Der schwarze Tim teil II

Märchen zum Thema Abenteuer

von  Borek

Trotzdem, daß sie von der Polizei verjagt wurden, hatte die andere Welt einen magischen anziehenden Eindruck hinterlassen. Vier Wochen später, es war schon Herbst und die ersten frostigen Tage, zeigten das Nahen des Winters an.
Tim sagte zu Stuart, „sollen wir nochmals einen Ausflug in die andere Welt versuchen?“
„Du weißt doch, daß wir zerlumpt ausschauen. Treffen wir den Polizisten wieder, müssen wir ins Gefängnis.“
„Wir sollten nur unsere guten Sachen anziehen die wir, wenn wir in die Kirche gehen, tragen“
„Meinst Du?“
„Ja, meine Großmutter hat einmal gesagt, Kleider machen Leute, und dies versuchen wir einfach.“
Unter dem Vorwand, sie wollten in die Kirche gehen, zogen sie sich ihre Sonntagskleider an, putzten die Schuhe und machten sich auf dem Weg in die andere Welt.
Kaum hatten sie eine der vielen Geschäftsstraßen betreten, fiel ihr Herz schon in die Hosentasche. Ein Polizist kam ihnen direkt entgegen, ein schnelles Ausweichen war unmöglich. Ehrfürchtig zogen sie ihre Mütze vor ihm und schon waren sie an ihm vorbei.
„Ich sagte Dir doch, Kleider machen Leute.“
Die größte Angst war gebannt, ihr Abenteuer in der neuen Welt konnte beginnen. So bummelten sie durch die Straßen rieben sich ihre Nasen an den Schaufenstern platt, sahen viele Dinge die sie noch nie in ihren kurzen Leben gesehen hatten. Es war unglaublich beeindruckend. Die Schaufenster voll mit den schönsten Spielsachen. Ritterburgen, Ritter, Puppen für Mädchen, Bären, Eisenbahnen aus Metall und aus Holz. Elegante Damen sahen sie, die für ihre Kinder einkauften. Geschäfte mit Fleisch und Würsten nicht nur ein Paar , nein ganze Berge lagen da. Bäckereien mit köstlichen Kuchen und Torten, es war einfach unfaßbar. Auch das Pulsieren auf der Straße war beeindruckend und der Geruch nicht zu vergleichen mit dem modrigen Dunst in ihrer Gasse. Ein inneres Zeitgefühl zeigte ihnen an, es sei Zeit zur Heimkehr. Sie liefen an wuchtigen Villen vorbei, überall gab es  große Gärten und feste Mauern. Als so ziemlich um die letzte Ecke bogen, sahen sie fürchterlichen Qualm aus den Fenstern im Erdgeschoß quellen. Kein Rauch kam aus dem Schornstein. Tim hatte die Situation sofort erkannt. „Der Schornstein ist verstopft“ sagte er zu Stuart. Eine kleine Ansammlung von Menschen stand aufgeregt vor dem Haus. Ein älterer Herr schimpfte wild auf seine Dienstboten ein. Seine Schimpfworte waren sicherlich nicht stubenrein, zu verängstigt sah das Mädchen mit der Haube aus und der Diener im eleganten Schwarz gekleidet, er stand da wie ein begossener Pudel. Was mit Tim so richtig geschah wußte er im nachhinein nicht mehr so genau. Er ging unerschrocken auf den aufgeregten Mann zu, und sagte;
„Sehr geehrter Herr, sie haben eine Schornsteinverstopfung, ich bin Experte darf ich ihnen meine Hilfe anbieten?“
„Ihr könnt mir wirklich helfen? euch hat der Himmel geschickt. Was benötigt ihr?“
„Einen langen Besen und ein Seil.“ sagte Tim.
In Windeseile waren diese Dinge herbeigebracht und schon war Tim und Stuart auf dem Weg zum Dachstuhl. Inzwischen war das Feuer erloschen und erstickt, nur noch geringe Rauchschwaden verließen das Haus als Tim und Start auf dem Dach erschienen. Behend kletterten sie bis zum Schornstein und Stuart seilte Tim an. Tim vermutete, das es ein Nest den Abzug verhindert, deshalb hatte er den langen Besen mitgenommen um dieses Nest aus seiner Verankerung zu lösen. Doch oh Schreck, es war doch kein Nest vorhanden, der Fehler mußte tiefer liegen. Aber was, wo und wie. Eine Blamage erster Ordnung bahnte sich an.
„Ich steige ein,“ sagte Tim zu Stuart. „Halte mich fest an den Seil ich werde versuchen mit dem Besen die Verstopfung zu finden. „ Und schon verschwand er im Schornstein unter den Rufen  der unten stehenden Zuschauern, mit ohhh und ach.
Es passierte wie es kommen mußte, Stuart konnte das Seil mit Tim auf dem schrägen Dach nicht halten und Tim rutschte erst langsam und dann immer schneller durch den Schlund des Schornsteins. Mit großem Getöse landete er mit viel Gestrüpp von feingeflochtenem Netzwerk mehrerer Vogelgenerationen im Kamin, indem zum Glück das Feuer inzwischen erloschen war.
Etwas benommen stand er nun schon da, umringt von den Kindern des Hauses und diese lachten aus vollem Herzen und riefen „der schwarze Tim ist da, der schwarze Tim ist da. Es war schon ein furchterregender Anblick Tim schwarz wie die Nacht mit dem Besen in der Hand und das Seil wirkte wie der Schwanz des Teufels. Tim war es natürlich nicht zum Lachen zu Mute . Was sollte er seiner Großmutter sagen, die besten Sachen waren alle fürchterlich schwarz und ob dieser fette Ruß je wieder herausgehen würde, wäre sehr fraglich.
Inzwischen war die Herrin des Hauses herbeigeeilt um sich die Bescherung anzusehen und konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. Sie erteilte die Anweisung, Tim ins Bad zu führen und ihn mit getragenen Sachen ihres Sohnes zu versorgen. Der Kamin war inzwischen geputzt und ein Feuer mit gutem Zug züngelte schon in ihm.
Der Herr des Hauses saß in einen großen Sessel und sah sich Tim, als er frisch gewaschen und gekleidet vor ihm stand, lange an.
„Du bist also Tim. Sicherlich aus dem Kohlegrubendorf.“
„Ja, Herr, und ich bedauere es sehr, euch soviel Aufregung verursacht zu haben.“
„Nun, das bißchen Ruß haben wir schnell weggeputzt. Aber du warst sehr mutig, und unser Kamin brennt wieder ausgezeichnet. Dies ist euer Verdienst und dafür bekommt ihr alle ein Silberling als Lohn. Wenn du willst, kannst du jede Woche zwei Sack Kohle zu uns bringen und dir damit etwas Geld verdienen. Willst du?“
Tims Ja kam schnell und begeistert, denn Kohle hatten alle bei ihnen genug, nur an den anderen Dingen fehlte alles. Die neuen Kleidungsstücke durfte er behalten. Überglücklich das Abenteuer doch noch gut bestanden zu haben, machten beide sich auf den Heimweg.
Von nun an hieß er überall nur der schwarze Tim und es war der Beginn einer interessanten Laufbahn.



Tim hatte sich Gedanken über seine unfreiwillige Höllenfahrt durch den Kamin angestellt.
Man müßte einen Besen schaffen der so breit ist wie der Schornstein, der von einer schweren Eisenkugel nach unten gezogen wird. Daran befestigt ein langes Seil und man kann diesen Besen wieder nach oben ziehen. Somit könnte man  den Schornstein von Ruß und Vogelnestern befreien und es wird immer einen guten Abzug geben. Er lies sich so ein Instrument beim Schmied anfertigen und er experimentierte damit erfolgreich in seiner Gasse.
In der Stadt wollten immer mehr Hausbesitzer vom schwarzen Tim Kohle beziehen und die Schornsteine gereinigt bekommen. Sein Abenteuer, wie er zum schwarzen Tim geworden war, hatte sich schnell herumgesprochen. Heute gehört die sternenförmige Stahleinlage mit der eisernen Kugel zu jeder Ausrüstung der Schornsteinfeger. Und die Schornsteinfeger, wie einst Tim, bringen immer noch Glück ins Haus.

Viele Jahre später hatte Tim und Stuart ein blühendes Unternehmen mit über fünfhundert Mitarbeitern.
Für den Winter fuhren sie auch weiterhin Kohle aus und reinigten die Kamine. Das ganze Jahr lieferten sie in die herrschaftlichen Häuser Milch, Backwaren und Zeitungen. Natürlich hatten sie eine eigenen Bäckerei und Molkerei. Sie hatten eigene Geschäfte in der Stadt, die für ihre frischen Produkte bekannt waren. Sie lebten bescheiden und alle Erträge wurden wieder in den Wachstum ihrer Firma eingesetzt. Und sie waren stolz für Menschen Arbeit und Brot geben zu können.
Sie waren auch für viele Freunde in ihrer Gasse ein Vorbild, aktiv zu sein und nicht die Hände in den Schoß zu legen, nur um zu warten, bis irgendwie eine Hilfe herbei kommen würde.
Erfindungsgeist und Talent haben die Welt verändert und es muß aber noch sehr viel mehr erfunden werden um die Armut und den Hunger zu besiegen.
Noch viele Tims, mit Phantasie und Einfallsreichtum, braucht auch heute noch die Welt.

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Kommentare zu diesem Text

Knusperhexe (57)
(21.08.07)
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 Borek meinte dazu am 23.08.07:
Liebe Marlene..
Deine Kommentare sind immer etwas Besonderes und dafür danke ich Dir ganz herzlich.
Daß Du mir den Morgen und den Abendstern geschenkt hast ist für mich eine große Ehre. Ich sehe, Knusperhexen haben doch viele Talente.
Ich sammele gern Sterne an meinem Horizont. Danke auch für die Klicks.
Zauberhafte Grüße Herbert
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