ein paar psychologische Gedanken

Erörterung zum Thema Psychologische Phänomene

von  Ephemere

Nicht zuviel Psychologie auf Andere gerichtet!
Man kann sich selbst recht gründlich analysieren, ohne die Lust an sich zu verlieren, weil man immer noch seine primäre Selbsterfahrung hat - die Integrität und die (Lust)gefühle seines Körpers (auch wenn ich verstehe, warum genau ich erregt bin, bin ich doch immer noch erregt). Andere Menschen müssen wir billiger Weise etwas verklären, um nicht die Lust an ihnen zu verlieren, weil uns nicht ihre primäre Erfahrung, sondern nur unsere sekundäre von ihnen zugänglich ist. Wir können daher nur unsere Lust an ihnen haben, insofern sie uns interessant, speziell, durchaus subjektiv bleiben!

Überheblichkeit im Exil (I)
Die Geringschätzung, mitunter gar Verachtung, mit der herausragende Menschen auf das “kleine Glück” der “Mittelmäßigen” (das “normale Leben”) blicken, ist eine Arroganz, die aus der Betroffenheit darüber geboren ist, dass einem ebendieses Glück mit seinen kleinen Reichtümern nie zugänglich sein wird, weil man sich darin nicht einzurichten vermag. Also trägt man seinen Mantel aus Stolz, Erhabenheit und Herablassung, um sich das Exil zu versüßen und seinen eigenen Weg größer, wichtiger, weiser erscheinen zu lassen. Damit halten es die “Mittelmäßigen” im übrigen nicht anders, indem sie die Herausragenden als Vermessene brandmarken oder als Irrläufer bemitleiden.

Überheblichkeit im Exil (II)
Der Vertriebene muss mit Ironie und Geringschätzung auf sein Vaterland blicken, um das Exil zu überstehen.

Psychologie des Hasses als Machtfrage
Hass ist ein Metagefühl, bedingt durch die kognitive Evaluation unserer Affektionen. Unmittelbar empfinden wir lediglich ein Gefühl der Schädigung. Als Abwehrreaktion darauf entsteht ein Energiepotenzial, das wir Ärger oder Zorn nennen und das uns nun nach dem Schädiger fragen lässt. Erkennen wir als solchen eine Person und unterstellen wir ihr eine Absicht, bündelt sich das Potenzial und drängt uns zur Handlung. Welcher Art aber die Handlung und die damit verbundene Emotion ist, hängt entscheidend von unseren Handlungsoptionen und (damit weitgehend kontingent) der Machtverteilung zwischen uns und unserem Schädiger ab.
Haben wir den Schädiger unter uns, entlädt sich der Zorn in Verachtung, Verspottung. Uns steht zur Wahl, ob wir bestrafen oder (was mitunter böser sein kann) ostentativ Milde walten lassen.
Ist uns der Schädiger ebenbürtig, wird sich der Zorn in Aggression, Kräftemessen, Satisfaktion äußern - wir müssen eine Entschuldigung einfordern oder kämpfen, um nicht erniedrigt zu werden.
Ist uns der Schädiger jedoch überlegen, bleibt uns keine Handlungsoption offen. Kampf und Strafe sind unmöglich und selbst die Entschuldigung bliebe doch Gnade. Erst hier hassen wir. Man hasst zuletzt nicht den Schädiger, sondern seine eigene Machtlosigkeit. Ist diese Machtlosigkeit fremdverschuldet (z.B. systemimmanent), mildert das das brennende Gefühl ab, indem es sanft im Fatalismus versinkt oder sich in der Rebellion entladen kann. Ist sie jedoch uns selbst zuzuschreiben, gestehen wir uns dies entweder nicht ein und hassen den Anderen umso mehr (die gesündere, wenn auch unredlichere Reaktion) - oder wir wenden die Klinge zuletzt gegen uns selbst.

Scham als Autonomieverlust
Scham ist kein Grundgefühl - Kinder kennen sie nicht. Sie ist vielmehr das Gefühl desjenigen, der die sozialen Logiken kennt und weiß, dass es sich mit einer Handlung Blöße gegeben hat - also sich für Andere verletzlich gemacht hat, und (das unterscheidet Scham von Peinlichkeit) dabei etwas über sich selbst offenbart hat, das über die Situation hinaus geht. Man schämt sich über diesen unfreiwilligen und doch selbstverschuldeten Verlust von Autonomie! Scham ist damit die introvertierte und mildere Variante des Hasses.

Pathos
Je leerer das Leben, desto stärker die Flucht in den Pathos - die große Geste, die künstlich aufgebauschte Emotion, die falsche Erhabenheit ist nichts als ein Anschreien gegen das Nichts.


Anmerkung von Ephemere:

Skizzen für ein nie vollendetes Buch

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