Maladie

Gedicht zum Thema Bewusstsein

von  Isaban

Du zeichnest mich wie eine Unfallwunde,
gleich auf dem Torso, an der linken Brust,
da wo die Unrast pulst und Lust und Frust.
Die Kruste juckt mich jede stille Stunde.

Mir fehlt mein Kopf, denn das diffuse Runde,
das diesen Platz jetzt eingenommen hat,
verwirrt; nie fiebert sich das Wollen satt.
Ich bin frisch amputiert. Ob ich gesunde,

ob alles heilt, was mir zur Zeit gebricht,
ob ich mein Ehedem je wiederfinde,
ob ich dich eines Tages überwinde -
wer weiß das schon? Ich weiß: Ich will es nicht.

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Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (19.05.08)
In der Sparte der Trennungsgedichte ein absolut herausragendes. Handwerklich und ästhetisch sehr gelungen, nicht übertrieben geschnitzt, im Gegenteil - die Binnenreime und -Lautungen sind stimmig gesetzt. Der Schluss wohlpointiert. Ich applaudiere!

 styraxx (19.05.08)
Das ist mehr als nur eine Maladie, - das LI kränkelt nicht nur sondern fühlt sich wie amputiert. Der Torso (Strunk, Stumpf) pulst bzw. die Unrast und doch ist man geneigt dieses Pulsen direkt auf Stumpf zu übertragen, dessen Kruste juckt, was auch ein Hinweis auf baldiges genesen sein könnte. Das LI weiss nicht wo der Kopf ihm steht, er ist weg und etwas difusses Rundes hat seinen Platz eingenommen.
Das über beide Ohren verliebte LI wurde hier seelisch amputiert und will sich mit dem Abschied partout nicht abfinden, was im letzten Vers zum Ausdruck kommt. In Bezug auf die Bilder der Unfallwunde, Amputation, Torso usw. schwingt in der Überschrift sogar eine leise Ironie mit, denn für das LI ist dieser Abschied mehr als nur eine Krankheit, sondern ein Verlust, wie mir scheint. Ich mag das Gedicht, auch wenn es vermutlich für den einen oder anderen Leser etwas makaber rüber kommt.

Liebe Grüsse c.
(Kommentar korrigiert am 19.05.2008)

 Traumreisende (19.05.08)
liebe sabine,
an einem bild gleich zu anbeginn stolpere ich, ich sah das LI auf den Torso gemalt, aber dann juckt dich selbst dieses Krustem so als wäre da LI der torso... kannst du mir da weiterhelfen??

was mir besonders gefällt, ist das ende, dieses zudem was in solchen phasen geschieht zu stehen, und dieses bleibt auch ach verklingen der zeilen.

dir liebe grüße silvi

 AZU20 (19.05.08)
Stimmig und stimmungsvoll von vorn bis hinten. Sehr gut. LG

 Didi.Costaire (19.05.08)
Was auf den ersten Blick brutal klingt - Unfallwunde, fehlender Kopf, Amputation - wird in diesem Fall zu einem Aufbruch in neue, gemeinsame Zeiten.
Nie fiebert sich das Wollen satt... warum sollte man davon auch geheilt werden wollen, in die Vergangenheit zurückkehren und die heißen Gefühle aufgeben?
Nein, an Trennung denkt das LyrI nicht.
Ich auch nicht.
Liebe Grüße
Dirk

 Mondgold (19.05.08)
Ich will es nicht?! Wer will schon so verharren? (Die Kiste ?)
Sehr starke Worte, perfekt ins Bild gesetzt!
Fast wie Atem anhalten.
LG Mondgold
Caterina (46)
(19.05.08)
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 Momo (20.05.08)
Mir scheinen deine Zeilen eher eine auf diffuse Weise ganz machende Verliebtheit zu zeichnen, die die Klarheit des Bewußtseins trübt und ganz und gar kopflos machen kann. Das ursprüngliche Ich formt sich in der Liebe neu zu einem diffusen Runden. Und obwohl dieser Zustand wie eine Krankheit empfunden wird, ist er durchaus gewollt.
Ein sehr gelungenes Gedicht über die bewußtseinsverändernde Wirkung der Liebe.
Liebe Grüße
Momo

 Anyango (22.05.08)
Sehr starke Bilder und sehr "rund". Gefällt mir gut! Schöne Grüße, Anyango
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