Ich, Knautschi, wurde befördert

Kurzgeschichte zum Thema Humor

von  tastifix

Hoffentlich seid Ihr nicht längst sauer, weil ich mich dermaßen lange nicht gemeldet habe. Aber nicht an jedem Tag oder in jeder Woche oder in jedem Monat ist etwas Besonderes los.

Eigentlich herrschte hier bereits seit langem toter Kofferraum. Die meisten Stunden des Tages verschlief ich in meiner Garage oder sogar in irgendeiner Parklücke. Frauchens Ausflüge mit mir beschränkten sich auf die üblichen, Öl-verlier-langweiligen-Einkaufsfahrten. Na ja, an den Wochenenden durfte ich sie ab und an zum Rhein kutschieren, aber den kenne ich mittlerweile auch schon aus dem Effeff, brummel.

Der gestrige Tag jedoch wurde zum absoluten Highlight meines Autolebens. Frühmorgens schrak ich aus einem echt tollen Flirt-Traum auf, weil Frauchens Schlüssel unüberhörbar im Garagentorschloss rumorte.
´Tuut, immer dann, wenn es gerade spannend wird!`
„Knautschi, heute ist dein Tag.“
„Wieso? Geht`s mal wieder zum Rhein?“, gähnte ich.
Irgendwie guckte Frauchen so geheimnisvoll. Komisch. Draußen schien die Sonne. Eine kurze Zeit später erreichten wir den Fluss.
„Was ist denn hier los?“
Der große Parkplatz vor der Anlegestelle der Fähre war brechend voll. Dort standen meine vierrädrigen Monheimer, Langenfelder und Düsseldorfer Kumpels Schnauze an Schnauze und flüsterten aufgeregt miteinander.
„Gleich ist es soweit! Tuut, wie ich Knautschi beneide!!“
„Huup, hat der ein Glück!“

Frauchen stellte mich an der Parkplatzeinfahrt ab, so dass mich alle sehen können sollten. Sie stieg aus, stellte sich vor die Anderen hin, drehte sich zu mir und hielt doch tatsächlich eine richtige Rede:
„Knautschi, während der langen Zeit, die wir beide jetzt zusammen verbracht haben, bist du ein prima Kamerad gewesen. Nie hast du dich beschwert, wenn es mal auf große Urlaubsfahrt ging, obwohl ich dir einiges zugemutet habe wie steinige Rumpelstraßen und verflixt enge Serpentinen, hast dich nie in Unfälle verwickeln lassen und mir sowie genauso deinem Blechkleid zuliebe sogar den attraktivsten Automädchen widerstanden.“

Ein Raunen ging durch die vierrädrige Menge. Ein paar Porschemädchen klimperten wie verrückt mit ihren Scheinwerferaugen.
´Ist bestimmt deren letzter Versuch, mich doch noch vom rechten Wege abzubringen! – Nicht mit mir!`
Ich tat so, als ob ich es gar nicht bemerken würde.

„So“, fuhr Frauchen fort. „Du hast dir wirklich eine Beförderung verdient. Sieh mal, Knautschi, all deine Freunde sind gekommen, um mir dir zu feiern!“
Sie streichelte liebevoll meine Motorhaube. Tuut, das ging runter wie Butter!
„Kneif mal ´nen Moment deine Scheinwerfer zu!"
Verwirrt gehorchte ich.
„Kannst gucken!“, forderte sie mich dann kurz darauf auf.
Zögernd blinzelte ich in die Runde. Irgendwie fühlte ich mich so anders, so beschwingt.
„Sieh` mal ins Wasser!“
Vorbei an den Anderen, die mich mit weit aufgerissenen Scheinwerfern anstarrten und denen zum Teil sogar die Kühlerhauben offen standen, rollte ich vorsichtig ans Wasser und lugte hinein.

Im nächsten Moment war ich dermaßen platt, dass ich fast aus Versehen meine Bremse gelöst und ins kalte Nass geplumpst wäre.
´Gut nur, dass Frauchen die festhält!`
Aus dem Wasser sah mir mein Konterfei entgegen, aber so hatte ich es eigentlich nicht in Erinnerung. Immer noch trug ich mein schickes orangefarbenes Kleid, auch meine Scheibenwischer, die Fenster und die Räder waren dieselben geblieben. Aus den Seiten meines Daches jedoch wuchsen mir riesige, blauweiße Flügel wie die eines Flugzeuges und auf denen saßen ...

Der Anblick raubte mir fast meinen kühlen Verstand. Dort hockte doch wirklich eine Gruppe gefiederter Island-Auswanderer. Es waren sechs der von Frauchen so sehr geliebten Papageientaucher, die mir nun laut entgegen piepten:
„ Hurra, Knautschi, hurra!“

Sämtliche Autos hupten um die Wette, ließen ihre Wischer über ihre Windschutzscheiben quietschen, klapperten mit den Kühler- und auch Kofferraumhauben und veranstalteten ein die Menschenohren betäubendes Motorengeheulkonzert. Vor Rührung entfuhr mir kein einziges ´Brumm` mehr.

„Knautschi, hiermit ernenne ich dich zum ersten Autoflugzeug der ganzen Welt!“
Und Frauchen gab mir tatsächlich einen lieben Schmatz auf den rechten Flügel. Wenn ich hätte weinen können, wären mir bestimmt große Freudentränen aus den Wischerdüsen gerollt. So aber blitzte ich sie nur strahlend an.

Ich bekam sogar Geschenke. Meine Kumpels überraschten mich mit einem riesigen Kanister Luxusbenzin. Ein besonders süßes Automädchen schenkte mir ein dunkelrotes Herzkissen für meine Rückbank und ein anderes einen winzigen Papageientaucheranhänger für den Schlüssel.
„Und wohin“, fragte ich schelmisch mein Frauchen, „fliegen wir im nächsten Urlaub ... ?“
Sie lachte verschmitzt.

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