aus geträumt

Kurzgeschichte zum Thema Du und Ich

von  redangel

sie spürte ganz deutlich ein fremdkörpergefühl. es beschlich sie in dem moment, als sie diesen traum betreten hatte..
was willst du hier, sagte eine kalte, feindselige stimme zu ihr. du hast noch nie hierher gehört und du wirst es auch in zukunft nicht tun. lern endlich einmal dazu.
dann lachte die stimme laut und spöttisch. sie wurde aus gelacht. es tat ihr weh dieses lachen mit anhören zu müssen.
sie hätte sich gerne mit beiden händen die ohren zugehalten. aber sie konnte ihre arme nicht bewegen.
sie hielt einen korb damit fest. hilflos mußte sie sich eingestehen, daß sie machtlos geworden war, über nacht fern gesteuert.
sie hätte sich gerne umgedreht und wäre einfach unauffällig leise wieder verschwunden in der dunkelheit.
aber etwas starkes zwang sie, hierzubleiben. wie ein kind versuchte sie, die augen zu schließen und sich wegzudenken.
das hatte damals manchmal funktioniert aber auch nur in den seltensten fällen. ihre augen ließen sich nicht schliessen. sie blieben offen, wie bei den hasen, die so schliefen mit offenen. das träumst du nur, sagte sie und versuchte sich damit zu beruhigen.
gleichzeitig schlich sich etwas total logisches etwas endgültiges in ihren kopf und zwang sie klar zu denken. seltsam, diese nüchternen gedanken, schwarz auf weiß mit neonlicht angestrahlt wirkten sie noch kühler.
als sie an sich heruntersah bemerkte sie, daß sie eine verkleidung trug, etwas schwarzes, glänzendes, sehr eng anliegendes. der korb den sie bei sich hatte, enthielt grobe kaminholzscheite. er war so schwer, dass sie das gefühl hatte, ihre arme würden davon hinuntergezogen.
sie konnte ihn erst abstellen, als sie direkt vor ihm stand. er sah ihr lächelnd dabei zu.
sie erkannte ihn nicht, er war fremd für sie. sie sah ihn nur verschwommen. aber es war sein traum und sie hatte sich offensichtlich nach seinen vorlieben zu richten. er steuerte alles aus seinem unterbewußtsein heraus. am nächsten morgen würde er sich an nichts erinnern können. die meisten männer erinnern sich nicht an ihre träume. er sah an ihr herunter und lächelte immer noch. was sie anhatte traf ihn haargenau seinen geschmack.
kein wunder, er hatte es sich ja auch aus gedacht.
plötzlich fing sie zu sprechen an. mit einer stimme, die ihr selber fremd war.
bald ist weihnachten, sagte sie zu ihm. deswegen war sie genötigt worden, hier bei ihm zu erscheinen.
sie hatte keine lust darauf, lange reden zu halten. sie hatte hier etwas zu erledigen, sie würde es schnell hinter sich bringen.es fiel ihr alles wieder ein.
sie war die überbringerin seiner geschenke. vermutlich war sie auch bei der auswahl beteiligt gewesen. sie erkannte ihn immer noch nicht. es war ziemlich dunkel im traum, nur ein paar kerzen brannten. irgendwie hatte sie das gefühl, er legte keinen gesteigerten wert auf persönliches und persönlichkeit an sich. deswegen war sie anonym hier. deswegen waren seine geschenke total unverfänglich und dabei sinnvollerweise auch noch irgendwie praktisch.
das kaminholz, er würde dort wo er hinging einen kamin haben. sie hörte sich selber beim reden zu.
das ist etwas, das dir warmmachen, dir einheizen wird, sagte sie und lächelte ihn an. du wirst anzünden, es wird anfangen zu brennen, es wird aufglühen eine zeitlang, du wirst zusehen, die flammen beobachten. dann wird sich alles auflösen. was davon übrigbleiben wird, ist nicht mehr viel wert. nur aschgraue rückstände, die du verstreuen wirst, wegwerfen.
damit kippte sie ihm das holz vor die füße. im korb lag noch etwas unverfängliches zusammen mit einem umschlag.
du wirst dich betrinken können daran, sagte sie. berauschen lassen davon, du kannst es alleine tun, oder gemeinsam mit jemandem. das etikett darauf wird nur dir etwas sagen, red top, ein champagner der besonderen sorte. es wird diesen knall geben beim öffnen. das wird ein bißchen hallen in deiner neuen umgebung. du wirst vielleicht denken an andere abende.
als es sehr verfänglich zuging, höchstpersönlich. du wirst vielleicht denken an grüne augen, an lockenkopfschütteln an sämtliche mißverständnisse auf einmal. dann wirst du die vergangenheit abschütteln, sie vergessen und dich der zukunft zuwenden.
den briefumschlag hätte sie fast vergessen. sie wollte fertigwerden. schnell fertigwerden mit dieser übergabeaktion. sie nahm ihn in die hand und reichte ihn weiter. sie hatte nicht die geringste ahnung vom inhalt. sie wußte nicht, was darin stand. las nur staunend die schnörkelige aufschrift. f r e i b r i e f. sah das wachssiegel auf der rückseite.
er konnte damit tun und lassen, was er wollte. die gesetze wurden aufgehoben dadurch, keiner mußte sich mehr an etwas halten, gesetze und vorschriften waren nicht mehr wichtig.
das unverfängliche hatte angefangen verfänglich zu werden und damit auch gefährlich.
sie erkannte , dass es allerhöchste zeit für sie war zu verschwinden.
es war alles erledigt. sie gehörte nicht hierher, auch in zukunft nicht.
bald ist weihnachten, sagte sie beim umdrehen.
dann stellte sie fest, daß er sie sie nicht mehr hielt, sondern gehen ließ. sie hatte
aus geträumt.

(c) redangel

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