Ein Oldie auf der Zielgeraden (Mein Uralt-Handy -der Freund und Helfer

Satire zum Thema Humor

von  tastifix

Schon seit jeher geht es so: Nach dem Aufstehen morgens streichele ich mein Handy, wünsche ihm mit einem zärtlichen Druck auf ´on` einen guten Morgen, ernte dafür einen leuchtenden Blick aus seinem Displayfenster und wie immer sind wir ein Herz und eine Seele beziehungsweise eher ein Herz/ eine sim-Karte.

Soviel technische Solidarität muss belohnt werden. Mein Handy begleitet mich überall hin und ich verzeihe ihm sogar (ab und zu) sein dauerndes, aufdringliche Bimmeln.
„Bedenke, es hat dich noch nie im Stich gelassen!“, sage ich mir und schenke ihm  - wohl zum tausendsten Male - einen gerührten Blick. „Welcher Mensch würde mir wohl dermaßen zuverlässig die Treue erweisen ... Mein kleiner süßer Freund!“
Daraufhin habe ich sein Klingeln nicht nur mehr ab und an, sondern alle zwei Minuten zu vergeben. Es ist anscheinend seine Art, Dankbarkeit zu beweisen.

Nun ist mein Handy nicht mehr eines der Jüngsten, nein, eher zählt es bereits zu den Oldtimern, was es mir aber besonders wertvoll macht. Ich schwärme für Oldtimer. Es ist  eines von denen, mit denen man tatsächlich noch telefonieren kann, ohne aus Versehen den winzigen Fernsehbildschirm zu aktivieren. Solch einen Schnickschnack besitzt es nämlich nicht und ich bin deswegen sehr erleichtert: ´Frau und Technik`
Oft mache ich mir einen Spaß der besonderen Art und ziehe es ostentativ auffällig aus meiner Handtasche, halte es für jeden sichtbar hoch in der Hand. Schließlich bin ich auf alles gefasst: Von entsetzten Blicken bis blasiert hochnäsigen Mienen hat uns ´Ein Herz/eine sim-karte` schon alles getroffen. Die größte Freude jedoch machen mir die mimischen Mitleidsbezeugungen so einiger Snob-Handy-Besitzer. Ich sehe es ihnen regelrecht an:
´Mein Gott, die Arme!`
´Wilhelminus, haste mal nen Cent über?`
Wilhelminus von und zu Was-weiß-ich möchte der bitte seiner Angetrauten zu gerne Folge leisten. Seine adlige Kinderstube jedoch hält ihn hiervor zurück.

Kur darauf ist es an mir, vor Mitleid zu zerschmelzen. Wilhelminus` Angetraute mit dem wohlklingenden Namen Adelaide wedelt mir - ebenfalls ostentativ - mir mit der ihr eigenen Super-Edelausgabe eines Fernseh-Foto-Handys vor der Nase herum und übt sich im Extra-vornehm-Dreinschauen. Sogar dieses High-Society-Gerätchen beherrscht den Handy-Knigge und bimmelt fordernd. Madame Adelaide zuckt zusammen. Unter Schock stehend findet sie die richtige Taste nicht und tippt irritiert kreuz und quer auf der Tastatur herum:
„Menno, Wilhelminus, so hilf mir doch mal ... !“
Zu spät. Das Handy hat jenen Masseneinsturm von Befehlen nicht ertragen und verabschiedet sich gekränkt ins hilflose Schweigen.

Hochroten Gesichtes vor Scham und mit einem gequälten Lächeln wenden sich die Beiden an mich:
„Entschuldigen Sie? Es geht um einen sehr wichtigen Anruf. Würden Sie uns wohl kurz Ihr Handy leihen ... ?“

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