Wer sind wir?

Kurzgeschichte zum Thema Menschen

von  MrDurden

Die letzte Farbe die man wahrnimmt bevor man erblindet ist grün. Warum gerade grün? Ich kann grün nicht ausstehen. Warum nicht blau? Oder gleißend helles Weiß? Wenn ich übermüdet bin philosophiere ich über alles mögliche. Innerlich trete ich mir mit Anlauf in den Arsch und krieche torkelnd aus dem Bett. Vier Uhr morgens... kann ja doch nicht mehr einschlafen. Mal sehen, ob ich ein paar überschüssige Gehirnzellen im Internet verbraten kann. Wie im Delirium tippe ich stumpfsinnige Wortkombinationen in die Adressleiste ein. Halb geöffnet fliegen meine, mittlerweile vom Verstand abgekoppelten Augen über den Bildschirm. Komisch, was einem dieses kleine unbedeutende Modem alles ermöglicht. Seitdem der Internetanschluss installiert ist, habe ich einige der schönsten aber vor allem viele der grausamsten Dinge gesehen, die ich mir bis dahin vorstellen konnte. Dinge, die ich nie wieder vergessen werde... Nicholas Berg... ich gehe nicht ins Detail. Hm... drei Liter Jack Daniels für nur 75 €,... ich bin der fünfmillionste Besucher einer Songtextseite... hab nen Schlüsselanhänger gewonnen, den ich per Mail ordern soll. Überall die winzigen Sternchen am Ende der Wörter. Wieviele Seiten mögen wohl existieren? Mehr als es Menschen gibt? "In dieser Minute leben 6.621.877.740 Menschen auf unserem Planeten." Warum steht da "unserem"? Naja, wenigstens eine Stunde sinnlos verplämpert. Ich starte das E-Mail-Programm und beschließe, wiedermal meinem Vater zu schreiben. Ich frage ihn, wie es ihm geht und dass bei uns in Deutschland immernoch alles drunter und drüber geht. Ich erzähle ihm von meinem Tag, meiner Arbeit und frage ihn was meine Schwester gerade so anstellt. Dann sage ich ihm noch, wie sehr ich hoffe, ihn endlich persönlich kennenzulernen und dass ich ihn liebe. Ich erinnere mich daran, wie ich vor einem halben Jahr zum ersten mal mit ihm telefonierte... daran, dass er bisher keine meiner Mails beantwortet hatte. Ich schließe das Programm ohne den Text abzuschicken, fahre den PC runter und lege mich wieder ins Bett... denke an den Schlüsselanhänger, der mir durch die Lappen gegangen ist, kann mir das Grinsen nicht verkneifen. Wenige Sekunden bevor ich meine Atmung den tieferen Gehirnregionen überlasse, leuchtet die letzte wache Synapse kurz auf und stellt mir eine Frage. Eine Frage, auf die die wenigsten Menschen eine Antwort kennen und diejenigen, die es wissen oder ahnen versuchen es zu leugnen und stehen zu ihrer Feigheit... wer sind wir?


Anmerkung von MrDurden:

Wir sind der singende tanzende Abschaum der Welt. (Tyler Durden)

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Kommentare zu diesem Text

MellonCollie (24)
(13.05.07)
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 MrDurden meinte dazu am 15.05.07:
Freut mich, wenn er dir gefällt Ich finds irgendwie faszinierend, in welche merkwürdige Richtung uns die Evolution getrieben hat. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit war es für jeden von uns noch völlig normal ums Überleben zu kämpfen und heute.... ja, was ist heute... keine Ahnung, die Menschen stehen um vier Uhr morgens auf, nicht um wie jeden Tag eigenhändig für Nahrung zu sorgen, sondern um ihr Modem anzuschalten und sich all den unnützen blödsinn reinzuziehen, den wir im Laufe unserer Entwicklung erfunden haben. Damals hat man sich nicht nach dem Sinn des Lebens gefragt, man hat ihn gelebt. Danke für deinen Kommentar!!!!
Liebe Grüße, David.

 Feuervogel (08.09.08)
Als du von deinem Vater schriebst, kamen mir die Tränen, vielleicht weil ich da meinen Sohn sehe wie er in einigen Jahren ähnliche Gedanken hegt.....du schaffst es auf phantastische Weise Menschen ins Gefühl zu bringen...Du bist ein großer Schreiber und auch Denker...LG Ela

 MrDurden antwortete darauf am 09.09.08:
Wow, so ein Kompliment hab ich noch nie gekriegt... Ich dank dir!!! Kann mir gut vorstellen wie das für dich ist. Es ist traurig und man wünscht sich, man könnte etwas daran ändern. Doch weder Menschen noch ihre Gedanken lassen sich von Grund auf ändern. Vieles am Verhalten meines Vaters kann ich nicht verstehen, egal wie lange ich darüber grüble... und es macht mich wütend. Manchmal hasse ich ihn dafür und dann ist es mir wieder egal. Hat mich gefreut dich fühlen zu lassen. Liebe Grüße, David!
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