Mama, wo ist meine Kindheit?

Text zum Thema Alles und Nichts...

von  ZornDerFinsternis

Ich bin ein Idiot. Mehr nicht. Das kannst du dir schönreden und trinken, wie du willst. Am Ende kommt doch nicht mehr dabei rum - das ist nun mal die Wahrheit. Ich weiß, dass die Realität nicht anders aussieht. Du solltest mich hassen, jeder hat das getan, außer meinen Großeltern früher und meinen besten Freunden. Man kann mich nicht gern haben, dazu bin ich zu anders, hässlich und dämlich.Schade, dass sterben nicht so einfach ist, wie ich immer dachte. Leben ist noch 'ne Nummer beschissener. Hass' mich, andere Gefühle habe ich nicht verdient. Wobei ich nicht einmal sicher bin, ob ich Hass verdient habe.
Gedanken sind scheiße, genau wie die alten Bilder, die sich malen, wenn dein Name fällt. Gefühle, ebenso beschissen. Schmerzen und Angst, mehr habe ich nicht. Mehr hast du mir nicht gelassen. Mehr, hat er mir nicht gegeben. Wozu auch? Ich bin verachtenswert und klein - unbedeutend. Habe nie eine größere Rolle in diesem zweitklassigen Film gespielt. Kindheit prägt dich  für deinen weiteren Weg - das kann wohl sein. Erinner' mich an nichts. Als ich sieben war, sagtest du mir, du hättest mich besser abtreiben sollen. Weißt du, was ich all die Jahre glaubte, was du damit hast sagen wollen? Ich habe geglaubt, das würde heißen, du hättest mich gern. Genauso gern, wie ich dich immer versucht habe, dich zu haben, obwohl du nur harte Worte und Hass übrig hattest. Habe immer die Fehler bei mir gesucht. Immer geglaubt, du kannst mich nicht lieben, weil ich etwas falsch gemacht habe. Habe die Tränen oft unterdrücken müssen, weil sie dich wütend machten. Still und leise habe ich mich in den Schlaf geweint, wenn Papa nicht da war und du nichts von mir wissen wolltest. Habe mich mit sieben Jahren ernsthaft schon gefragt, wann das Leben denn vorbei sein würde. Was ich getan habe, dass du mich nicht mal ansehen kannst? Noch heute muss ich weinen, wenn ich an dich denke. Und es bringt mich um, zu wissen, dass ich ein Teil von dir bin. Dass ich etwas von dir an, und in mir, habe. Die Augen habe ich von dir, verflucht, das aussagekräftigste, schönste an einem Menschen - ausgerechnet das, habe ich von jemandem wie dir. Sehe die Welt mit deinen Augen. Zumindest, in der gleichen Farbe. Wenn ich jemals werden sollte wie du, baller' ich mir lieber 'ne Kugel in den Kopf, als das, eine Minute länger hinnehmen zu müssen. Du hast nur Hass statt Liebe gegeben. Nie war etwas gut genug, nie habe ich ein Lächeln von dir bekommen. Keine Umarmung. Keinen Trost. Keine Wärme. Kein Lachen. Und du wirfst mir vor, ich würde selbst Schuld daran tragen, in dieser Gesellschaft; dieser Welt, ein Loser; ein Aussenseiter, zu sein. Schreien, das konntest du immer schon besser als kochen, reden oder liebhaben. Irgenwann war mir auch egal was aus dir, mir, und aus uns wird. Deine Bestrafungen, gaben mir immerhin, ab und an das Gefühl, dir nicht nur egal zu sein. So hattest du wenigstens doch, in irgendeiner Form, etwas für mich übrig. Auch, wenn ich das erst heute so sehen kann. Wenn ich gehe, wirst du sowieso nicht weinen. Falls doch, dann ist es bloße Heuchelei. Ich verfluche dich, für das Leben das du mir gezeigt hast. Für den Weg voller Beschwerden und Ängste. Für Alpträume, die mich heute noch um den Schlaf bringen. Jeder Tag mit dir, war einer zu viel. Jeder Gedanke, den du bewohnst, ist schlimmer als die Hölle. Und jeder Herzschlag, der durch mich dringt, ein Zeichen von gottloser Schwäche. Diesmal, wird es endgültig sein. Das Messer wird die blauen Bänder zerschneiden, die mich haltlos und hilfesuchend an dieses Leben binden. Ich lache über dich und deine Engstirnigkeit. Dein herzloses, nichtssagendes, faltiges Gesicht. Du bist eine Hexe. Und, was ich dir noch sagen wollte, während ich gerade dabei bin, diese kranke Welt zu verlassen, dir und mir den Rücken zu kehren: Ich liebe dich nicht mehr.

A.

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Kommentare zu diesem Text

Lena (58)
(08.08.09)
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 ZornDerFinsternis meinte dazu am 08.08.09:
Liebe Lena,
ich danke dir, dass du dir die Zeit zum Lesen genommen hast. Du bist sehr waise, dieser Satz , Motto, oder wie auch immer man es bezeichnen will, ist schön. Ich bin mir sicher, du irrst dich nicht. Hoffentlich wirst du noch ein schönes We haben. LG, Anni
yodafan (47)
(08.08.09)
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Asvika (23)
(08.08.09)
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 Dieter Wal (08.08.09)
Liebe Anni,

was für ein Wort in die Kälte gesprochen. Las beklommen unter Hochspannung. Die bittere Abrechnung mit der eigenen Mutter. Für mich wird der ganze Text in dem einen Satz: "Jeder Tag mit dir, war einer zu viel."zusammengefasst. Ein nach dem, was da steht, gerechtes Urteil.

Selbsttötung lass bitte IM LEBEN weg. In der Literatur lässt es sich hinnehmen, weil es dort eine dramaturgisch nachvollziehbare Funktion erfüllt.

Ich weiß nicht, ob dir die Werke der Dichter Wolf von Kalckreuth oder des japanischen Hemingway Yukio Mishima begegneten. Sie beschrieben ausführlich ihre Selbsttötungen, bevor sie entsetzlicherweise sich ihre Leben nahmen. Beide Genies, große Hoffnungen ihrer Angehörigen und der Literatur. H.v.Kleist wurde durch die Aufforderung seines Cousins in früher Jugend, sich mit ihm zusammen das Leben zu nehmen, was der junge Heinrich nicht unternahm, worauf sich sein Cousin selbst tötete, schwer traumatisiert. Er suchte seitdem immer totkranke Bekannte oder Freunde, und bat sie, zusammen mit ihm Suizid zu begehen, bis es ihm gelang, sich mit einer krebskranken Freundin am Berliner Wannsee zu erschießen. Zuerst erschoss der Soldat die totkranke Freundin, dann sich. Die Abschieds-Briefe Kleists leuchten von seltsamer Euphorie. Eine Therapie hätte geholfen. Was für Werke würden noch geschrieben worden sein. Heitere Komödien von Lebenskraft, Witz und Lebensglück.

Suizide hinterlassen soziale Kraterlandschaften, in die Spätere zuweilen hinabgezogen werden können. Sie ähneln Treibsand oder Sumpfgebieten.

Wenn es dir schlecht geht, ruf mich an, komm vorbei, Tag und Nacht, dazu sind Freunde da, du bist immer willkommen! Bitte spiel nicht mit dem Gedanken an Selbstmord, hier verwende ich den abwertenden Begriff. Vorher war nur von zwei neutralen Bezeichnungen die Rede. Du bist literarisch unglaublich begabt, verfügst möglicherweise über ein größeres sprachliches Potential als die Gebrüder Grimm zusammen. Deine Texte haben seltene Sprachgewalt. Wirf dich bitte nicht weg. Verfluche besser deine Mutter. Sie hat's verdient.

Von Herzen
Dieter
Samhain (23)
(17.01.10)
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 ZornDerFinsternis antwortete darauf am 17.01.10:
Mich berührt dein Kommentar. Bitte verzeih, aber fühl' dich in diesem Moment ganz fest und lieb von mir umarmt.
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