Wachhaltedienst vom Amt

Tagebuch zum Thema Erziehung

von  tastifix

Baby baden, Baby wickeln, Baby füttern, mit Baby spazieren gehen (und nach zwei Minuten umkehren, weil die Pampers voll ist!), Baby ein Schlafliedchen vorsummen und nachmittags alles wieder von vorne.

Seit nunmehr dreieinhalb Monaten zog ich pflichtbewusst dieses Programm durch. Auch an diesem Abend sank ich wie jede andere liebende Mutter genauso pflichtbewusst fix und fertig in die Kissen, atmete auf und freute mich auf den erholsamen Schlaf.

Meine Tochter lag wohl verstaut in ihrem Kinderbett und muckste sich nicht. Dies erfüllte mich, aber noch mehr den jungen Herrn Papa mit Stolz. Schließlich war es seeiine Tochter, die da so rücksichtsvoll die Nachtruhe ihrer Eltern respektierte. Allzu viel Ahnung von Frauen hatte er damals wohl noch nicht - zumindest nicht von soo jungen Frauen.

„Na wartet!“, sagte sich der rot-weiß-blaue Strampelanzug. „Von wegen ´schlafen´!“
Dummerweise lagen ja Krabbeln und Klettern noch in weiter Ferne. Trotzdem war sie als Baby nicht wehrlos ausgeliefert, ganz im Gegenteil.
„Brüllen! Damit krieg` ich sie weich!“

Aber unsere Tochter erlebte ein dann recht bald krebsrotes Wunder, Zuerst meldete sie sich mit einem zaghaften Wimmern, das, da erfolglos, sich rasch steigerte und schließlich in eine wahre, mit erstaunlich kräftiger Stimme vorgetragene Opernarie überging.

Sie schrie sich die Seele aus dem Hals. Zu ihrem Pech vergaß sie, dass es sich ja eigentlich jämmerlich anhören sollte. Stattdessen klang es für uns wie eine Schimpftirade wahrlich niedrigsten Gosseniveaus, die ich keinesfalls übersetzen werde.

„Büuh – wähääh- bü!“
So allmählich, nach etwa einer Viertelstunde, bekam ich es mit der Angst zu tun. Leicht angesäuert schielte ich zum Herrn Papa, der sich anscheinend überhaupt keine Sorgen um den Nachwuchs machte.

Deshalb machte ich mir dann doppelt welche.
„Und wenn sie doch was hat ... ?“, wagte ich es anzumerken.
„Sicher hat sie was ...“, kam die so nette Antwort. „Wut!“
Damit schien für ihn das Thema erledigt.

Ich dagegen wälzte mich von einer Seite zur anderen. Die Sirene aus dem Kinderzimmer bewies eine irre Ausdauer, kreischte wie verrückt und das praktisch ohne Pause.

„Ich halt das mehr lange aus!“, wimmerte ich zum Nebenbett, dessen Inhalt jedoch davon ungerührt blieb.
„Büüh-Kreisch hoch Zwei-bühühüüüh!“

Endlich tat sich etwas an meiner Seite. Dem männlichen Wesen da neben mir war es wohl klar geworden, dass, wenn es sein Eheweib nicht beruhigen würde, es um seine Ruhe geschehen wäre.
„Du, der fehlt wirklich nichts. Die ist nur schwer sauer!“

Ja, er hatte eindeutig Recht und ich kam mir ziemlich blöd vor. Abertrotzdem überflog ich in Gedanken nochmals im Zeitraffertempo sämtliche Artikel einer bestimmten, sehr bekannten Mama- und Papa-Zeitschrift.

Dort entdeckte ich einen mir dann sehr unangenehmen Hinweis:
´Baby macht stets alles richtig. Die Bösen sind die uneinsichtigen Eltern.`

Mein Gewissen pochte gegen die Schläfen.
„Oh je. Welch` massiven Fehler habe ich nur begangen, dass dieses winzige, ach so hilflose, arme Etwas dermaßen schreit ... ?“
In meinem Gedächtnis herrschte diesbezüglich - vielleicht vorsorglich - eine Riesenerinnerungslücke. Ich war ihm dafür äußerst dankbar.

Ich beschloss Buße zu tun - für was auch immer. Gespielt tapfer zog ich mir die Bettdecke über die Ohren:
„Die hat nix, sondern ist einfach frech!“
Ob mein Mann wenigstens mit bekam, wie vernünftig ich plötzlich war? Ich fühlte mich beinahe wie eine Heldin und deshalb ein wenig stärker.

So unter dem Deckenwust klang das Ganze schon weit weniger bedrohlich. Aber es verklang nicht! Darum war es mit meinem notdürftig disziplinierten Verhalten denn auch binnen einer Sekunde vorbei.
„Mir doch egal, was dieses komische M-P/B-Pseudoerziehungsblatt behauptet! Mir reicht`s jetzt!“

„Alsoo“, eröffnete ich dem jungen Papa. „Ich hol sie rüber, basta!“
„Wirst` schon sehen, was du davon hast!“
„Richtig!“, versetzte ich ironisch.

Mein Mutterherz frohlockte. Ein ganzes Felsmassiv plumpste mir vom Herzen. Ich schwebte geradezu ins Kinderzimmer, hob meine Tochter auf den Arm und trocknete die Tränen jenes gequälten Etwas mit dem Ärmel meines Nachtgewandes.
„Ach, die süßen Augen, die niedlichen Fingerchen!“, seufzte ich selig.
Es gäbe nichts, was uns heute Nacht noch zu trennen vermochte.

Der Blick des jungen Papas junge Papa zu mir, dann zu dem nur noch leise schniefenden Paket auf meinem Arm sprach Bände. Trotzdem verkniff er sich offentsichtlich eine nicht ganz so liebevolle Bemerkung, brummelte nur etwas Undefinierbares in seine Decke und bettete resignierend sein müdes Haupt aufs Kopfkissen.
„Siehste, sie ist still!“
Ich triumphierte.
Da platzte er denn doch:
„Hat ja auch erreicht, was sie wollte!!“

Zärtlich betrachtete ich den Winzling da neben mir.
„Guck` doch mal. Sie lacht!“
„Ohehm!“, knurrte mein Mann, konnte es aber nicht lassen, klammheimlich, wie er es wohl glaubte, zum Töchterchen zu schielen. Sein Möchtegern-Erzieher-Herz schmolz dahin wie die Butter in der Sonne. Damit ich es ja nicht merken sollte, rollte er sich fix zur anderen Wand und schlief ein.

Meine Tochter und ich schlummerten dicht aneinander geschmiegt friedlich bis zum nächsten Morgen durch.

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