Loch am Stiel

Dialog zum Thema Erkenntnis

von  modedroge

MANN: Du bist mein erster Gedanke, wenn ich morgens aufstehe. Und nachmittags. Und nachts.
WEIB: Ich hör dich kaum, vor lauter Gähnen, und seh dich nur verwischt, vor lauter Tränen.
MANN: Leg dich doch für eine Stunde zu mir, damit wir anständig schlafen können.
WEIB: Gern würde ich dieses Kissen auf das Sofa legen und mich selbst obendrauf, aber ich kann es nicht vom Boden aufheben.
MANN: Ich schaff’s auch nicht.
WEIB: Los, zu zweit! Hau-ruck! Sie hieven das Kissen gemeinsam auf das Sofa. So etwas darf man normalerweise niemandem erzählen.
MANN: Richtig. Angesichts der Tatsache, dass wir Vegetarier sind. Wir bauen langsam ab, weil wir keine Zeit mehr haben, uns zu versorgen.
WEIB: Und kein Hartgeld mehr, um Mais und Gurken nachzukaufen.
MANN: Und keine Kraft mehr, uns zum Kühlschrank zu schleppen.
WEIB: Da ist es mir eh zu kalt, ich bleib lieber unter meiner Decke. Ich dachte immer, es lohnt sich nicht, fett zu werden, wir haben ja Zentralheizung. Und jetzt ist es zu spät, um damit anzufangen.
MANN: Geh, setz dich neben den Heizkörper. Der strahlt noch ein wenig.
WEIB: Das schaff ich nicht mehr.
MANN: Über solche Situationen lacht man am besten.
WEIB: Ja natürlich, damit man sein letztes bisschen Energie auch noch verjubelt.
MANN: Ich mach dir einen heißen Kaffee.
WEIB: Mach mir keinen. Das erinnert mich nur an all die Leute, die das Wort 'Kaffee' fallen lassen, wenn sie einen bedrängen. Die können auch nichts, außer Kaffee saufen.
Draußen, vor dem Fenster, hört man das Fauchen einer Katze.
MANN erschrocken: Ich geb dir gleich fauchende Katze, du Miststück!
WEIB: Ständig bietest du Dinge an, die schon im Überfluss vorhanden sind. Mach stattdessen lieber die Glotze aus. Das Einzige, was mich jetzt unterhalten könnte, wäre die Produktion von Seifenblasen.
MANN: Hast du dich schon einmal gefragt, wie das Ding heißt, mit dem man die Seifenblasen macht?
WEIB: Meinst du das Loch am Stiel?
MANN: Ich glaube, es ist eher ein Kringel am Stiel, denn das Loch ist ja als solches erst erkennbar durch seine Umgebung.

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Kommentare zu diesem Text


 Ingmar (08.08.09)
toll.

 modedroge meinte dazu am 08.08.09:
HA! Ein historischer Moment. Jemand hat "Loch am Stiel" gelesen, kommentiert UND empfohlen ;-D...

 Ingmar antwortete darauf am 09.08.09:
gut erkannt.
managarm (57)
(22.08.09)
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 modedroge schrieb daraufhin am 22.08.09:
ich schätze, der rand um das loch herum ist im grunde teil des lochs an sich. und ein ton ist auch ungehört ein geräusch, wenn du mich fragst (ja, ich beantworte auch rhetorische fragen liebend gern, lieber noch als gewöhnliche).
auf so einen dialog kommt man nicht einfach. er ereignet sich täglich mehrfach in dieser und ähnlichen formen. bei mir zu hause. danke für den kommentar.
Wellblecheisenbahn (39)
(26.02.11)
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sol (32)
(27.02.11)
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 modedroge äußerte darauf am 27.02.11:
Dabei bin ich gar nicht von hier. :D
Schönen Dank jedenfalls!

 princess (02.06.11)
Also, ich finde es auch mega wichtig, dass man in Beziehungen sich immer über alles grundehrlich austauschen tut. Weil wie sollte man sonst Erkenntnisse und so erkennen.
Nö?

Loch am Stiel
Genial ist das!

Liebe Grüße, Ira
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