das geteilte leid

Gedicht zum Thema Beziehung

von  ManMan

wenn die schwarze nacht die gestirne verschluckt
wenn in bangkok die bettler
ihr mühsames tagwerk beenden
wenn am roten platz die reinigungskolonnen
das umfeld des wächsernen lenin
vom staub der lebenden säubern
wenn die wirtin  des kleinen cafes
am place de la republique in perpignon
ihren dicken faulen langweiligen mannn
zum abendessen nach unten holt
wenn die wächter von biblis
ihren nächtlichen rundgang beginnen
wenn in manhattan der verschlafene polizist
die meldung vom dritten totschlag des tages entgegennimmt

an manchen dieser abende
habe ich probleme
mit meinem platz in dieser welt

schon seit jahren
ich gebe es zu
sogar seit jahrzehnten
wenn ich ehrlich bin

oft gab ich mir selber die schuld
öfter den pfeffersäcken
in ihrer zeitlos ehrbaren tunika die
mit feisten ärschen in vornehmen sesseln
niederträchtige pläne ersinnen
gegen das organisieren der wut

oft weine ich auch
bei der erinnerung an
die erste große liebe und an
die ersten großen kämpfe und an
die vielen letzten worte

all das ist menschlich
weiß ich inzwischen
auch wenn ich mich noch immer
wundere

manchmal zweifle ich ob
sich die zeiten wirklich geändert ob
der wind nicht
genauso kalt ob
nicht wir kleinen
ebenso klein wie
vor vielen jahrzehnten sind

eines jedenfalls hat sich für mich
seit einiger zeit
zum guten verändert:

an solchen abenden wenn
die gestirne am himmel verschluckt
von der schwarzen nacht

mit all den auswirkungen für
die wirtin in perpignon und
den polizisten in manhattan und
für mich der ich bisweilen
im leid zu ertrinken drohe

an solchen abenden also
streife ich nicht länger
ziellos durch die finsteren straßen
stelle nicht länger
frierend den mantelkragn hoch

sondern rufe dich an oder
komme gleich zu dir
um ein wenig leichter zu werden und

weil du mir noch niemals
die türe gewiesen sondern
mit mir gebadet hast in unserem leid

verdient es diese änderung
an dieser gebührenden stelle
vermerkt zu werden


Anmerkung von ManMan:

ein gedicht aus den achtzigern

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