Machtspielchen

Erzählung zum Thema Macht

von  AlmaMarieSchneider

Gleich als sie sich kennen lernten, erzählte sie ihm auf der Bank im Park, dass sie bärtige Männer als ungepflegt und abstoßend empfinden würde. Ansonsten seien ihr aber andere Äußerlichkeiten nebensächlich. Natürlich war er glatt rasiert und es gab keinen Anlass zu glauben, dass das jemals anders wäre. Zumal er geradezu Wert auf diese Feststellung legte. Auch das zweite Treffen verlief harmonisch und anlässlich des dritten Treffens versprach er glattrasiert und großzügig, sich um ihren verwilderten Garten zu kümmern.
Ein Wort war eben nicht immer ein Wort lehrte sie die Vergangenheit, aber um der Zukunft willen gab sie dieser Bewährungsprobe eine Chance und stimmte vertrauensvoll darauf bauend, dass dieses Unterfangen von ihm bewältigt werden würde, zu.
Als er dann am Samstag zu ihr kam, wucherte bereits ein einwöchiges Stoppelfeld in seinem Gesicht. Dem vorsichten Begrüßungskuß folgte die Erklärung, dass er sich wohl Hautunreinheiten von ihr zugezogen hätte. Natürlich bot sie diesbezüglich keine Ansteckungsquelle und tat seine Äußerung als schlechten Scherz ab. Die Stacheln fanden Verständnis.

Erstaunt stellte sie eine Woche später fest, dass das nun vierzehntägige Stoppelfeld immer noch munter sprießte, zudem ungepflegt und wild wucherte. Sie fühlte sich provoziert, schluckte ihren Ärger darüber hinunter und fragte auch nicht nach Gründen. Sie ignorierte es einfach, ging mit ihm Essen und machte einen Sonntagsausflug. Seine plötzliche Idee einen Dauerwohnsitz auf einem Campingplatz einzurichten um zu sehen wie billig man leben könne, erzeugten in ihr das Gefühl, dass hier ein Spielchen gespielt werden solle. Doch glauben mochte sie das immer noch nicht so recht. Legte er doch großen Wert darauf seine einmalige ehrliche und aufrichtige Art immer wieder zu betonen und den unbedingten Glauben daran von ihr einzufordern. Natürlich auch unter der Androhung die ganze Beziehung infrage zu stellen oder darüber nicht mehr diskutieren zu wollen.

Eine Woche später schnitt er die Hecke in ihrem Garten. Selbst ein herabprasselnder Eisregen konnte ihn nicht stoppen. Sie fürchtete, er würde sich eine Lungenentzündung zuziehen und bat ihn die Hecke sein zu lassen. Schließlich musste auch der anfallende Heckenschnitt bewältigt werden. In letzter Zeit regten sich sowieso immer häufiger Zweifel an seiner Aufrichtigkeit. Das Stoppelfeld in seinem Gesicht wirkte mittlerweile auf sie wie eine Zärtlichkeitsbremse. Die Campingidee wurde von ihm in seiner Aussage so gestaltet, dass sie die Möglichkeit bot zwischen dort wohnen und bei ihr leben, gerade wie er es brauchte um sie zu beunruhigen oder zu beruhigen.
Gegen Mitternacht, er wollte zu Bett gehen, sie noch kurz ihre Medikamente nehmen, kam er plötzlich auf die Idee, die Toilettenspülung zu reparieren. Er hatte die Ursache für das stetige Wasserlaufen gefunden und bat sie hartnäckig, dass sie sich das ansehe um ihr alles ausführlich zu erklären.

Das war ihr zuviel. Hatte sie Bartwuchs und Campingidee tapfer geschluckt, muckte sie nun mit einem klaren und deutlichem „Nein“ auf.
Beleidigt packte er daraufhin seine Sachen und fuhr die 100 km zu sich nach Hause. Am nächsten Morgen kam er noch einmal und half ihr Gartenabfälle weg zu fahren. Den Rest, das versprach er, würde er auch noch als guter Freund entsorgen. Das würde er dann alleine machen.
Zwei Tage vor dem ausgemachten Termin rief er dann an, er wolle nicht helfen. Er sei ihr gegenüber Ohnmächtig führte er auf.
Auf ihre Bitte hin sagte er dann doch seine Hilfe zu. Als der verabredete Zeitpunkt kam und sie auf ihn wartete klingelte das Telefon. Fröhlich erklärte er ihr, dass er verschlafen habe. Einen neuen Termin, wie es höflicherweise üblich gewesen wäre wollte er ihr nicht zusagen. Das Spielchen „Häng in der Luft, ich bestimme wie und wie lange“ sollte also weitergehen.
Ihre alten zuverlässigen Freunde halfen ihr sein hinterlassenes Trümmerfeld wieder aufzuräumen. Sicherlich ist mittlerweile auch der Bart ab. Schließlich hat er seinen Zweck nicht erfüllt.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (28.10.07)
Liebe AlmaMarie,

eine ganz andere Facette von dir lerne ich da kennen, voller Ironie, denke ich doch. Ob dieser Mensch wirklich glaubte, so Macht ausüben zu können. Erstaunlich, wie lange sie da mitgemacht hat, obwohl sie sein Handlen doch rel. früh durchschaute. Ein wenig hat sie dieses Spiel wohl auch genossen, die Gute. LG zum Sonntag

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 28.10.07:
Danke Armin, besonders auch für den Extraklick, da ich in Prosa doch noch recht unsicher bin. Mir gibt es etwas Auftrieb und Mut.

Ja, das klassische Grund-Muster einer Machtübernahme oder wie man das Ziel auch nennen mag.
Die Provokation, die Schuldzuweisung dafür an den Anderen als eigene Rechtfertigung, gezielte Verunsicherung bei gleichzeitigen Versuch sich unentbehrlich zu machen und Abhängigkeit zu erzeugen.
Letztendlich das Erzwingung einer Entscheidung unter schüren von Verlassensängsten und der verursachten Gartenmisere, dann die Rache, das Aufsitzenlassen, weil der Plan schiefging und sich Machtanspruch in Ohnmacht wandelt durch die Nichtaufnahme des Kampfes von der Partnerin.
Seltsamerweise laufen fast alle diese Spielchen wie fast nach einer Formel ab. Ob er es glaubte, kann ich nicht sagen. Es gibt sicher viel Erfolgreiche mit dieser Methode. In Betrieben wird das in leicht abgewandelter Form täglich praktiziert.

Liebe Grüße und einen tollen Sonntag

Alma Marie
(Antwort korrigiert am 28.10.2007)
janna (60)
(28.10.07)
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Buecherfee (26)
(12.02.08)
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