Wie ich Dänemark entdeckte

Bericht zum Thema Reisen

von  tueichler

Musste ich also Ende September dienstlich nach Dänemark. Naja, eigentlich entdeckte nicht ich Dänemark. Die Dänen entdeckten ein großes Stück der bekannten Welt. Die waren  beispielsweise (vermutlich auch dienstlich) an der Wolga, in der Türkei, in England, Wales, Irland und Schottland. Oft sind sie gleich da geblieben, haben sogar Dynastien gegründet. Warum sind die Dänen nicht daheim geblieben? O.k. Reisen bildet!
Jetzt bin ich fast vom Thema abgekommen. Also, ich hab Dänemark nicht entdeckt. Die sind sogar schon Mitglied in der EU. Allerdings mit eigener Währung. 15 Kronen sind ca. 2 Euro wert.
Da ich Kronen brauchte, ging ich im Hotel an die Rezeption, um mich nach einem Geldautomaten zu erkundigen.
Mir schwante nichts Gutes, denn ich bewohnte eine 130 Euro Suite ohne Kühlschrank, Wasser, Gläser, Snacks, aber mit 1a Spritzbeton-fußboden im Bad und pflegeleichten Latex-Wänden, an denen sich Drucke und ein Fernseher mit ausschließlich dänischen und englischen Programmen befindet.
Die Dame ohne Gruß verrät mir widerwillig, dass sie einige Brocken Englisch spricht. Als ich daraufhin frage, wo sich denn in der Nähe ein Geldautomat befindet, bekomme ich zur Antwort, die Banken wären jetzt zu. Frag’ ich also noch mal. Ach ja, ein Geldautomat. Der befindet sich im Einkaufszentrum. Und wo ist das? Da drüben! Wo da drüben, ich seh’ nix. Na über die Straße…. Also, ich dann mal los. Was ich nicht wusste, das Einkaufszentrum schließt um 18:00 Uhr und es war viertel vor sechs. Geh ich also rein und such’ den blöden Automaten. Und wer sagt’s – natürlich ist da weder ein Automat, noch irgendjemand, den ich hätte fragen können. Nur ein Supermarkt hatte noch auf und dort konnte ich sogar mit Karte bezahlen. Der Kassierer war ein richtiger alter Schwafelsack. Ich geh so zur Kasse und frag ‚Excuse me Sir, which of these cards do you accept?’ und zeige dem mein Plastikfach im Portemonnaies. Und da fing der an zu quatschen, dass es eine Lust war – ‚All’.
Ich hab mal lieber nicht probiert mit der Rabattkarte von meinem Baumarkt zu zahlen, obwohl es damit ja bisher immer 3 Prozent Nachlass gab. Aber ich greife schon wieder vor. Bevor ich bezahle, wollte ich die üblicherweise in einer Minibar befindlichen Dinge einkaufen. Wasser und Bier.
Nun muss ich kurz ausholen. Wir waren eben aus Schottland zurückgekommen, wo es nicht eben billig ist. Da kosten 0,6 Liter Bier 1 Euro 40 im Supermarkt. Aber hier sollte der Bierpreis bei 15 Kronen für 0,5 Liter losgehen. Es gab aber auch Bier für  60 Kronen …

Gut, das Problem mit den Getränken war dann erledigt. Ich konnte, da meine Mastercard natürlich nicht ging, dann mit meiner EC Karte bezahlen. Gegen 19:00 Uhr war ich zurück im Hotel. O.k. dachte ich, gehst auf Dein Zimmer und machst Email, danach was Essen und vielleicht noch ein Drink an der Hotelbar.
Es machte mich wundern, als ich vor dem hoteleigenen Restaurant die Karte öffnete und alles nur in Dänisch drin stand. Dann sollte das Hotel nicht in der Kategorie Business Hotel sondern Handel Agenten Husset stehen. Es ist  relativ einfach Dänisch zu lesen. Schwieriger ist es allerdings, das auch zu verstehen!
Ich stand also an der Karte. Aus dem Restaurant kommen zuerst Stimmen und dann ein Kellner. Ohne lange Einleitung spricht er mich auf Englisch an: ‚I am sorry Sir, the restaurant is closed and otherwise you’d anyway be the last guest.’ Was auch immer das bedeuten sollte. Jedenfalls bekam ich um 20:00 Uhr im Business Hotel im Restaurant nichts mehr zum Abendbrot. Ich kam nun auf die überaus nahrhafte Idee, den Kellner des einen Restaurants nach einem anderen Restaurant zu fragen. ‚Over there’. Also der gleiche Dialog wie bei der Frau ohne Gruß. Schlussendlich bekam ich dann aber doch raus, dass etwa 1000 Meter von meinem Standort, gerade die Straße hoch, eine Fußgängerzone mit etlichen Kneipen sein sollte. Mit ordentlich Hunger lief ich los. Nicht, dass ich von Vorurteilen zerfressen gewesen wäre, ich war einfach gespannt. Nachdem ich an einigen Geldautomaten vorbeimarschiert bin, von denen ich dann einen gemolken habe, erreichte ich die Fußgängerzone. Kneipen ohne Ende. Entweder leer oder geschlossen. Etliche Chinesen und Japaner – alle zu, zumindest deren Restaurants. Pizzabuden gab es reichlich, jedoch wollte ich mir was Richtiges gönnen. Es leuchtete mir in geringer Entfernung eine große Kneipe mit den freundlichen Worten entgegen „Jensen’s Bofhusset“.
Boofen, dachte ich mir, war früher in der Sächsischen Schweiz schon immer romantisch. Aus einiger Entfernung sah ich Teelichter auf den Tischen stehen. Der sanfte Schein ließ die auf den Tischen drappierten Weinflaschen purpurrot schimmern. Mein Hunger tobte und ich wär’ in Jensens eigene Stammkneipe gegangen, wenn’s da was zu Essen gegeben hätte. Tür zu. In der ganzen Kneipe war nichts. Kein Gast, kein Kellner, nicht mal zwei Mäuse, die einsam auf dem Parkettboden Tango tanzen. Weiter geht’s. Hin und wieder frage ich, es war mittlerweile gegen halb neun, ob es irgendwo noch etwas zum Abendessen gäbe. Meine letzte Frage richtete ich an die Bedienung eines Irish Pubs. ‚Hää?’ Ach so, sprechen Sie Englisch? ‚Little.’ Food?’ ‚Marco Polo.’
Da fiel mir wieder ein, dass die Dänen in Irland waren. Sie haben sogar Dublin gegründet. Und schon hatte ich die Erklärung, dass wir Mitteleuropäer allesamt auf dem falschen Dampfer sind. Die Iren sprechen eigentlich kein Englisch! Nein, Dänisch! Also, Reisen bildet.
Kurz und gut, oder eher eigentlich nicht, ich aß bei einem Italiener in der Nähe ein Saltimbocca alla Romana und eine Tomatensuppe. Der Laden war voll! Ich wusste nicht, dass man Tomatensuppe noch schlechter als aus der Dose zubereiten kann. Ebenso hatte ich keine Ahnung, wie man ein simples Saltimbocca so verderben kann. Der Koch hat in der Soße, die nach Dose schmeckte, wohl den ganzen Tag Basilikum mit gekocht. Geschmeckt hat es danach nicht mehr, aber weiche und zusammengerollte schlabberige Basilikumblätter versteckten sich darin und ähnelten von der Konsistenz dem Inhalt alter Glückskekse beim Chinesen.
Aufgegessen habe ich nicht, bezahlen musste ich schon. Kostenpunkt: 268 Kronen für das Essen und ein Bier. Das sind über 30 Euro. Da kann ich in Schottland mehrfach lecker Fish’n Chips essen. Ach ja, Schottland, England und Wales. Die haben das schlechte Essen wohl doch nicht erfunden. Vielmehr haben es die Dänen damals mitgebracht.
Zum Abschluss also in die Hotelbar. Pustekuchen. Die Bar war zwar offen, aber kein Bier am Hahn, kein Barkeeper, keine Flaschen auf den Regalen – wie zu DDR-Zeiten im FDGB Heim. In der Ecke stand verschämt ein Getränkeautomat und warb mit bläulichem Werbelicht um die Aufmerksamkeit eines globalisierten Weltbürgers.

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Kommentare zu diesem Text


 Cassandra (27.06.08)
Sooo schlimm? Nichtsdestotrotz - meine Neugierde ist geweckt. Alleine das Völkchen ist wohl schon einen Besuch wert. Noch schrulliger als die Deutschen???

LG
Cassandra

 tueichler meinte dazu am 27.06.08:
Keine Frag, Dänemark kann bestimmt auch schön sein. Aber wie man so sagt, der erste Eindruck - und den hatte ich nun mal von Herning. Das ist der geographische Mittelpunkt von Jüttland. Da ist rundrum Nato und das Land der drei Meere. Sandmeer, Kiefernmeer, Nichtsmehr. Vielleicht sind die Leute dort einfach ein wenig, naja, anders ?
(Antwort korrigiert am 27.06.2008)
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