in Empfang.
“Tollwut geimpft!”, stand auf dem Orden.
Kaum hatten wir dann beim Verlassen der Praxis die Eingangstür hinter uns zufallen lassen, setzte sich Knödelchen mit Bettelblick vor mich hin, so richtig a` la Dackel, hob seine Pfote und forderte mit einem eher kecken “Wuwuuh-Wau!” sein “Frolic”! Frau Dr. D. schaute zu und lachte sich kaputt. Das erlebte sie auch nicht jeden Tag.

Bis wir zu hause an kamen, war Mato wieder ganz der Alte und hatte dann nichts Besseres zu tun, als seinem Quinny die Ohren voll zu bellen. Um sich die Restaufregung von der Hundeseele zu reden. Er war in seinem eigenen Reich und hatte wieder Oberwasser.


Krankenpfleger

Anders als meine beiden Rüden war Fee dauernd krank. In gesunden Tagen zog dieser Pechvogel sich dann (es wäre auch zu schön gewesen, wenn nicht...!) regelmäßig Verletzungen zu. War sie ausnahmsweise einmal gesund, zog sie sich mit Sicherheit Verletzungen zu. Meistens Schnittwunden durch irgendwelche Splitter. Sie war eben ein typischer Elefant im Porzellanladen und ließ keine Gelegenheit aus, in etwas Scharfes zu treten. Oft war ich der Verzweiflung nahe.

Sechs Jahre alt geworden, steckte sie sich in einer Pfütze mit einem Erreger an, der nie genau diagnostiziert werden konnte. Ihre Krallen lösten sich nacheinander und fielen ab. An den Wundstellen strich ich entsprechende Salben auf. Sehr häufig hatte sie voluminöse Schutzverbände zu tragen. Die Verbände anzulegen, war manchmal recht kompliziert. Deshalb nahm ich es lieber in Kauf, alle paar Tage wegen des notwendigen Verbandwechsels zum Tierarzt zu fahren. Über die oft voluminösen Binden zog ich bei Regenwetter zusätzlich ausrangierte Kinderstrümpfe sowie Gefrierbeutel. Die Wundstellen durften keinesfalls feucht werden.

Einmal hatte ich sie in die Klinik gebracht, weil eine der Krallen sich nicht von selbst gelöst hatte. Sie sollte mit einem kleinen Eingriff entfernt werden. Nachmittags erlebte ich einen Schock. Der Arzt eröffnete mir, dass nicht nur die eine, sondern ebenfalls die neun restlichen Krallen hatten gezogen werden müssen. Als ich Fee abholte, waren ihre Beine in den riesigen Verbänden kaum noch auszumachen. Meine Töchter daheim guckten entsetzt, als sie ihre vierbeinige Freundin so wiedersahen.

Mato und auch Quinny merkten sofort, dass es ihrer Freundin schlecht ging. Sie sahen mich hilflos an. Es war rührend zu beobachten, wie behutsam Mato an ihr schnupperte, um sie zu trösten. Immer wieder schaute er mich flehend an:
“Hilf ihr doch, bitte!”
“Ihr fehlt nichts Schlimmes!” versuchte ich meinen Tieren zu erklären.
Die verstanden das natürlich nicht, aber ich hatte mich durch diese Worte selbst etwas beruhigt und blieb gelassener.

Meine beiden Hundejungen wetteiferten miteinander, ihr Weibchen zu liebkosen; mit Nasenküsschen noch und noch. Sie legten sich dicht zu ihr, sogar mein Mato, der sonst immer gerne Abstand hielt. Sein Blick sagte deutlichst:
“Frauchen, du wenigstens musst doch Rat wissen!”
Doch was diese komische Pfotengeschichte betraf, war auch ich machtlos. Fee durchlitt dieser periodisch wiederkehrenden Krankheit schlimme Schmerzen. Mato und Quinny litten mit. Süße Kameraden!


Westerwald
Ferienhaus

Wie schön! Voraussichtlich könnte Feechen für die Dauer eines halben Jahres ihr Leben wieder genießen. Zum x-ten Male war die Pfotenerkrankung zum Stillstand gekommen. Mein damaliger Freund Otmar und ich nutzten diese Zeit, um mit meinen drei Vierbeinern ein Wochenende in einem gemieteten Ferienhaus des Westerwaldtreffs bei Oberlahr zu verbringen. Das Haus stand auf einem riesigen, wunderschönen Grundstück mit einigen Tannen. Auch das Haus selbst war für einen Urlaub mit Tieren ideal. Ein sehr großer, zweigeteilter Wohnraum; in der einen Hälfte Küchenzeile mit Esstisch, in der anderen eine durch eine bodenlange Portiere abgeteilte Schlafecke. Vor der Fensterfront zum Garten stand noch eine größere Sitzgarnitur.

Der Mittelpunkt des Zimmers aber war ein gemauerter offener Kamin: Genau mittig vor die beiden Fensterfronten platziert, sorgte er abends für eine ausgesprochen anheimelnde Atmosphäre. Mit Decken baute ich meinen Vierbeinern ein eigenes Schlafzimmer. Mato als Rudelführer hätte dieses Komfortbett am liebsten für sich ganz alleine genutzt. Doch da waren ja noch seine beiden Kumpanen. Ich wies ihn zurecht. Die anderen Beiden hatten gleiche Rechte. Gezwungenermaßen teilte er sich dann dieses schöne Lager mit Fee. Zufrieden stellte Mato fest, dass er von dort aus prima die “Küche” unter Aufsicht hatte.

Quinny legte keinen gesteigerten Wert auf das große “französische” Bett. Er wollte seine Schlafstatt unter dem Esstisch eingerichtet wissen. Darunter schlief er wie in einer Höhle. Es war fast so gemütlich wie daheim unter meinem Schreibtisch. Mit einem Dach über dem Kopf. Außerdem konnte er sich dort bei Zwistigkeiten mit seinen doch viel größeren Kameraden bestens in Sicherheit bringen. Manchmal war es ein auch von Vorteil, klein zu sein.


Tischsitten

Meine Drei erinnerten sich der Gepflogenheiten von daheim und leisteten uns mit vielen flehenden Blicken während des Frühstücks Gesellschaft. Es gehörte sich so, dass Zweibeiner ihr Frühstück keinesfalls selber aßen. Höchstens einen Teil! Dackelblick hoch drei brachte eine Menge mehr als Betteln mit nur zwei Kulleraugen. Meine Tiere darbten wirklich nicht.

Otmar verwöhnte seine vierbeinigen Freunde auf noch verrücktere Art als ich. Die bekamen doch tatsächlich echten Lachs, für Hundemägen ist solche Ernährung nicht so toll (viel zu fett!). Darum versuchte ich diese Leckerei von Speiseplan zu verbannen. Doch ich hatte die Rechnung ohne die Wirte gemacht. Mein zweibeiniger plus meine vierbeinigen Kameraden verbündeten sich gegen mich. Ich bekam schlimme Vorwürfe und klagende Hundelaute zu hören. Natürlich setzten die Vier sich durch.

Mit:
“Dann verderbt euch doch den Magen. Von mir kriegt ihr aber hinterher keine Kompensan-Tabletten!” gab ich klein bei.
Jeden Morgen gab es ein Stückchen Lachs. Den Magen verdarben sie sich dann an ganz anderen Dingen.


Schlafgewohnheiten

Für die Nacht stellte ich im Ferienhaus für meine Tiere strenge Regeln auf. Meinem Knödelchen machte ich als Erstes klar: Die Schlafecke hinter der Portiere bliebe ausschließlich uns Zweibeinern vorbehalten. Vierbeiner hätten dort absolut nichts verloren. Daraufhin beratschlagten meine Tiere, wie sich dieses Verbot eventuell umgehen ließe. Vor allem Fee war schwer beleidigt. Denn zu Hause schlief sie ja auch jede Nacht auf meinem Bett. Wieso dann hier nicht?

Absolut nicht mit dieser meiner Vorschrift einverstanden, entschied sie, dass es trotzdem auf jeden Fall einen Versuch wert wäre, gegen diese Vorschrift zu protestieren. Also hopste sie auf ein als zusätzliche Sperre quer ans Fußende des Bettes gestelltes Sofa und sprang mit einem besonders knuffig-lieben Blick in meine Richtung auf unsere Schlafstätte.

Pech, Otmar kam hinzu, sah und siegte! Fee war einfach an meinem Bauch zusammen gekringelt liegen geblieben. Sie dachte nicht im Traum daran, auf den kleinen Triumph, uns ausgetrickst zu haben, zu verzichten und ihn nicht wenigstens noch für ein paar Minuten auszukosten. Doch nicht nur wir Menschen können uns irren, sondern auch Hunde. Fee nämlich sah sich am Nackenfell gepackt und mit sanfter Gewalt, aber dennoch ohne Verbleibchance vom Bett verbannt. Ein wenig Schimpfe gab es obendrein plus der Aufforderung, sich gefälligst schleunigst zu Mato auf die große Decke zu verkrümeln. Na, der Versuch war ja wohl schiefgegangen!

Aber Hunde mit den Namen Mato, Quinny, Fee gaben nicht so schnell auf. Am nächsten Morgen übernahm Mato das Kommando bei einem ähnlich gearteten Manöver. Ihrer Meinung nach hatte Otmar ihnen gar nichts vorzuschreiben. Schließlich war nicht er ihr Frauchen, sondern ich. Und mich konnte er bestimmt irgendwie erweichen. Das hatten ihn seine gesammelten Erfahrungen aus unserer gemeinsamen Vergangenheit gelehrt.

Also standen meine drei Racker pünktlich um halb acht vor dem Sofa. Als ich mich rührte, juchzte Mato laut vor Freude. Quinny guckte selig mit großen Kulleraugen und Fee spielte Eule (Kopfschieflegen bis zu 130 Grad war ihre Spezialität). Dann erinnerte sich Mato seines Planes. So rasch, wie er die Lücke zwischen Sofa und Bett nutzte, um durch zu flutschen, konnten wir, seine geliebten Zweibeiner, gar nicht reagieren. Wir guckten nur völlig verdutzt aus der Wäsche.
“Häh? Ähem!”

Ob seines pfiffigen Einfalls stand mein Hund eine Sekunde lang stolz vor meinem Bett. Dann zog er es vorsichtshalber vor, drunter zu kriechen. Seiner Meinung nach sah man dann nichts mehr von ihm. Wir würden gar nicht registrieren, dass da ein gewisses Wollknäuel Platz genommen hatte, das der Ordnung und des lieben Knigges wegen da eigentlich nichts zu suchen hatte. Mato war aber eine sehr große Ausgabe Hund, so dass sein Schwanz seitlich des Bettes in seiner ganzen Pracht gut sichtbar hervor lugte.

Es war einfach zu drollig. Empörtes Schimpfen war nicht drin! Stattdessen:
“Hallo, Matochen!”
Sofort wedelte dieser Schwanz heftig hin und her. Denn ich schenkte ihm und nicht dem Otmar meine Aufmerksamkeit, ätsch!

Da mir klar war, dass Mato diese Aktion auch aus leichter Eifersucht heraus gestartet hatte, redete ich betont zärtlich mit ihm. Mein Hund sollte annehmen, dass er das für mich wichtigere männliche Wesen war. Sonst hätte es nämlich vielleicht auch ´mal brenzlig werden können. Wegen meines zärtlichen Tones ihm gegenüber wackelte sein Schwanz wie verrückt ohne Unterlass durch die Luft. Es war eine einzige Liebeserklärung auf vier Beinen. Er  triumphierte eben Otmar gegenüber und freute sich ohne Ende.

“Süß?” fragte ich selig meinen Freund.
Das war völlig überflüssig. Der guckte den Propeller da unterm Bett genauso verklärt an wie ich. Aha: Ich hatte zweifelsohne in meinem von Mato zur Verfügung gestelltem Pantöffelchen Gesellschaft bekommen. Dieser Hund wusste eben, wie...!

Fee und Quinny standen weiterhin unschlüssig vor dem Sofa. Ganz offensichtlich trauten sie sich nicht, es Mato nachzutun, denn es war ja geschimpft worden! Außerdem wäre es für drei so große Vierbeiner unterm Bett so gemütlich geworden wie in einer Sardinenbüchse. Diese letzte Überlegung stammte allerdings von mir. Meine Vierbeiner verwarfen natürlich der Schelte wegen ihren ach so schönen Plan!


Wanderung

Da wir nicht vorhatten, den lieben langen Tag im Bett zu verbringen, fischte ich meinen Hund unter demselben hervor. Das fand Mato gar nicht so toll:
“Nur, wenn du auch aufstehst!” gab er mir zu verstehen.
Ich gehorchte aufs Wort. Da wir uns eine besonders lange Tour mit den Vierbeinern vorgenommen hatten, war es so und so anzuraten, möglichst früh aufzubrechen. Tags zuvor hatte es wie aus Eimern geschüttet. Also trügen wir auf unserer Waldtour tunlichst Regenstiefel.

Nur ein paar Meter vom Haus entfernt führten die Wege in das weit ausgedehnte Waldgebiet. Die Vierbeiner schnupperten selig die klare und mordsmäßig interessante Waldluft. Hach, wie herrlich! Herrlich war auch das Temperament, das Quinny zeigte. Knutschiboy wollte anscheinend unbedingt seine tolle Kondition beweisen.

Es ging bergan. Der Weg verwandelte sich immer mehr in eine tiefe Schlammspur, durch die mein kleiner Hund putzmunter Stunde um Stunde stapfte, ohne auch nur die geringsten Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Ja, stapfte, denn der Dreck stand für seine doch kürzeren Beine fast knietief. Ihm egal!

Mato genoss ebenfalls diesen Spaziergang. Aber, wir waren im Wald. Wo blieben denn “seine” Häschen? Wäre ein solches Hoppelwesen da aufgetaucht, hätte mein vierbeiniger Freund dem Otmar voller Begeisterung bewiesen, was ein Hund ohne Jagdtrieb so zustande brachte.

Wie angekündigt, erwärmte es sich rasch an diesem Tag. Wir Fünf, zwei zwei- und drei vierbeinige Wesen, gerieten sehr bald ins Schwitzen. Der Spaziergang wurde bei der zunehmenden Hitze zusehends strapaziöser. Mato war nicht der Typ Hochleistungssportler. Ihm machte die anhaltende Kraxelei sichtlich zu schaffen. Fee bemühte sich angestrengt, nicht durch Schlappmachen dem Image Schäferhund zu schaden. Nur Quinnylein behielt sein enormes Renntempo selbst nach Stunden noch bei.

Mato schien sich zu fragen, ob sein kleiner Untertan wohlmöglich gar kein normaler Hund war. Auch ich dachte:
“Wie kann er nur nach vier Stunden Wanderung ohne Pause bei der Hitze noch immer in solch einem Tempo flitzen?”
Ich kam zu dem Ergebnis:
“Der ist ´ne Mischung aus Düsenjet plus Wüstenrennmaus mit ´nem bisschen Alarmanlage dran!”

So wie ich das einschätzte, hätte mein ältester Wauwau mir da sofort zugestimmt. Mato keuchte vor sich hin, betrachtete kritisch seinen kleinen Freund Quinny. Sein Blick sprach Bände:
“Uff! Wird der eigentlich nie müde? Puh, ich kann bald nicht mehr. Quinny nennt garantiert einen eineiigen Zwillingsbruder sein Eigen, der ihn etappenweise auf dieser Marathontour vertritt.“
Und, dann total deprimiert:
„Hilfe, der hat ja eine Kondition, ausreichend für vier weitere Artgenossen!”

Beim Anblick seines kleinen dahin rasenden Freundes hätte der Gedanke an einen möglichen Quinny-Zwillingsbruder Matos angeknackstes Selbstbewusstsein etwas heben können. Doch noch blieben solch komplizierteren Überlegungen uns Menschen vorbehalten. Armer Mato. Er tat mir richtig leid! Mein Hund schleppte sich sichtlich mit letzter Kraft dahin. Trotzdem, er als Rudelführer hatte sich am Riemen zu reißen und konnte unmöglich eher aufgeben als sein kreger Quinny.

Die letzten hundert Meter zum Haus liefen vier Wesen wie in Trance. Das fünfte war nicht kaputt zu kriegen und raste weiterhin in einem Affentempo voran. Zu den vier ausrangierten Spaziergängern zählten natürlich auch Otmar und ich. Beruhigt sah ich, dass meine Beine noch an derselben Stelle saßen. Ich fühlte sie nämlich nicht mehr. So groggy!

Fee schien ein Stoßgebet gen Himmel zu schicken:
“Lieber Gott, du liebst auch uns Tiere. Bitte, lass uns gleich da sein!”
Mato übte sich offensichtlich in Selbsthypnose:
“Du machst nicht schlapp, die müssen dich nicht tragen, du bist noch ganz frisch...!”

So erreichte er, eine Pfote vor die andere schiebend, endlich die Haustür. Ich glaube, selten nur waren Lebewesen dermaßen glücklich beim Anblick eines solchen Bauelementes. Kaum drinnen, rasten meine Hunde zum Wassernapf und leerten ihn binnen Sekunden.

Danach hörten wir einen beachtenswert lauten Plumps. Mato knallte sich einfach auf den Teppich und entschwand ins Traumland des Südens. Fee sah das, entschied, dass das eine überaus kluge und zudem die einzige noch im Rahmen des Möglichen umsetzbare Idee wäre und legte sich aufseufzend zur Ruhe. Flugs war sie eingeschlafen. Damit waren zwei meiner Tiere bestens aufgehoben. Aber da war ja noch das dritte Adoptivkind...!

Das war leider aus einem ganz anderen Holz geschnitzt und wunderte sich sichtlich, was seine beiden Kameraden denn eigentlich wohl hatten. Es war ja nicht zu fassen! Die würde er wieder auf Vordermann bringen! Kritisch betrachtete er erst Mato und dann seine Freundin. Hm, das wäre wohl doch aussichtslos. Die waren ja total hinüber! Aber, da saßen doch noch Otmar und ich - mal gucken! Natürlich hatte er registriert, dass wenigstens wir noch nicht eingeschlafen waren.

Quinny hatte sich ganz offensichtlich vorgenommen, das auch tunlichst zu verhindern. Fix holte er sein Lieblingsspielzeug, schmalzte mich aus großen Bettelaugen an.
“Quinnylein – soll das jetzt ein Witz sein? Nee, Frauchen ist k.o.!”
Und da der auf meine Absage hin drollig flehend zu Otmar geschielt hatte:
“Der übrigens auch!”

Quinnys bis dato fröhlicher Augenausdruck machte einem todtraurigen Dackelblick Platz, mit dem er aber bei uns auch nichts mehr ausrichtete. Wir Zweibeiner waren ebenfalls fertig mit der Welt! Quinny sah das endlich ein, legte sich seufzend hin und entschloss sich zu einem Höflichkeitsnickerchen. Wenn der geahnt hätte, wie dankbar ich ihm dafür war! Auch wir streckten unsere Beine aus und verdösten den restlichen Nachmittag.


Von Kühen und Bullen

Wohnt man wie ich am Stadtrand, hat man die Chance, Kühe sogar nicht nur als Rindersteaks, sondern in lebendigem Zustand zu erleben. Der Bauer in Hellerhof hielt mehrere von ihnen. Sie gehörten noch zu denen, die eine schöne große, sogar mit Bäumen bewachsene Weide ihr Eigen nannten. Dort grasten sie friedlich und unterzogen vorbeigehende Spaziergänger neugierig einer optischen Prüfung. Meistens bestanden wir Zweibeiner den Test mit einer annehmbaren Note. Wir wurden als freundliche Wesen angesehen. In Hellerhof hatten die Kühe noch eine solch hohe Meinung von uns Menschen! 

Doch auch anderswo kennt man diese Tierart, so auch im Westerwald. Allerdings hielten da die Bauern wohl nicht soviel von den Weibern auf vier Beinen, sondern hatten sich auf deren männliche Artgenossen spezialisiert, die Bullen. Das bot sich auch an. In dieser waldreichen Gegend gab es viele einsam gelegenen Weiden, auf denen sich diese Tierchen dann durch den lieben Tag hindurch langweilten. Nicht nur in der Tierwelt sind Männer manchmal gefährlicher als Frauen. (Nein, in der Menschenwelt ist Ähnliches zu beobachten!). Also, die Mehrheit der Menschen ist von der Gefährlichkeit der männlichen Rindviecher überzeugt. Auch ich hing mit mulmigem Gefühl dieser Auffassung der Allgemeinheit an. Waren diese Tiere gereizt, wurden sie sehr aggressiv.

Diese Bullen waren ausgesprochene Machos, von sich sehr überzeugt und mit hochmütigem Blick für alle anderen Lebewesen. Bald sollte ich ein Machotreffen sehr ungleicher Art miterleben. Eine Frau wie ich erwischte immer Machos.

Mein süßer Mato war der beste Beweis dafür. Er gab sich allerdings nicht damit zufrieden, als “normaler” Macho durch die Welt zu laufen, sondern bevorzugte die interessantere Kombination “Machopascha”. Zum Glück einer der extrem sanften Sorte! Was resultiert eigentlich aus der Begegnung zweier Machos? Diesbezüglich gibt es nur die eine richtige Schlussfolgerung. Voller Selbstwertüberschätzung blähen sie sich voreinander auf wie Pfaue. Der echte Macho gibt vor, diese Charakterisierung noch nicht einmal zu kennen. Genau dadurch ist er als der Macho der Güteklasse Eins zu entlarven! (Klassifizierung wie bei Eiern!).

Das war eine ziemlich lange, umständliche Vorrede zu folgendem kleinen Abenteuer!
Wieder einmal wanderten wir mit den Tieren durch Berg und Tal. Um uns herum herrschte inzwischen Stille und Einsamkeit. Nur vereinzelt hörten wir entfernt Vögel zwitschern. Ansonsten rührte sich außer unserer eigenen fünfköpfigen Mannschaft überhaupt nichts. Das waren die bestgeeigneten Gebiete für die sogenannten Bullenweiden. Schön abgelegen, damit der menschliche Bestand bei aufkeimender Aggression dieser Tiere nicht zu gravierend dezimiert wurde.

Nichtsahnend zogen wir fröhlich unseres Weges. Zu unbefangen, wie wir dann sehr rasch einsehen mussten. Nach einer Linkskurve verbreiterte sich unser Pfad stark bis hin zu einer weiten Lichtung. Im nächsten Augenblick nahmen wir  einen quer über die Wiese gespannten, dünnen Draht wahr, der eine große Weide einzäunte. Der Draht war aber  in nur höchstens fünfzig Zentimetern Höhe angebracht.

Prompt fing mein Magen schon vorsichtshalber an zu rumoren. Denn hinter diesem entzückendem Draht standen vier noch viel entzückendere riesige Bullen, die uns auffallend aufmerksam beäugten. Die waren mit Sicherheit etwas sauer, in ihrer Idylle gestört zu werden. Wir beiden Menschen waren ja noch klug genug, uns möglichst still zu verhalten. Diese Tiere wollten wir lieber nicht aufregen. Doch ich hatte meine vierbeinigen Freunde bei mir, nicht ganz so klug und nicht ganz so vorausschauend denkend wie wir. 

Mato hielt bei deren Anblick nicht etwa schüchtern seine Klappe, sondern bellte empört los. Garantiert aus Angst, aber das ließ man als richtiger Macho ja tunlichst nicht durchblicken. Gottlob stand er nicht mutterseelenallein diesen Winzlingen gegenüber, sondern wusste seine Leittiere und auch noch seine vierbeinigen Kumpane um sich. Also meckerte er munter vor sich hin, eifrigst von Fee und Quinny unterstützt. In der Erinnerung an dieses Abenteuer denke ich, Quinny machte sich in diesen Minuten eher vor Panik in das nicht vorhandene Höschen, aber markierte selbstverständlich den tapferen Mann auf vier Beinen.

Auch Fee beteiligte sich emsig an der Bellorgie: Sie war Schäferhündin und hatte uns in dieser brenzligen Lage zu beschützen. Egal, wie es ihr dabei zumute war. Die Drei machten einen Höllenlärm, der nicht gerade zur Beruhigung ihrer Zweibeiner und erst recht nicht zur Besänftigung der mittlerweile arg nervösen Bullen führte. Das jedes sensibel veranlagte Lebewesen auf die Palme treibende Gebell ging auch den Bullen mächtig auf den Keks. Stellen Sie sich das Orchester aus der Alarmanlage Quinny, dem wild gewordenem Handfeger Fee und deren wutschnaubendem Rudelführer Mato vor. Oder ersparen Sie sich das besser, denn ich kenne die Belastbarkeit Ihres Nervenkostüms ja nicht. Das der Bullen übrigens ebenfalls nicht! Doch allzu gute Nerven behielten die garantiert nicht mehr allzu lange.

Energisch herrschte ich Mato und Kumpanen an:
“Um Himmelswillen, haltet endlich die Schnauze! Was glaubt ihr, wenn die in Rage geraten. Dann sehen wir hier aber alt aus. Still, verdammt noch ´mal!”
Das Brüllen hätte ich mir genauso gut sparen können. Mato war außer sich. Der ließ sich in jener Situation nicht mehr beeinflussen, zumal er meine wachsende Angst mehr als deutlich spürte. Selbstverständlich würde doch ausgerechnet mein vierbeiniger Bodygard sich da nicht beruhigen lassen!

Nicht nur ich empfand Panik. Otmars Nasenspitze sah farblich irgendwie verändert aus, nämlich eher weißlich. Trotzdem versuchte er noch, mir meine Angst auszureden – vergeblich. Eines der Tiere hinter dem Zaun, wahrscheinlich der Oberbulle, geriet wegen der unverschämten Anmacherei durch Mato arg in Wut, besonders sauer, da das auch noch in seinem eigenen Revier passierte.

Dieses in seinem Zorn ach so sympathische Kerlchen hatte sich anscheinend zum Rachefeldzug entschlossen. Er scharrte mit den Hufen, senkte den mächtigen Kopf und brachte seine Freunde, die auch Bullen hießen, dadurch ebenfalls auf Trab. Wir hatten hilflos zuzusehen, wie die lieben Tiere langsam, aber sicher sich stetig dem Grenzdraht näherten.

“Ach, du Scheiße!”
Zu unserer Sicherheit sollten wir schleunigst den Rückzug antreten. So, wie die aussahen, brächten sie es mit Leichtigkeit, ihr Zäunchen zu überspringen. Und dann viel Spaß! Meine Vierbeiner führten sich auf wie die Irren. Mato legte sich in seine Leine und gebärdete sich so, als ob er tatsächlich der Meinung wäre, gegen diese Fleischkolosse etwas ausrichten zu können. Hätte ich ihn nicht krampfhaft festgehalten, wäre Knödelchen in seiner Wut so dämlich gewesen, über den Zaun zu hechten und einen der Bullen ins Bein zu beißen. Dann hätte er sich aber sehr gewundert. Diese Tiere besaßen unheimliche Kräfte. Bei Gefahr trampelten sie sehr gerne alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Mato wäre dann auf deren Weide als Pfannkuchen geendet.

Damit mein Hund nicht uns allen durch sein wahnsinniges Benehmen zu einem solchen Outfit verhalf, kamen Otmar und ich überein, schnellstens mit unseren Wüterichen das Weite zu suchen. Mittlerweile war auch er in Panik geraten, denn die Bullen hatten eine schnellere Gangart angeschlagen. Vor unserem geistigen Auge sahen wir sie schon über den Zaun hopsen. Deshalb rafften wir die Hundeleinen noch kürzer als ohnehin schon und rannten in Richtung des sichereren Waldes um unser Leben, ohne uns nochmals zu den Ungetümen umzudrehen.

Wir bildeten uns doch wahrlich ein, sie kämen hinterher. Erst, als wir am Waldesrand eine Sekunde verschnauften, warf ich einen ängstlichen Blick zurück und konnte erleichtert feststellen, dass sie vor ihrem wahrscheinlich elektrisch geladenem Draht offensichtlich Respekt hatten. Sie standen zwar dicht davor, hatten aber zu unserem Glück das Drüberspringen nicht gewagt!

Nun in Sicherheit, galt es dann, die aufgebrachten Hunde zu beruhigen. Mato als echter Macho wollte verständlicherweise nicht so schnell zugeben, dass er bei dieser Auseinandersetzung den Kürzeren gezogen hatte. Also schickte er aus sicherer Entfernung dem Leitbullen noch ein wütendes “Wau” rüber. So, wie das sich anhörte, hieß das:
“Scheißkerl!”
Von drüben kam ein besonders liebevolles Gebrumm. Das bedeutete:
“Dreckskerl!”

Nach diesem überaus freundlichen Abschied voneinander wurde Mato endlich friedlich. Das wirkte sich sofort positiv auf Fee und Quinny aus, die wahrscheinlich heilsfroh waren, mit dem Leben davongekommen zu sein.

Nie während unseres Urlaubs kehrten wir so froh wie an diesem Tage in unser Ferienhaus zurück. Besser, wir mieden in Zukunft mit den Vierbeinern dermaßen einsame Bergpfade! Es reichte uns!


Hühnerhof

Mato liebte Federvieh, vor allem Fasane. Leider waren die nicht überall zu finden. So gab er sich notgedrungen mit Hühnern zufrieden. Die hatten ja auch Federn. In seiner Nase avancierten sie dann zu “Ersatzfasanen”.

Wir planten die Heimfahrt. Zwei Hunde und auch die Koffer waren schon im Auto untergebracht. Nur Mato fehlte noch. Beim Abschiednehmen vom Westerwald lauschten wir Zweibeiner und erst recht interessiert die Vierbeiner dem lauten Gegacker von einer in der Nähe gelegenen Hühnerwiese. Zwischenzeitlich war auch Gänsegeschnatter auszumachen. Das weckte Matos Neugierde. Zu blöd, dass es gerade jetzt gen Heimat gehen sollte. Mein Hund sträubte sich, ins Auto zu springen. Das Gekrächze klang viel zu anregend. Nein, er wollte noch nicht, nicht bei diesen lockenden Vogellauten!

Anstatt sich brav in den Wagen zu setzen, ruckte er rückwärts, streifte sich dabei erfolgreich das Halsband ab und düste fröhlichst zum Hühnerhof. Entsetzt sah ich auf die leere Leine in meiner Hand. Was sollte ich denn bloß machen? Dummerweise kannte ich den Weg zum Federvieh nur so ungefähr. Den Gedanken, Mato könnte vielleicht nach dem Besuch dort hier in der Fremde endgültig davonlaufen, verdrängte ich schnell. Er kannte sich hier natürlich überhaupt nicht aus, und ich hätte Knödelchen nie wiedergesehen.

Zum Glück vom Hundefraucheninstinkt sicher geleitet, spurtete ich in der richtigen Richtung zum Federvieh. Erleichtert ertappte ich dort meinen Hund, wie er sich gerade etwas näher mit diesen Tierchen beschäftigte. Ich rief den Schlingel zu mir, der doch tatsächlich sofort mit Unschuldsmiene auf mich zukam. Sogar gegen “Anleinen” wandte er, wie komisch(!), nichts ein.

Da ein solcher Gehorsam untypisch für meinen Liebling war, dachte ich mir im Stillen: “Hat der etwa Bekanntschaft mit einem der überaus zärtlich zu pickenden Schnäbelchen gemacht?”
Es war eigentlich völlig egal, Hauptsache, ich hatte ihn zurück! Brav hopste Mato dann ins Auto und wir starteten. Ein paar Minuten brauchte ich aber doch noch, um mich von dem Schrecken zu erholen. Es war ja noch einmal gut ausgegangen.

Zuhause begrüßten die Hunde als Erstes mit ohrenbetäubendem Lärm ihre Ersatzgeschwister. Fee brachte meine Tochter Tina fast um vor Freude. Endlich, endlich hatte sie ihre so lang entbehrte Freundin wieder! Zufrieden fanden die Drei ihre Körbchen noch am alten Platz, kringelten sich jeder in seinem eigenen Bett zusammen und schliefen dem gewohnten Alltag entgegen.


Wettergespenster

Gespenster zu sehen, war wohl mehr der menschlichen Phantasie vorbehalten. Vierbeiner brauchten sich damit nicht auch noch herum zu plagen. Schließlich bot solch ein Hundeleben schon genug Probleme!

Bevor ich Mato mein Eigen nannte, dachte ich so. Doch, wie ich erfahren sollte, war er in der Hinsicht die absolute Ausnahme auf vier Beinen. Zwar erschien ihm nicht das Gespenst von Canterville, aber - Geister pflegen in unterschiedlichster Gestalt aufzutreten. Bekanntlich waren die keinesfalls an eine bestimmte Erscheinungsform gebunden. Genau das machte ihnen ihr Jahrhunderte- bzw. Jahrtausende langes Spuken wahrscheinlich erträglich. Denn sie konnten sich immer wieder anders den zu Tode erschrockenen Menschen präsentieren.

Dafür hatten sie aber in Kauf zu nehmen, nur des Nachts von Mitternacht bis ein Uhr ihr Unwesen treiben zu dürfen. Im Gegensatz zu so manchem menschlichen Nachwuchs, der mit Vorliebe gerne die halbe Nacht das Haus und, besonders einfühlsam, das Elternschlafzimmer unsicher machte. Zum Leidwesen von Papa und Mama verschwanden dann die lieben Kinderchen häufig längst nicht so schnell wieder im eigenen Bett wie die besagten Geister in ihrem Gespensterverlies.


Regenfritze

Nein, Hund machte die Bekanntschaft ganz anders gearteter Gespenster, die ihm aber mindestens ebensoviel Angst einjagten. Eines davon sorgte dafür, dass er nach jedem “Rendevous” patschnass nach Hause kam. Deshalb taufte ich es “Regenfritze”. Die Beiden verabredeten sich meistens bei verhangenem Himmel mit schweren dunklen Wolken oder auch ansonsten sehr ungemütlichem Wetter. Sein nasser, von ihm gänzlich ungeliebter Freund tauchte dann urplötzlich auf, begrüßte ihn je nach Wolkenausprägung tröpfelnd oder platschend aufs Herzlichste.

Matos Reaktion nach zu urteilen, teilte er dessen übergroße Freude überhaupt nicht. Das war ja wohl eine Unverschämtheit, ohne seine Erlaubnis einfach auf ihn nieder zu regnen und sein armes Fell total zu durchnässen!

Mein derart schrecklich gequälter Hund hatte doch danach tatsächlich zitternd vor Kälte eine Zeitlang durch die Gegend zu laufen, bevor er endlich in seinem warmen Zuhause ankam. Mato schaffte es jedoch nicht, mich dahingehend zu beeinflussen, ihm bei der Vermeidung eines solchen Treffens zu helfen. Dabei wäre das so einfach für mich gewesen. Bei solch ungemütlichem Wetter hätte ich nur den Spaziergang mit meiner kleinen Mimose ausfallen lassen zu brauchen.

Doch ich gemeines Frauchen spazierte trotz Sauwetters mit meinem Hund einigermaßen gutgelaunt durch die Pfützen. Konnte ich auch, denn mich schützten Regenstiefel. Gut jedoch, dass ich Matos Mimik weitgehendst ignorierte: Trotz seines biestigen Augenausdrucks wäre ich allerdings keinesfalls in einem dieser verrückten Geschäfte gelandet, in denen es angefangen von Trainingsanzügen bis hin zum Frack für Hunde alles gab, was das Herz von allerdings meiner Meinung nach total schwachsinnigen Leuten höher schlagen ließ, Um dort dann wohlmöglich aus schlechtem Gewissen meinem Liebling gegenüber Hunderegenstiefel zu erstehen!

Mato hätte mir auch garantiert deswegen kein Lob erteilt, sondern mich am liebsten beim Anblick dieser Dinger direkt ins nächste Irrenhaus verfrachten lassen. Hatte ich denn kein Gefühl dafür, dass dieser Mist die reinste Tierquälerei bedeutete?

Auf dermaßen abartige Ideen kam ich zu seinem Glück einfach nicht. Ich war kein entsprechend durchgedrehtes Frauchen. Zum Glück für meine Vierbeiner. So lieb ich sie hatte, aber sie blieben trotzdem Hunde. Trafen mein schwer beleidigter Hund und ich nach einem “nassen” Spaziergang wieder daheim ein, vertrieb ich verantwortungsbewusst die Reste von “Regenfritze”. Tina flitzte ins Badezimmer, holte ein großes Badetuch. Mit dem wurde Pascha minutenlang abgerubbelt, bis auch wirklich jedes einzelne Haar trocken war. Danach war endlich dieser lästige nasse “Freund” futsch. Und Matos Laune stieg.

Quinny war Regen piepsegal Hautsache, draußen rennen! Fee war ausgesprochen begeistert vom Regen. Sie liebte Wasser über alles. Mein Hundemädchen juchzte vor Freude in den höchsten Tönen los, sah sie an manchen Tagen, dass Hellerhof zu einem beinahe schwimmenden Stadtteil geworden war. Dann hielt sie nichts mehr im Haus.


Schneeflöckchen

“Regenfritze” und “Schneeflöckchen” waren enge Verwandte. Das stellte Mato eines Tages entsetzt fest. Es war klirrend kalt geworden. Man sah den Atem vor Augen. Der Himmel war grau in grau und verhieß nichts Gutes. Der Kälte wegen gäbe es keinen Regen, sondern Schnee. Für Mato, dem damals sehr jungen Hund, war Schnee noch etwas Unbekanntes. Na, wie reagierte er wohl auf diese Überraschung?

Mein Gefühl trog mich nicht. Gegen Mittag roch ich förmlich die Schneeluft. Kurz darauf segelten die ersten feinen Flocken zur Erde. Vereinzelt, sozusagen noch relativ schüchtern. Doch bald bildeten sie eine Armee gleich gearteter weißer Bällchen, wurden kesser, blieben also selbstbewusst liegen, anstatt wie vorher verlegen wieder dahin zu schmelzen.

Mato stand verdattert vor der Fensterscheibe und starrte ungläubig nach draußen. Er fragte sich bestimmt:
“Was ist das denn? So viele neue Bällchen falllen da vom Himmel. Und alle weiß? Hoffentlich erwartet Frauchen nicht nachher von mir, dass er die alle der Ordnung im Garten wegen wieder einsammelte!?”

Hund stand da und staunte:
“Der Bällchensegen findet kein Ende! Komisch, die liegen auf dem Boden sogleich ganz still da und kullern gar nicht umher, wie es sich eigentlich für anständige Bälle gehört!”
Garantiert kontrollierte mein Hund nachher während eines Kurzbesuches in seinem Garten, was mit denen los war. So verdattert, wie Mato guckte, amüsierte ich mich königlich über diesen verunsicherten Vierbeiner. Wie der sich wohl nachher im Garten aufführte...?

Nachmittags war es dann soweit: Mato und Kumpanen sollten die weiße Pracht, die mittlerweile alles in eine Märchenlandschaft verwandelt hatte, im Garten ausgiebigst genießen dürfen. Fee und Quinny stürmten nach einer Minute des Zögerns außer Rand und Band in das kalte weiße Zeug, fanden das klasse und freuten sich dann wie toll. Quinny vollführte mehrmals Rollen links- sowie auch rechts herum und tobte mit Fee im köstlichen Matsch. Meine beiden Wildfänge erfanden lustige Spiele. Wer fing mehr von den selbst hoch gewirbelten weißen Flöckchen rechtzeitig wieder auf, bevor diese auf den Boden zurückfallen konnten?

Da war ganz eindeutig Quinny der viel geschicktere Hund. Nach jedem geglücktem Versuch steigerte sich seine Begeisterung für dieses weiße Zeug. Schließlich ließ er sich in den Schnee plumpsen und fabrizierte strampelnd tolle Kapriolen. Fee spielte mit meinen Töchtern Schneeballfangen. Allerdings verstand sie nicht, wieso sich die kalten Bällchen beim Zuschnappen einfach auflösten. Mit Wonne ließ sie sich mit Schnee bewerfen. Beide Tiere hatten eine Mordsgaudi!

Wie verhielt sich aber mein ältester Wauwau? Im Garten war der jedenfalls nicht. Nein, dieser Fastpolarhund stand neben mir in der geöffneten Terrassentür und schaute fassungslos dem verrückten Treiben seiner vierbeinigen Freunde zu. Sichtlich zweifelte er an deren Verstand:
“Was ist denn mit denen so plötzlich los? Haben die etwa Frauchens Barfach einen heimlichen Besuch abgestattet?”
Fragend schaute er mich an.
“Matochen, das macht doch Spaß da draußen im Schnee! Geh du doch auch in den Garten. Sieh mal, wie Feechen und Quinnylein sich freuen!”

Mit diesen Worten versuchte ich Knödelchen den weißen Spaß schmackhaft zu machen. Umsonst! Er hegte große Zweifel und zog es vor, von der sicheren Türe aus nur zuzusehen. Als ich ihm aber noch weitere Minuten gut zugeredet hatte, startete er doch endlich einen zögerlichen Versuch. Vorsichtig setzte er seine eine Vorderpfote in das weiße Zeug, um sie aber blitzschnell höchst beleidigt wieder ins Warme zu ziehen. Das war ja nicht nur unmöglich kalt, sondern obendrein unverschämt nass! Seine arme Pfote tropfte ja richtig!

Mato ähnelte urplötzlich einer extra sauren Zitrone. Anscheinend wütend auf mich, denn schließlich hatte ich ihn zu dieser Miniaktion überredet. An diesem Nachmittag kriegte ich den mit Sicherheit nicht mehr nach draußen! Hund verzog sich ins Wohnzimmer unter den Couchtisch, um ja einem erneuten entsprechenden Vorschlag meinerseits zu entgehen. Seine Einstellung zu jener weißen Patsche stand felsenfest. Da wäre nichts mehr dran zu rütteln: Sollten sich seine beiden vierbeinigen Kameraden doch die Pfoten ”gerne” abfrieren, wenn sie das unbedingt wollten. So, wie ich Knödelchen kannte, übernähme der dafür mit Sicherheit keine Verantwortung!

Die Kaltfront hielt sich auch am nächsten Tag. Der Anblick der schneebedeckten Bäume und Blumen war Balsam für die Seele. Alles wirkte wie verzaubert. Nach den Erfahrungen des vorherigen Tages warteten Fee und Quinny ungeduldig darauf, in den Garten zu dürfen. Freudequietschend rasten die Zwei dann in den Schnee. Sie tobten mit einer fast noch größeren Begeisterung herum als am Vortage. Hach, war das schöön!

Auch meine Töchter waren selig. So tobten meine zweibeinigen- und zwei meiner vierbeinigen Kinder stundenlang in dem weißen Matsch. Nicki, Tina und Katja bauten einen Schneemann, dem sie als Nase eine Möhre verpassten. Fee setzte sich natürlich sofort davor und schien zu überlegen, ob sie nicht diese Leckerei klauen sollte. Aber beleidigte Ersatzschwestern fand sie nicht so toll. Die hätten dann bestimmt nicht länger mit ihr so schöne Schneespiele veranstaltet. Also verzichtete sie.

Wer damit rechnete, Mato spielte dabei zumindest im Garten Zuschauer: Von wegen! In diesen nassen Spaß kriegten ihn keine zehn Pferde. Erst nachdem er längere Zeit zugesehen hatte, mit welcher Freude seine vierbeinigen Kameraden mit meinen Kindern sich draußen vergnügten, schmolz sein Trotz etwas dahin.

Kaum zu fassen: Hund stolzierte doch tatsächlich, natürlich mit betont hochmütiger Miene, an seinen beiden Kameraden vorbei, setzte sich an einer bevorzugten Stelle in den Schnee und ließ sich voll schneien, bis er fast wie ein kleiner Eisbär aussah. Etwa eine halbe Stunde hockte er dort auf einem Fleck. Keiner sollte ihm nachsagen können, er hätte Scheu vor dem weißen Matsch gezeigt.


Gewitter

Schwüle Tage sind für Mensch und Tier gleichermaßen anstrengend. Mit lief der Schweiß. Meine Vierbeiner litten ebenfalls unter der hohen Luftfeuchtigkeit, zudem sie sich nur durch starkes Hecheln Erleichterung verschaffen konnten. In den Mittagsstunden lagen sie völlig apathisch auf den kühlenden Fliesen im Erdgeschoss. Überlegung: Schade, in meinem Kühlschrank war es zu eng!

„Spaziergang“ durfte ich höchstens noch Quinny vorschlagen. Dem war trotz der Hitze die damit verbundene Anstrengung völlig egal. Hauptsache, raus! Fee und vor allen Dingen Mato baten mich dagegen mit einem erbarmungswürdigen Blick um Gnade:
“Bitte nicht. Dreh` du allein deine Runde. Wir warten auch brav auf dich!”
Damit kamen sie aber bei mir nicht durch. Schließlich mussten die auch ´mal auf´ s Klo. Also setzte ich mich durch. Fee resignierte und lief brav mit. Doch für Mato war das der Beweis: Sein Frauchen war wahrscheinlich dem gefürchteten Sonnenstich bereits zum Opfer gefallen. Wie könnte ich sonst bei der schwülen Luft da draußen auf eine so abwegige Idee kommen?

Stöhnend erhob Herr Hund sich und ließ sich gottergeben sogar anleinen. Doch klar, was dann folgte. Er stand vor der Haustür, schnupperte kurz und machte alle Anstalten, bedient vom Schnüffelergebnis in Richtung des kühlen Hauses wieder umzukehren. Mir fiel es verdammt schwer, ihn trotz der Schwüle deswegen ordentlich anzuherrschen:
“Matochen! Verflixt noch mal! Für mich ist das bei der Hitze auch kein Vergnügen. Also, sei ein lieber Hund und mach mir das Ganze nicht noch schwerer. Komm endlich!”
Frustriert setzte er daraufhin brav Pfote vor Pfote. Doch seine Mimik war zum Schreien:
“Hund – wann kehren wir bloß wieder um? Ich verkrabbel mich im Keller! Ist ja die reinste Viecherei!!”
Sekundenlang schien er sogar an meiner Zuneigung zu zweifeln:
“Ein liebendes Frauchen schickt doch bei dieser Hitze nicht ihren Hund vor die Tür, oder ?”

Nach zehn Minuten reichte es ihm endgültig. Es wurde immer drückender. Die Luft war zum Schneiden, jeder Schritt eine Überwindung. Mato blieb mitten auf dem Wege stehen, streckte seine Schnute nach oben und zeigte mir durch seine ganze Haltung:
“Ich will nach Hause. Mich kriegst du keinen Schritt weiter in die falsche Richtung! Merkst du denn nicht, dass etwas Unangenehmes und Angsteinflößendes auf uns zukommt?”

Der tolle blaue Himmel war inzwischen alles andere als blau. Aus der Quellwolken hatten sich schwer hängende Regenwolken gebildet. Selbst die Vögel waren verstummt, ein sicheres Anzeichen dafür, dass da ein kräftiges Gewitter im Anzug war. Auch lag die dafür typische Stimmung in der Luft.

Mato ahnte die drohende Gefahr, dann höchstwahrscheinlich tropfnass zu werden. Und, wie Sie ja wissen, hasste er nichts mehr, als gegen seinen Willen und ohne sein Zutun mit Wasser in Berührung zu kommen. Schon gar nicht von oben und wie aus Eimern! Mato war ja bereits beleidigt, besaß Pfützenwasser die Frechheit, seine hochadligen Pfoten ohne seine ausdrückliche Zustimmung zu benetzen. Verstimmt versuchte er dann, diesen Wasserlachen seitlich auszuweichen und sein armes Bein vor einem solchen Überfall zu schützen. Klappte das nicht, war Herr Hund prombt schwer gekränkt!

Mein vierbeiniger Liebling drängte in den folgenden Minuten vehement auf Umkehr. Ich war einverstanden, denn der Himmel war stellenweise schon fast nachtschwarz. Das gäbe ein heftiges Unwetter. Während eines Gewitters hier draußen... ? Nein, lieber nicht! Vor Blitzen hatte ich einen gehörigen Respekt. Schließlich waren sämtliche Wege von Bäumen eingerahmt. Zu oft hatte es Leuten unter denen schon erwischt.

Die Haustür war gerade eben hinter uns ins Schloss gefallen, da krachte es. In letzter Minute waren wir gottlob noch rechtzeitig daheim eingetroffen. Ein Blitz jagte den anderen und ließ das Innere meines Hauses für Sekundenbruchteile gespenstisch hell werden. Jeden Blitz begleitete gewaltiges Donnergrollen.

Doch im sicheren Haus kümmerte es Mato herzlich wenig, ob draußen die Welt zu Bruch ginge. Seines Wissens nach dränge dieser riesige, brüllende Hund mit seinen aufblinkenden Augen da draußen ja nicht in sein Revier ein. So war es ihm gleichgültig, was dieses Ungetüm mit dem restlichen Hellerhof anstellte. Nur ihn und sein geliebtes Rudel hatte der gefälligst in Ruhe zu lassen. Da legte Hund allergrößten Wert drauf. Ansonsten konnte der wüten bis zum Gehtnichtmehr!

Während draußen das Unwetter tobte, legte Mato sich drinnen pflichtbewusst vor meine Zimmertür, um vor allem mich, aber auch Fee und seinen Quinny, diese beiden um die Wette zitternden Angsthasen, zu beschützen. Doch war er von der Schwüle total groggy. Da trotz des tosenden Gewitters da draußen die Ruhe selbst, stand er vor Erschöpfung das Bewachen nicht mehr lange durch und schlummerte trotz des unmenschlichen Lärms friedlich ein.

Amüsiert beobachtete ich das. So richtig verstand ich es ja nicht, dass ein Lebewesen bei diesem Getöse schlafen konnte. Ausgerechnet mein Hund brachte das fertig. Mato war wirklich ein ungewöhnlicher Kerl. Dieser Hund träumte friedlich. Das war für mich von beachtenswertem Vorteil. So musste ich mich nur noch um meine beiden Zitterespen Fee und Quinnilein bemühen. “Nur noch” war allerdings eine maßlose Untertreibung!

Quinny hopste in totaler Panik auf mein Bett und suchte Schutz bei mir. Er zitterte wirklich wie Espenlaub. Mit Engelszungen versuchte ich, meinen kleinen Smartie zu beruhigen. Er wirkte in seiner Hilflosigkeit besonders süß. Mir wurde ganz weich ums Herz. Sein eines Pfötchen hatte er mir auf meinen Unterarm gelegt, wie um sich noch zusätzlich festzuhalten. Ich streichelte und streichelte mir die Arme lahm. Doch die Panik war zu groß. Er bebte sich halbtot.

Da kam mir die Idee, ihm leise den Kaiserwalzer vorzusingen. Wie sehr hatte doch diese sanfte Melodie Mato immer fasziniert und in Stresssituationen auch beruhigt. Eventuell half das ja auch Fee und Quinny. Ich fing an zu trällern. Bis sich aber ein merkbarer Erfolg einstellte, durfte ich meine Stimmbänder eine ganze Zeitlang strapazieren. Doch die Mühe lohnte sich, Quinny entspannte sich. Sein aufgeregtes Hecheln ließ etwas nach. Nach Ende des Gewitters hopste er erleichtert vom Bett und verschwand auf seinen Lieblingsplatz unter diesem. Ich ahnte, was das heißen sollte:
“Frauchen, jetzt schalte fix den Fernseher an. Heute kommt: „Tiere suchen ein Zuhause!”
Quinny kannte mit Sicherheit mittlerweile alle Tiersendungen wie auch Tatorte auswendig.

Während so mancher Gewitter leistete mir auf meinem Bett ein enorm viel größeres Angstpaket Gesellschaft. Schäferhunde gelten ja als ausgesprochen mutige, tapfere Tiere, die selbst in Gefahrensituationen starke Nerven beweisen. Im Gedanken daran hätte ich fast Fees Abstammung bezweifelt. Dieser Winzling mit seinen 61 Zentimetern Schulterhöhe und 34 Kilogramm Gewicht landete nämlich beim ersten Donnerschlag mit einem resoluten Satz auf meinem Schoß:
“Frauchen, Hiiilfe, ich hab´ eine solche Angst!”

Ich, ihr Frauchen, versuchte dann an dem Koloss auf meinem Schoß vorbei durchs Fenster zu schielen, ob die Blitze tatsächlich so heftig waren, dass mein Fledermäuschen mich deshalb platt saß? Das hätte sie übrigens keine große Mühe gekostet. Platt war ich von Natur aus sowieso! Wenn 34 Kilogramm fleißig bibbern, wackelt der Untergrund gerne mit. So tat auch mein Bett. Es vibrierte regelrecht. Für mich bedeutete Fees Hilfeschrei: Schmusen, schmusen und nochmals knuddeln!

Als sich endlich die Welt draußen wieder beruhigt hatte, war ich dann diejenige, die völlig geschafft von dieser Streichelhöchstleistung erschöpft einschlief. Gottlob wurde es trotzdem noch eine erholsame Restnacht für uns Vier. Meine Tiere schliefen tatsächlich durch bis zum nächsten Morgen um halb sieben Uhr. Dann jedoch kommandierten sie:
“Aufwachen, Frauchen!”


Silvester

Manchmal haben Menschen den für Vierbeiner unverständlichen Ehrgeiz, Naturgewalten imitieren zu wollen. Einmal im Jahr schnappten wir Zweibeiner in dieser Hinsicht echt über. Anscheinend reichten uns die grauenhaften Gewitter nicht, die wir doch von Jahr zu Jahr in unterschiedlichsten Versionen genießen durften. Tja, Vierbeiner haben kein Verständnis für den von herausragenden Zweibeinern eingeführten Kalender. Wir dummen Menschen ließen uns nach Kräften von diesem blöden Ding dirigieren.

Doch gestanden uns unsere Tiere diesbezüglich mildernde Umstände zu. Denn an manchen Tagen, hatten ihre Besitzer auf diese Blätter geschaut, machte sich urplötzlich eine auffallend fröhliche Stimmung breit Vor allem während der warmen Jahreszeit konnten meine Hunde dieses Phänomen beobachten. Ganz extrem zeigte sich das beim menschlichen Nachwuchs, wenn das Wort “Ferien” fiel.

Mato schätzte Ferien sehr. Denn dann blieb wenigstens ein Teil seiner Ersatzschwestern auch morgens daheim. Sonst verließen die ja immer extrem früh das Haus, um zu dieser komischen „Schule” zu gehen. Kamen sie mittags zurück, hatten sie meistens schlechte Laune, massenhaft Hausaufgaben und keine Zeit für ihn. Für Hunde jedoch bedeutete es das größte Glück, wenn die menschlichen Rudelmitglieder sich ausgiebigst mit ihnen beschäftigten.

Doch wie sollten Lärm verabscheuende Hunde verstehen, dass ihre Zweibeiner zu “Silvester” geradezu ausflippten. Mato hatte nun schon dreizehn Male dieses Theater ertragen. So sehr positiv davon beeindruckt war er aber nie gewesen. Mitten in der Nacht riss meinen Hund die Knallerei aus den schönsten Träumen. Nicht nur für die Dauer eines Gewitters, sondern gleich für mehrere Stunden. Was sollte denn bloß diese alberne Störung?

Und dass ich dann auch noch bereit war, aufzustehen, obwohl doch Schlafenszeit war, konnte ich meinem Vierbeiner natürlich nicht erklären. Er mochte dazu denken:
“Wieso zieht sie sich denn vollständig an, ich muss doch gar nicht aufs Klo?”
Jedoch blieben diese unausgesprochenen, dafür umso deutlicher im Raume stehenden Fragen unbeantwortet. Doch gottlob musste ich mir zu Silvester des Lärms wegen um Mato keine Sorgen machen. Der war nur knatschig, weil seine Träume gestört wurden.

Dagegen aber benötigten Fee und Quinny umso mehr Beistand. Sie zitterten vor Angst, fast noch schlimmer als bei Unwettern. Nur für ein paar wenige Minuten verschwand ich deshalb nach unten, um mit meiner Familie mit dem obligatorischen Schluck Sekt auf das neue Jahr anzustoßen. Vorsichtshalber aber auch wirklich nur einen winzigen Schluck. Ich wurde sonst so komisch munter. Ostentativ marschierte ich nicht wegen des anschließenden Feuerwerkes mit vor die Haustür. Ich hatte vor den abzischenden Raketen viel zu sehr Manschetten. Zudem hielt ich das Ganze auch unabhängig von meiner eigenen Angst für viel zu gefährlich. Ich schaute mir die Farbenpracht lieber durchs sichere Fenster an. Nur ab und zu gesellte ich mich meinem Nachwuchs zuliebe für ein paar Minuten zu ihnen an die Türe. Doch die unmittelbare Nähe der Raketen war für meine Nerven nicht das Wahre.

Nach nur wenigen Minuten eilte ich zurück zu den Tieren, um dieselbe Pflichtübung zu absolvieren, die ich schon ausführlich (s. “Gewitter!”) beschrieben habe. Nur dauerte diese Übung in der Silvesternacht nicht nur wenige Minuten, sondern zog sich gerne über beinahe zwei Stunden hin. Erst dann verglühten nämlich die letzten Raketen am Himmel. Kehrte dann Stille ein, verwandelten sich meine Angsthäschen wieder in Hunde. Wir Vier überließen uns erneut unseren Träumen und schliefen bis zum nächsten Morgen ungestört durch.

Tags darauf ärgerte nicht nur ich mich beim frühen Spaziergang über den weit verteilten Dreck überall. Mato rümpfte empört die seine empfindliche Hundenase. Deswegen...und, weil er den Raketengestank schlichtweg unzumutbar fand. Welche Schweinereien hatten die menschlichen Vorgesetzten da auf allen geliebten Wegen hinterlassen ? So ein schrecklicher Mief!


Trauer auf vier Beinen

Inzwischen war Fee, mein jüngster Hund, bereits acht Jahre alt. Die Pfotenkrankheit hatte sich endgültig verabschiedet. Ich freute mich riesig für mein Tier. Endlich könnte sie ein normales Leben führen. Die Spaziergänge fielen wieder länger aus. Wir tobten wie die Wilden durch Pfützen. Das war eindeutig ihr Lieblingsspiel, eine regelrechte Sucht. Nach Spielende waren wir beide pitschnass und dreckig von unten bis oben. Fee konnte man nur noch mit zwei Fingerspitzen anfassen - ein einziges Schlammknäuel!

Doch ein paar Monate später, es ging bereits wieder auf die wärmere Jahreszeit zu, veränderte sich ihr Verhalten. Sie trabte auf unseren Spaziergängen auffallend ruhig neben mir her. Da sie im Haus immer noch wie eine Wilde tobte, schob ich ihr verändertes Verhalten auf ihr Alter. Ich gönnte ihr vermehrt Ruhepausen.

Ende April war dann Ende für meinen Seelenfrieden. Morgens nach dem Spaziergang hatte Fee meine Älteste oben in der Jugendetage begrüßen wollen, es aber nur mit größter Anstrengung geschafft, die Treppe zu steigen. Alarmiert führ ich mit ihr zum Tierarzt. Nach gründlicher Untersuchung die Diagnose:
„Leberkrebs plus schlimmer Leberentzündung!“

Ein Keulenschlag aus heiterem Himmel! Sie direkt zum Einschläfern in der Klinik zu lassen, brachte ich nicht übers Herz. Stattdessen nahm ich sie nach Absprache mit dem behandelnden Arzt wieder mit heim, damit wir alle uns in Ruhe auf ihren nahenden Tod einstellen konnten.

In dieser schlimmen Situation lernte ich meinen Mato von seiner sensibelsten Seite neu kennen. Einfach zu rührend, wie er versuchte, seine ganz offensichtlich leidende Freundin zu trösten. Der Hund, der sonst immer gerne ein wenig Distanz hielt, strich die ganze Zeit um sie herum, gab Nasenküsschen, schleckte sie sogar ab und bat mich mit flehenden Blicken: “Frauchen, du musst ihr doch helfen können!”

Aber da war ich machtlos. Leberkrebs war nicht heilbar. In diesem Krankheitsstadium wurde auch nicht mehr operiert. Quinny tat es seinem großen Freund nach und versuchte, Fee durch Ohrenknabbern zum Aufstehen zu bewegen. Im Nachhinein betone ich ausdrücklich: Menschen könnten vom Verhalten dieser treuen Gefährten so Einiges lernen! In diesen letzten Lebenstagen meines Hundemädchens erkannte ich meinen Mato nicht wieder. Er bot ein wunderbares Beispiel für Hilfsbereitschaft und Liebe auf vier Beinen!

Da Fee so sehr litt, wartete ich nicht bis zum Anfang der nachfolgenden Woche ab, wie mit dem Tierarzt besprochen, sondern ließ sie bereits am Samstag, dem 1.Mai 1999, einschläfern. Sie hatte einen guten Tod, liebevollst umsorgt und von der netten Ärztin in ihren letzten Lebensminuten noch mit vier Leckertütchen verwöhnt. Die schlang sie in alter Manier hastig hinunter. Auf ihrem Hundeteppich dicht an mich gedrängt liegend, schlief sie sanft ein. Das erleichterte mir den endgültigen Abschied sehr.

Wieder daheim, erlebte ich dann vierbeinige Verzweiflung in schlimmer Form. Hunde wie Mato sind auch in dieser Hinsicht extrem veranlagt. Mit Fee war ich gegangen, ohne sie zurückgekehrt. Er spürte meine Stimmung und rastete aus. Mein Gott, war mein Tier verzweifelt! Im letzten Moment konnte ich verhindern, dass er seinen Teddyplüschkorb zerfetzte. Anscheinend musste er sich abreagieren.

Quinny suchte Fee im ganzen Haus, konnte sie nicht finden. Er brach vor lauter Aufregung. In den zwei Wochen danach fütterte ich die beiden Rüden mit der Hund, weil sie vor Trauer sonst eingegangen wären. Sie rührten nämlich von selbst ihr Fressen nicht an. Nach dieser Zeit allerdings normalisierte sich ihr Verhalten relativ fix. Sie fingen wieder an zu spielen. Ihre alte Fröhlichkeit kehrte mehr und mehr zurück. Das tröstete mich. Endlich konnte ich die lustigen Erlebnisse mit ihnen wieder aus vollem Herzen genießen.


Neue Rangordnung

Durch Fees Tod verschob sich die Rangordnung. Quinny rutschte automatisch vom dritten auf den zweiten Platz. Zwar hätte er den normalerweise sowieso innehaben müssen, doch auf Grund ihrer Körpergröße war Fee ihm weit überlegen gewesen. Sie hatte ihm das deutlichst gezeigt, ihn von Zeit zu Zeit auch ein wenig geärgert.

Dann, nach ihrem Tod, stellte mein kleiner Lümmel fest, dass der Schmuseplatz auf meinem Bett frei geworden war. Da Mato lieber in seinem eigenen Körbchen oder auf meinem weichen Teppich schlief, gab es keinen Artgenossen mehr, der ihm diesen Platz verwehrt hätte. Also stand er eines Abends mit riesengroßen Augen und Wackelschwänzchen vor meinem Bett. Selbstverständlich erreichte der kleine Charmeur auch sein Ziel. Von da an nächtigte er liebend gern zwischen Kuscheldecke und Oberbett. Nur die süße kleine Schnute und seine Kulleraugen lugten dann noch hervor.

Mato hatte gegen diese neue Angewohnheit seines Untertan nichts einzuwenden. Wahrscheinlich fand er Quinnys Verhalten eines älteren Hundes für unwürdig. Und, davon abgesehen: Gleichgültig, wie nah Quinny nachts bei mir läge...Mato war sich völlig sicher, in meinem Herzen für immer der Hund Nummer eins zu bleiben!

Mittlerweile ist Fee schon drei Jahre tot. Mato und Quinny, beide über dreizehn Jahre alt, toben noch immer gesund durchs Haus. Quinny ist etwas selbstsicherer geworden. Mato hat sich von dem Hundebaby, das Schmusen äußerst lästig fand, zu einem absoluten Stofftier entwickelt. Mein Hund knuddelt nur noch! Wehe, ich gehe mit Wäschekorb an ihm vorbei. Nein, ich habe den abzusetzen, um ausgiebig mit ihm zu schmusen. Dann ertönt jedes Mal das von mir so ersehnte Wolfsgeheul, mit dem er mir seine überschäumende Freude zeigt. Wie froh erst ich dann bin... Ich glaube, mein Hund spürt es!

Über ein Leben ohne meine beiden Lieblinge mag ich lieber nicht nachdenken!

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