Tierisch verliebt Teil I.

Roman zum Thema Begegnung

von  Omnahmashivaya

Es war wieder eine dieser Tage, an dem Alles schief ging. Eine wohl ziemlich verhauene Abrechnungsklausur, Stress auf der Arbeit, Herzschmerz wegen dem Noch-Freund, eine Auseinandersetzung mit den Eltern und noch Vieles mehr - halt eine allgemeine depressive Stimmung. Zu all dem befand sich die beste Freundin auch noch in einer Klinik - ziemlich weit weg von mir. Ich fühlte mich wie am Boden zerstört, in dem Moment machte nichts wirklich einen Sinn. Ich setze mich in mein Auto und fuhr apathisch durch die Gegend. Das Radio spielte wieder jene songs, die Einen in tiefe Melanchonie versinken liessen. Ich konnte mich nicht länger halten und flennte los. Ich fuhr einfach so durch die Gegend - ohne Ziel. Mir war Alles egal. Ich fühlte nur noch einen unendlichen Schmerz in mir. Nach einiger Zeit hatte ich eine ziemlich verschwommene Sicht, liess eine rote Ampel links liegen, nahm einem PKW die Vorfahrt und fühlte mich einfach nur leer, taub und kalt. Wie ausgekotzt. Mein Gesicht brannte. Bei einem Blick in den Spiegel bemerkte ich, dass es schon krebsrot war. Luft bekam ich auch kaum noch vom Schluchtzen. Ich fuhr eine Straße hinunter und sah die Baumreihen, die den Straßenrand zierten. Ich konnte nicht mehr und war nahe daran, einen Entschluss zu fassen. Das Auto schien schon ziemlich holprig die Straße entlang zu fahren, aber das störte mich kaum. Ich hatte einfach keine Lust mehr...
Plöztlich jedoch riss mich ein Schild aus den Gedanken. "Gnadenhof" stand darauf geschrieben.
Ich wusste selbst nicht genau, warum ich das Lenkrad nach links einschlug und den Feldweg hinein fuhr.
Gnadenhof - schon oft hatte ich davon gehört. Tiere, die keiner wollte oder die vom Schlachter gerettet wurden, bekamen dort ein zu Hause, ihr Gnadenbrot. Ich liebte Tiere. Ohne nachzudenken machte ich vor dem Hof halt, wischte mir die Tränen ab und klingelte einfach an der Pforte.
Eine junge Frau machte mir auf. Natürlich kam ich mir ein wenig blöd vor, so einfach ohne Ankündigung, mit einer verrotzt-veheulten Fratze, bei Leuten zu klingeln, die ich gar nicht kannte. Was ich in dem Moment genau wollte, wusste ich auch nicht und was ich sagen sollte erst recht nicht. Die junge Frau begrüßte mich freundlich und ich brachte stotternd die Worte: "Ich bin sehr tierlieb und wollte mal nachfragen ob ich hier mal ehrenamtlich helfen kann" heraus. Ihre Reaktion war sehr angenehm und ich fühlte mich sogleich etwas sicherer und konnte auch wieder durchatmen. Die Frau, sie hiess übrigens Kati, führte mich über den Hof, zeigte mir Stallungen und Tiere und erzähle munter von den Tieren, deren Schicksalen und der Arbeit auf dem Hof. Ein kleiner brauner Hund kam mir schwanzwedelnd entgegen und begrüßte mich. Dieses kleine herzliche Wesen schaffte es, mir ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern und ich spürte das erste Mal nach langer Zeit ein wenig Wärme in meinem Herzen. Kati erlaubte mir, mit dem kleinen Hund, der übrigens erst seit einem Tag auf dem Hof war, spazieren zu gehen. Ich genoss es, den kleinen Vierbeiner spazieren zu führen und erkundete mit ihm die nähere Umgebung des Gnadenhofes. Wiesen, Felder und Wälder - einfach wunderschön. Auf einem Feldweg setze ich mich einfach eine Weile nieder, schloss einen Moment die Augen und wendete mein Gesicht entspannt der Sonne entgegen. Das tat gut.
Der kleine Hund stemmte seine Pfötchen auf meine Knie und wollte mein Gesicht ablecken. Ich kraulte ihn hinter seinen Schlappöhrchen und ging dann weiter mit ihm. Nach einer knappen Stunde begab ich mich mit dem kleinen Racker zurück zum Hof. Dort zeige mit Kathi noch den Esel Mauritzius und einige Katzen. Ein Hängebauchschwein grunzte vergnügt und suhlte sich in einer Schlammgrube. Es war ein wunderschöner Anblick, so viele glückliche Tiere zu sehen und ich spürte, dass mir etwas ganz Besonderes wiederfahren war. Einer meiner Kinderwünsche hatte sich erfüllt. Tiere versorgen auf einem Gnadenhof. Mir wurde warm ums Herz und ich hätte schon wieder weinen können - dieses Mal vor Glück. War der Tag auch noch so beschissen angefangen, dieser Nachmittag brachte eine sehr positive Veränderung in mein Leben mit sich.
Mein Leben bekam wieder einen kleinen Hoffnungsschimmer, wieder einen Sinn. Welche angenehme Überraschung da Ganze noch mit sich brachte sollte ich jedoch erst viel später erfahren.
An diesem Tag fuhr ich ausnahmsweise glücklich nach Hause. Die Sonne stand am höchsten Punkt des Himmels und strahlte mir mir um die Wette. Das Radio spielte "Jessie" von "Joshua Kadison" und ich sang lauthals mit. Mir ging es ausgesprochen gut und ich vergeudete keinen Gedanken an das Negative. Ich freue mich schon auf den nächsten Tag - Wochenende. Ich hatte mit Kathi vereinbart, dass ich schon morgens vorbei komme. Sie wollte mich in die Arbeit rund um den Hof einweisen und mir alles erklären. An diesem Abend schrieb ich nach langer Zeit mal wieder Tagebuch. Das unangenehme Telefongespräch am Abend mit Lars, meinem Freund, setze mir nur wenig zu. Ich fühle mich plötzlich viel gelassener und unabhängiger von ihm. Das er mir unter die Nase rieb, dass er den Vortag wieder bis in die Puppen gefeiert hatte und nette Mädels kennen gelernt hatte, machte mir ausnahmsweise nur wenig aus. Seit seinem Umzug in eine andere Stadt, bezüglich seines Studiums, hatte sich viel verändert. Schon damals wollte ich mich von ihm trennen, weil ich schon des Öfteren Bekanntschaft mit einer Fernbeziehung gemacht hatte und auch schon genug vorgefallen war, was jetzt nicht unbedingt auf den Tisch muss. Doch leider hinderten mich meine Gefühle immer wieder daran, den Schlussstrich zu setzen. Ich liebte ihn halt, das konnte man nicht leugnen. Wir hatten schon so viele Höhen und Tiefen durchgemacht und ich hoffte immer wieder innig, dass es irgendwann wieder einmal so werden würde, wie es mal war. Ich vermisste ihn oft tierisch, war ständig traurig und verletzt und hielt es manchmal einfach nicht mehr aus vor Schmerz. Sich am Wochenende vor Frust gnadenlos zu besaufen, seitenlange Briefe an Freundinnen zu schreiben und sich in den Schlaf zu heulen war keine Seltenheit.
Diese Nacht jedoch schlief ich wunderbar.
Am nächsten Tag leugnete ich meinen Eltern, die nicht unbedingt etwas von meiner Aktion mitbekommen sollten, dass ich mit einer Mitschülerin für die Abschlussprüfung, die zu allem Übel auch noch vor der Tür stand, lernen würde. Somit bekam ich auch den Wagen und konnte pünktlich um halb neun morgens losbrettern. Ich machte einen Abstecher zur Raiffeisen und kaufte ein paar Hundeleckerlies, Katzenspielzeug sowie einen Sack Möhren für die Hottehüs. Vollgepackt stand ich vor der Pforte und konnte es kaum erwarten hineingelassen zu werden.
Doch was war das? Ein junger Bursche mit braunen Zottelhaaren machte mir die Tür auf. An seinen Fersen klebte ein wunderschöner Bordercollie. Da fing der Tag ja so richtig gut an. Sonne, Tiere und zu Allem Glück noch etwas fürs Auge. Der Bursche konnte sich nämlich auch blicken lassen. Als er jedoch den Mund aufmachte und sich vorstellte, stockte ich ersteinmal. Sein Name war Lars. Einen besseren Namen hätten ihm seine Erzeuger wohl kaum geben können...
Nichts desto Trotz. Dieser Lars war ein lebendiges Beispiel dafür, dass es auch nette Lars gibt. Er übernahm gern Kathis Aufgabe, mir alles zu erklären und ich hatte natürlich auch nichts dagegen.
Nun hiess es erstmal Stall ausmisten. Die Ärmel wurden hochgekrempelt, Gummistiefel angezogen und Mistgabel in die Hand. Die Pferde befanden sich auf der Koppel und somit konnte man sich ans Werk machen.
Nach zwei Stunden waren sie Stallungen fertig ausgemistet und mit frischem, wohlduftendem Heu aufgefüllt. Nun hatte ich Gelegenheit mit dem Hund vom Vortag Gassi zu gehen. Man hatte ihn übrigens "Tessa" getauft. Ich erfuhr auch Einiges über seine Herkunft. Er wurde von Leuten, die ihn immer nur in einem kleinen Zwinger gehalten haben, weggeholt und hatte auf dem Gnadenhof ein Zuhause gefunden. Nach dem Spaziergang durfte ich helfen die Kleintiere zu füttern. Möhren, Gurken und Äpfel wurden kleingeschnitten und zu den Kaninchen und Meerschweinchen gebracht. Freudig stürzten sich die kleinen Nager auf die Leckerbissen und mümmelten diese vergnügt in sich hinein.
Eh ich mich versah, war der Tag auf dem Gandenhof schon vorbei. Ich verabschiedete mich von den Mitarbeitern und der Besitzerin und machte mich auf den Nach Hause Weg. Ein kleines Donnerwetter würde mich wohl erwarten. Immerhin hatte ich schon lange Zeit nicht mehr so lange gelernt und die Anrufe meiner Mutter auf dem Handy und auch die von Freund Lars hatte ich auch nicht bemerkt und schon gar nicht entgegengenommen. Außerdem sah ich aus wie ein Ferkel. Meine Hose hatte sich bis zu den Knien mit Schlamm vollgesogen und meine Jacke verzierten ein paar große Hundetatzen von Jacky, dem gutmütigem großem Malamut. Es war mir Alles egal, ich fühle mich sauwohl. Zu Hause wetzte ich schnell die Treppen hoch und zog mich in Windeseile um. Die Aufforderung meiner Mutter beantwortet ich mit einem "Ich muss ganz dringend aufs Klo." Damit stellte ich sie ein paar Minuten ruhig. Wenige Zeit später erschien ich dann gelassen im Wohnzimmer und guckte sie verschmitzt an. "Bist du verrückt, so lange weg zu bleiben? Wo warst du denn? Lars hat schon fünf mal angerufen und ich hätte eigentlich den Wagen gebraucht." Mit einem innerlichen Triumph, dass Lars so oft an mich gedacht hatte, während ich ihm nicht nur den geringesten Gedanken gewidmet hatte, erzähle ich meiner Mutter, dass ich nach dem Lernen noch mit Sefika in der Stadt war. Meine Mutter gab sich damit zufrieden und widmete sich wieder ihrem Kreuzworträtsel. Ich begab mich auf mein Zimmer und träumte ein wenig vor mich hin. Doch, wie nicht anders erwartet, holten mich plötzlich wieder die Gedanken an Lars ein. Wie konnte ich auch so naiv sein und denken, dass ich nun drüber weg bin, nur weil ich zwei schöne Tage hatte und einen Lichtblick gefunden hatte. Ich rief ihn an und er fragte erstmal wo ich gewesen sei und warum ich mich nicht früher gemeldet hätte. Er wurde auch mal wieder ausfallend. Wahrscheinlich hat es ihm nicht gepasst, dass ich unterwegs war und er über den Büchern hängen musste. Selbst Schuld, wenn man sich oft genug Nächte um die Ohren haut. Ich muss zugeben, dass es mich genau so kränkte, wenn ich stundenlang auf einen Anruf von ihm warten musste. Es war halt Alles nicht so einfach mit uns. Das Telefongespräch zog mich wieder ziemlich runter, dass er dann auch noch auf einen Geburstag von einer Kommolitonin, die er wohl auch sehr attrakiv fand, gehen wollte, setze dem Ganzen das I-Tüpfelchen auf. Nicht unbedingt wegen ihr, denn ich schaute ja auch ganz gern mal andere Männer an. Eher der Punkt, dass er für meinen Geburstag keine Zeit gefunden hatte. Man berücksichtigt natürlich die Entfernung, aber nach einer dreijahrelangen Beziehung könnte man es ja wohl erwarten, dass der Freund sich mal wenigstens auf einem Geburstag blicken lässt. Für seine damalige Zivischulung konnte er nichts. Es war halt Pech, dass diese genau auf meinen Geburstag fiel. Ein Jahr später liess es sich auch noch ein wenig entschuldigen, weil er für eine wichtige Klausur pauken musste... Aber den Geburstag der Freundin einfach zu vergessen, das war nicht unbedingt der Hit und tat mir auch ziemlich lange weg. Ich zweifelte mal wieder sehr stark an seiner Liebe zu mir, die er mir zwar oft genug verbal mitteilte, aber nicht allzuoft bewies. Dieses liess ich ihn auch spüren. Ich hätte mir den einen oder anderen eifersüchtigen Spruch sparen können, aber er war oft auch nicht besser mit seinem Gehabe, wenn nicht sogar schlimmer. Ich erinnerte mich an jenen Vorfall, als er mich mal mit meinem Bruder, den er bis dato noch nicht kannte, auf einer Feier sah und wütend und besoffen, wie er war auf uns zukam, uns beleidigte und auch handfreiflich wurde. Die Security der Schützenhalle schmiss ihn natürlich raus und ich blödes Tuc Tuc rannte auch noch hinter ihm her um das Missverständnis aufzuklären. Nach einem heftigen Streit, den mindestens die Hälfte der Leute, die draussen an der Dönerbude und auf dem Vorplatz standen, mitbekamen, fielen wir uns wieder in die Arme und küssten uns. Er entschuldigte sich auch. Innerlich tat es mir jedoch noch lange weh. Da war einmal die Demütigung vor meinem Bruder, meinen Freundinnen und den anderen Leuten. Hinzu kam seine Agressivität, wie ich sie zuvor von noch Keinem erlebt hatte. So war das oft zwischen uns. Wir schrien uns an, dann war wieder gut. Wir liebten und wir hassten uns. Natürlich gab es immer wieder schöne Stunden. Wenn ich ihn am Bahnhof empfing und wir uns in die Arme fielen, wenn wie gemütliche Kuschelstunden verbrachten und wir uns einfach nur in unserer Leidenschaft fallen lassen konnten. Solche schönen Gedanken kamen mir auch oft in den Kopf, aber machten mich auch sehr traurig. Es war halt Alles so kompliziert und so demprimierend. Mal fühle man sich einfach wohl, dann wieder wußte man nicht wo man dran war. Mal schien ich in der überlegenen Rolle zu sein, mal er. Wir hatten auch sehr oft Schluss miteinander. Das hielt allerdings nie sehr lange an...
Das typische Hin und Her halt. Am liebsten wäre mir ja, das Ganze einfach nicht mehr zu erwähnen, weil es eigentlich nicht mehr erwähnenswert ist. Aber es gehört nun mal mit zu dieser Geschichte. Ohne ihn und ohne die ganzen Vorfälle wäre ich nie zu dem Menschen geworden, der ich nun bin, hätte meinen Weg zum Gnadenhof und somit zum Glück nie gefunden. Glück im Unglück, wie es so schön heisst...
Die nächsten Tage wurden wieder sehr deprimierend. Eine furchtbare Woche lag vor mir. Ich hasste die Arbeit in der Praxis. Mein Chef war ziemlich gemein und ich fühlte mich schnell wieder entmutigt.
Voller Sehnsucht erwartet ich das Wochenende. Lars würde mich besuchen. Außerdem würde sich wieder etwas Zeit finden, auf den Gnadenhof zu gehen. Nach der Berufsschule, die immer Freitags stattfand, war dafür eine gute Gelegenheit...

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Kommentare zu diesem Text

HomoFaber (31)
(03.05.07)
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 Omnahmashivaya meinte dazu am 19.08.09:
Dich kenne ich auch noch :)) *grinzzzzz* Warum bist du abgehauen??

 NormanM. (19.08.09)
Hi,

hatte den text vor längerer zeite mal gelesen und fand ihn gut. Vielleicht könntest du den text auch als teil in bruder der tiere unterbringen.

 Omnahmashivaya antwortete darauf am 19.08.09:
Irgendwie handeln im Kopf ja alle meine Romane von dieser Geschichte. Das kommt auf jeden Fall noch in Bruder der Tiere - war auch so geplant, weil es dazugehört - ist doch logo, wenn du mir die letzen jahre zugehört hast :))) Irgendwann fügen sich die einzelnen Geshihte zum Ganzen wie die verlorene Teile zu einem Puzzle. LG Sabine

 Dieter_Rotmund (25.11.18)
Scheinbar willkürliche Groß- und Kleinschreibung, deshalb nur schwer lesbar.
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