Mein erster Tag

Anekdote zum Thema Wehrdienst

von  NormanM.

Am ersten Juli war "der große Tag": Ich musste zur Bundeswehr. Eigentlich wollte ich dort gar nicht hin, aber da ich mir mit der Verweigerung zu viel Zeit gelassen und diese erst so spät eingereicht hatte, wurde sie nicht mehr rechtzeitig bearbeitet. Und so musste ich wohl oder übel, bis sie anerkannt wurde, erst einmal beim Militär antreten. Tja, selbst Schuld. Aber allzu lange konnte es ja auch nicht dauern, so dass ich höchstens einen Monat dort antreten müsste und das würde ich auch noch überstehen.  Und außerdem befand sich die Kaserne in Coesfeld im Münsterland, wo es sehr schön sein sollte. 
Bis 17 Uhr musste ich vor Ort sein, von Düsseldorf bis Coesfeld waren es etwa zwei Stunden, aber ich musste ja noch die Kaserne suchen, also fuhr ich vorsichtshalber schon um 14.30 Uhr los.
Coesfeld erreichte ich wie vermutet um etwa 16.30 Uhr, nun musste ich nur noch die Kaserne finden. Eine schöne Stadt war es, dieses Münsterland war wirklich schön, kaum zu glauben, dass davor das hässliche Ruhrgebiet lag.
Von der Kaserne gab es jedoch keine Spur. Ich hätte natürlich einen Fußgänger fragen können, aber ich sah nur ältere Leute, und die würden wahrscheinlich dort nur münsterländisches Platt sprechen, was ich aber nicht konnte. Es machte von daher keinen Sinn, sie zu fragen. Irgendwann sah ich endlich mal einen Wegweiser mit der Aufschrift „Kaserne“. Na also.
Um 17:05 Uhr kam ich dort an, auf die paar Minuten würde es ja wohl nicht ankommen. Ich meldete mich beim Pförtner, der erst mal einen langen Blick auf die Uhr warf.
„Ich hab mich ein wenig verfahren“, entschuldigte ich mich.
„Na ja, Sie können von Glück reden, dass das Ihr erster Tag ist“, meinte er unfreundlich.
Komm übertreib mal nicht, dachte ich mir. Und bald bin ich eh wieder weg hier, wollte ich fast noch sagen.
„Personalausweis und Meldepapiere“, kommandierte er. Ich hielt ihm beides hin.
„Halten Sie es bitte so hin, dass man es lesen kann“, drängte er. Am liebsten hätte ich ihm beides um die Ohren gehauen. Aber mein Vater hatte mir vorher gesagt, dass ich dort alles schlucken müsse, was man mir sagte, egal in welchem Ton man dort mit mir sprach.
Ein anderer Soldat, der etwas freundlicher war, erklärte mir dann den Weg, wo ich hin sollte.
Eine riesige Schlange erwartete mich dort. Toll, da kam ich extra erst um diese Uhrzeit, und ich musste mich trotzdem noch so lange anstellen.
Nachdem ich fast eine Stunde anstand und mich der Typ auf seiner Liste als anwesend vermerkt hatte, dachte ich, für heute wäre alles erledigt. Aber da lag ich falsch. Jetzt mussten wir noch unsere Ausrüstung in Empfang nehmen. Wieder stundenlang anstehen. Und das für die paar Wochen, die ich nur da sein würde.
„DER NÄCHSTE“, wurde ständig gerufen. Wieso schrie der so?
Als ich endlich an der Reihe war und ins Lager gerufen wurde, zählte mir derjenige, der mir die Ausrüstung gab, brüllend alles auf, was er mir in den Beutel legte.
„SCHUHPUTZZEUG, STIEFEL, TRAININGSANZUG…“. Ich stand doch direkt vor ihm, ich hätte ihn auch verstanden, wenn er leise mit mir gesprochen hätte. Aber irgendwie war es auch lustig. Ich konnte mir irgendwann ein Grinsen nicht mehr verkneifen.
„FINDEN SIE DAS ALLES LUSTIG?“, brüllte er mich plötzlich an.
„Nein, nein, natürlich nicht“, antwortete ich.
„DAS WILL ICH AUCH HOFFEN, SO UND JETZT WEGTRETEN.“
Wegtreten, wie sich das anhörte.
„DER NÄCHSTE!“, hörte ich ihn wieder. Als ich wieder den Flur betrat, konnte ich mein Lachen nicht mehr zurückhalten. Die anderen sahen mich schon alle erstaunt an.
Endlich, wir wurden zum Abendbrot geführt. Lecker, es gab Wiener Schnitzel mit Pommes. Ich fragte mich, was alle hatten, das Essen beim Bund war doch gar nicht so schlecht. Ich aß drei Portionen.
Danach waren wir allerdings immer noch nicht fertig, sondern es mussten noch irgendwelche Formulare ausgefüllt werden.
Gegen 24 Uhr kam ich endlich auf mein Zimmer, oh Entschuldigung, auf meine Stube.
„Wir sind hier nicht im Hotel, es heißt Stube“, sagten die Vorgesetzten ständig.
Unter einer Stube hatte ich mir eigentlich etwas Gemütliches vorgestellt, daher war ich schon erstaunt, wieso man Stube sagte. Aber diese Stuben sahen nicht viel anders aus, als ein Zimmer im Krankenhaus. Sogar mein Bett musste ich dort noch beziehen. Damit hätte ich gar nicht gerechnet.
Alle anderen von meiner Stube waren schon da. Ich machte mich zunächst mit ihnen bekannt. Einer von ihnen war eine Art Scherzbold, der Zweite wirkte wie ein Streber, zum Dritten konnte ich gar nichts sagen, der Vierte war total verklemmt und der Fünfte kam mir vor wie ein Halbstarker, aber er schien okay zu sein, denn er nahm alles genauso locker wie ich.
Alle hatten ihre Betten schon fertig bezogen, mürrisch bezog ich meins. Zwischendurch kam noch irgendein Unteroffizier herein und erzählte noch etwas, wo ich aber nicht hinhörte. Und um ein Uhr konnten wir endlich schlafen.
Wir lagen etwa zehn Minuten, ich versuchte zu schlafen, als ich dieses Schluchzen hörte. Erst ganz leise, ich dachte zuerst, irgendjemand habe die Nase verstopft und kriege keine Luft, doch dann wurde es lauter, da merkte ich, dass irgendjemand heulte. Das kam von dem Bett, wo der Verklemmte lag.
„Hallo?“, rief ich. Keine Antwort. Die anderen schliefen wahrscheinlich schon und bekamen nichts mit. Um die anderen nicht zu wecken, machte ich kein Licht und ging im Dunkeln zu seinem Bett.
„Hallo, alles in Ordnung bei dir?“, fragte ich.
„Nein“, sagte er und schluchzte weiter. „Ich hab Heimweh.“
Ach du scheiße, dachte ich. Hoffentlich geht das jetzt nicht jede Nacht so.
„Ich habe auch keinen Bock auf den Laden hier“, sagte ich dann. „Eigentlich wär ich auch gar nicht hier, weil ich verweigert hab. Ich hab nur zu spät verweigert, deshalb muss ich erstmal hier bleiben, bis sie anerkannt wird, aber in ein paar Wochen bin ich hoffentlich wieder weg. Konntest du nicht verweigern?"
"Wollte ich ja, aber meine Eltern meinten, das hier würde mir gut tun."
"Na ja, sieht nicht danach aus. Aber du kannst auch jetzt noch verweigern. Ich helfe dir gerne dabei."
„Ja gut, ich glaube, das mache ich“, antwortete er dann.
„Gut, dann lasst uns morgen nach Dienstschluss nochmal drüber reden. Versuch jetzt mal zu schlafen, um fünf Uhr wollen die Idioten uns schon wecken.“
Ich legte mich wieder hin, doch er heulte weiter, ich weiß nicht mehr wie lange, irgendwann schlief ich doch ein.

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(03.01.08)
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 Omnahmashivaya meinte dazu am 03.01.08:
Da könnte ich auch noch Geschichten erzählen. Habe viel von den Leuten aus meinem Ort damals gehört und auch Bekannten, Menschen die halt davon erzählt haben. Von Sauftouren, Kommandos und Schweinereien war Alles dabei...

 NormanM. antwortete darauf am 03.01.08:
Vor allem ist bei der bundeswehr nichts normal, das hatte mal ein unteroffizier selbstgesagt. Die nächsten storys folgen bald.
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