Ginger und Fred

Erzählung zum Thema Menschen

von  Maya_Gähler

Nennen wir sie Ginger und Fred. Ob sie allerdings so gut tanzen können wie diese Beiden, das entzieht sich meiner Kenntnis.
Als diese Zwei in ein Mehrfamilienhaus zogen, war die Welt noch weitgehend in Ordnung, jedenfalls schien es so. Schon nach kurzer Zeit erwies sich, dass Ginger und Fred gerne aneckten. Es war immer sehr laut und es roch ganz seltsam. Immer mehr Unmut machte sich bei den übrigen Mietern breit. Schon bald suchte man das Gespräch mit dem Pärchen. Leider erwies sich dies wenig konstruktiv. Denn es änderte sich nicht. Oder halt, doch. Es änderte sich einiges. Noch lauter wurde es. Geräusche, die nicht in fremde Ohren gehörten, waren immer wieder Diskussionspunkt. Wäre es bei diesen Geräuschen geblieben, es wäre wohl irgendwann nicht mehr so störend, weil man es ja irgendwie versucht hätte auszublenden. Oder sich die Ohren dran gewöhnt hätten.
Leider gab es auch immer öfter Geräusche, die darauf schließen ließen, dass sie nicht einem erfreulichen Tun entsprangen. Stundenlanger Streit, ob bei Tag oder in der Nacht. Türen knallten, dass man im Bett stand. Wieder sprach man die Beiden darauf an. Sie suchten sofort Streit mit der übrigen Nachbarschaft.

Die Verwaltung des Mietshauses wurde eingeschaltet. Daraufhin begannen Ginger und Fred die Nachbarn zu tyrannisieren. Sie dachten sich fiese Dinge aus und suchten wo sie nur konnten Streit. Kaum noch ein Kind traute sich an der Tür des Terrorteams vorbeizugehen. Apropos Kind, sie haben auch eines. Ein Baby. Außerdem hatten sie mal noch zwei Hundebabies. Kampfhunde. Gut ok, diese waren nicht sehr lange im Besitz der Beiden. Denn als die Hunde, sie waren da keine Babies mehr, mal, in Abwesenheit von Ginger und Fred, die Wohnung auseinander nahmen, stundenlang bellten und immer wütender wurden, griff schlussendlich die Polizei ein.

Es wurde eine Katze angeschafft. diese wurde im Balkon gehalten und es stank immer mehr. Denn eine Katzenkiste sollte doch ab und zu geleert werden. Leider war dies dort selten bis nie der Fall. So kam zur Geruchsbelästigung, durch Rauchen von alten Matratzen, noch der Gestank des Katzenklos hinzu. Besonders erfreulich, wenn man selbst im eigenen Balkon sitzen oder das Küchenfenster öffnen will.
Nun, die Katze war auch nicht so lange Gast im Block Nr. 27. Von einem Tag auf den anderen war sie weg. Keiner weiß wieso.

Aber irgendwie scheinen die Beiden nicht ohne Tiere sein zu können. Ein junger Schäferhund zog ein.
Laut Mietvertrag und in der Hausordnung sind Hunde generell verboten. Wieso sich an irgendwelche Vorschriften halten?
Der Balkon war wieder ein Ort des Grauens. Statt mit dem Hund raus zu gehen, öffnete man die Balkontüre. Ist doch viel einfacher. Einen Blick aus meinem Küchenfenster erlaubte ich mir kaum noch.

Habe ich schon erwähnt, dass die Zwei eine Kündigung des Mietverhältnisses bekamen, weil sie sich an nichts hielten, nur Lärm und Ärger machten? Nein? Nun gut, jetzt wissen Sie es.
Mittlerweile war es kaum noch auszuhalten in der eigenen Wohnung, Gestank und Lärm waren einfach ein unzumutbarer Zustand. An Schlaf in der Nacht war auch kaum noch zu denken, geschweige denn einmal ein wenig Ruhe tagsüber.
Die Polizei ging mit der Zeit dort ein und aus. Aber ansonsten passierte nix. Einfach nix.

Als eines Tages ein Streit zu eskalieren drohte, wurde wieder die Polizei aufgeboten. Daraufhin tat sich einiges. Es wurde ruhiger. Verdächtig ruhig. Ginger und Fred grüssten freundlich, jedenfalls so ab und zu mal, wenn sie gerade dran dachten. Aber nur die Kinder, nicht die Erwachsenen. Egal, es war ein positives Zeichen.

Doch es passierte wieder etwas Seltsames. Ich war gerade dabei meine Zeitung zu lesen. Da klingelte es. Eine andere Mieterin hatte unten an der Haupteingangstüre geläutet. Sie bat mich via Sprechanlage ins Treppenhaus zu kommen. Ganz verängstigt stand sie und mit ihrem kleinen Sohn dort unten, ich sah vom dritten Stock hinunter. Sie sagte, sie könne nicht in ihre Wohnung
(sie wohnt im vierten Stock und einen Lift gibt es nicht). Ich fragte wieso. Sie rief immer nur: "Hund. Hund." Sie fuchtelte wie wild mit den Armen, bis ich begriff, ich solle mal einen Blick in den zweiten Stock werfen (ihr Deutsch ist noch nicht  so gut, aber sie arbeitet dran). Was ich da sah, verschlug mir für einen Moment den Atem. Da war der Schäferhund, der ja schon lange kein Baby mehr ist, am Treppengeländer angebunden und lag vor der Haustüre. Was sollte das denn? 

Ich wusste vom Vermieter, dass die polizeiliche Räumung anstünde von der Wohnung des besagten Pärchens.
Aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Auf der einen Seite habe ich keine Angst vor Hunden, aber vor der Unzulänglichkeit ihrer Besitzer. Ich wusste ja nicht, welches Kommando der Hund hatte.

Unser Schäferhund damals war von der Polizeischule und war auf das Genick und auf den Hals abgerichtet. Er ließ jeden rein, spielte, war freundlich, aber wenn jemand raus wollte, kannte er keine Gnade. Wir brauchten ihn als Wachhund für eine Gaststätte.

Wie gesagt, ich hatte keine Ahnung was passieren würde, wenn ich runter zu dem Hund gehen würde. Lory war der Name, das wusste ich. Sie winselte und war sicher traurig, dass sie vor der Tür liegen musste. Aber eben, was passiert, wenn ich zu ihr gehe?

Meine Tochter schob Panik und die Nachbarin rief immer wieder: "Polizei".
Ich fragte sie, ob sie schon geklingelt hätte bei den Besitzern. Sie sagte, dass sie es ganz oft probiert hätte. Keine Reaktion.
So rief ich die Polizei an, schilderte den Fall und fragte, was man tun könne. Es hieß man würde eine Streife vorbei schicken. Unterdessen rief ich noch auf der Verwaltung an und schilderte auch dort den Vorfall.

Die Polizei war sehr schnell vor Ort und genauso ratlos wie wir. Der Polizist hatte auch keine Lust gebissen zu werden. Ich sagte, dass ich den Hund noch niemals böse erlebt hätte, aber dass er öfter nicht sehr freundlich behandelt werden würde von seinen Besitzern.

Ein Nachbar kam nach Hause. Die Polizei wollte ihn aufhalten. Dieser ging einfach weiter und sagte dem Hund in forschem Ton, dass alles gut sei und er einfach liegen bleiben solle. Aber liegen bleiben war nix, er begrüßte den Nachbarn freudig und war sicher froh, dass sich mal jemand kümmerte.
Der Polizist kam daraufhin auch nach oben und klingelte an der Haustüre. Nichts tat sich. Logisch.
Er tätigte ein paar Anrufe. Nahm dann den Hund mit.

Wie es weiter ging?
Keine Ahnung, aber ich bleibe dran.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (19.08.08)
Welch eine unglaubliche Geschichte, staunend gelesen.

LG

 Maya_Gähler meinte dazu am 20.08.08:
Geschichten, die das Leben schreibt haben oft den Effekt, dass man sie kaum glauben kann/mag.
Grüessli,
Gudrun
chichi† (80)
(19.08.08)
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 Maya_Gähler antwortete darauf am 20.08.08:
Wenn dir mal gar langweilig wird, dann melde dich ruhig, liebe Gerda.
Dann können wir mal 1-2 Tage tauschen, du wirst dich nach deiner Ruhe sehnen :o)
Grüessli,
Gudrun
steyk. (55)
(23.08.08)
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 Maya_Gähler schrieb daraufhin am 23.08.08:
jep, Stefan... so isset... :o)
Danke fürs Lesen und fürs Sternchen.
Grüessli,
Gudrun
JowennaHolunder (59)
(26.08.08)
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 Maya_Gähler äußerte darauf am 28.08.08:
Ja, das kann ich dir nach empfinden. Ich werde auch immer angeguckt so nach dem Motto: *Die übertreibt doch sicher total*.
Dabei ist diese Schilderung hier noch die gemilderte Form.
Man muss es einfach miterlebt haben.
Ab und zu bekomme ich ja Besuch und wenn dann was vorfällt, sagt der Besuch auch: *Boah, das ist ja heftig, was da abgeht*.
Herzlichen Dank für den ausführlichen und verstehenden Kommentar, sowie das Sternchen.
Liebe Grüsse,
Maya
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