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Kurzgeschichte zum Thema Liebe & Schmerz

von  jds

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wieviel gibts für hundert?
        fünf coins.
was nur fünf?
        neue maschine!
trotzdem teuer.
        neue maschine und bei den hundert sind zehn prozent rabatt mitdrin.
einzelanschluss?
        einzelanschluss. kein gruppenraum, einzelkabine.  also was ist? 5 coins für hundert?
neu kalibriert?
        klar, kommt auch jeden tag ein techniker.  also was ist jetzt?
gut, hier sind hundert steine
        ich darf dir nur drei geben, den rest gibts beim rausgehen.  mehr als zwei hat eh noch keiner geschafft
hier ist ein zehner extra, gib mir alle fünf.
        nimm sie, hier, ich weiß von nichts. den gang vor, rechts, kabine nummer sieben. viel spaß, und nicht mehr als drei, papiertücher sind in der kabine, bitte am ende saubermachen.
is ja gut, danke

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::START ID = "COIN 1"::
ein schöner anfang. ich liege noch im halbschlaf und versuche in meinem gedankennebel den traum und die erinnerung an gestern abend auseinanderzupflücken.
doch, ja, ein schöner anfang sogar der traum war angenehm und während die noch schlafende hälfte meines bewusstseins versucht sich in dem langsam verblassenden rest dieses traumes zu verstecken, zu verkriechen ihn festzuhalten um weiterzuträumen, wieder zu versinken in das wohlig warme geborgensein, währenddessen breiten sich in der wachen hälfte vogelgezwitscher, warme sonnenstrahlen und der frische duft von sich auflösendem frühlingsnebel aus.
und marie. ja vor allem marie. wie blitzlichter tauchen erinnerungsfetzen meines traumes auf, ich mit marie am meer, die sonne, der sand, wellen und salziger geschmack auf den lippen. marie, ihr weiches haar, ihre weiche haut, ihre lippen mit dem salz des meeres. mir wird ganz warm ums herz.
langsam beginnt sich auch die wirklichkeit vom traum zu trennen. die wirklichkeit, marie, ihr kuss, zumindest mal was für den anfang, ein schöner anfang. ich schlage die bettdecke zurück und gehe zum fenster, drehe den hebel, um es vollständig zu öffnen, grüne wiesen, die sonne scheint mir warm ins gesicht. marie.
he du verfickter arschficker bist du nicht mehr ganz dicht? mach gefälligst das fenster zu es zieht und ist schweinekalt und komm gefälligst her wir sind noch nicht fertig.
ich drehe mich um und sehe einen kopf mit vollbart und halbglatze aus der bettdecke hervorspicken. mein rücken wird von einem eiskalten windstoß erfasst. ich wende mich wieder dem fenster zu. der wind schleudert mir schneeflocken ins gesicht. ich stehe hier völlig nackt in der eiseskälte am offenen fenster, lasse mich einschneien und denke an marie. marie. währenddessen  wartet in meinem bett ein mir unbekannter typ. etwas stimmt hier nicht...
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he was soll das, neue maschine hä, soll wohl `n witz sein?
        sorry, war noch der dualmode eingeschaltet, hat dich mit kabine,        moment ich habs gleich,        na egal, hat dich jedenfalls mit einer        anderen kabine zusammengeschaltet. ist jetzt abgestellt,        excusivemode.
und ich zahl für sowas 20 steine, das gibt was extra oder ich beschwer mich bei deinem boss.

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::START ID="COIN 2"::
es ist winter, die zweite woche im januar. es geht aufwärts, das heißt, es wird wieder früher hell und am abend später dunkel. das licht ist auch anders. irgendwie angefüllt mit der vorfreude auf den frühling. ich bin auch angefüllt mit vorfreude, ich treffe mich mit marie. marie seit dem frühling letztes jahr habe ich sie nicht mehr gesehen und jetzt fahre ich zu ihr. der zug fährt durch eine schneelandschaft, die nachmittagssonne zaubert verworrene schatten auf das weiß am boden.
in dem abteil ist es gmütlich warm. wir sind zu zweit hier. die alte frau gegenüber rechts von mir schnarcht leise vor sich hin. ich döse auch etwas, denke an marie, an heute abend. einen kamin hat sie im haus, ob ich holz spalten kann hat sie gefragt. natürlich kann ich das, habe ich geantwortet. ich habe noch nie eine axt in der hand gehalten. im kamin knackt es ab und zu. der raum ist vom flackernden licht gefüllt. wir sitzen am feuer, gläser mit wein vor uns. marie reibt mir die aufgeplatzten blasen an den händen mit salbe ein.
bremsen kreischen mit einem ruck kommt der zug zum stehen. neben mir poltert der koffer der alten frau auf den boden, ich sehe das adressschild, marie cernovska steht darauf. der lautsprecher quäkt, gibt unliebsamkeiten von sich. oberleitungsschaden, fahrtunterbrechung von nicht abzusehender dauer, keine straße in der nähe, busverkehr nicht möglich. marie, marie. die heizung bläst kalte luft ins abteil. der schaffner verteilt warmen tee.
::SYSTEM MESSAGE:: SESSION CLOSED

ich fasse es nicht, wozu zahle ich hier, dafür dass du mir alles versaust?
die maschine arbeitet autark, sie passt sich an die aura des jeweiligen users an und geht auf seine unterbewussten wünsche ein.
halt die klappe, wenn das so weiter geht wünsch ich mir unterbewußt dir den hals umzudrehen. zwanzig steine für son scheiß.

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::START ID="COIN 3"::
marie lässt warmen sand an meinen beinen herabrieseln. diesen warmen sand, der sich schon den ganzen sommer mit sonne vollgesaugt hat. mit sonne vollgesaugt und mit wind, kein starker wind wie so üblich an der see, nein ein ganz sanfter wind, eine leises hauchen, eine ganz leichte kühle, die nicht mal ein frösteln hervorruft, so leicht das sich nicht mal die kleinen härchen auf meinem unterarm aufstellen - und marie lässt die sonne an meinen beinen herunterrieseln, streut den wind zwischen meine zehen und lässt ihn sanft meine fußsohlen kitzeln.
ich liege da, die augen geschlossen. im hintergrund das geschrei der spielenden kinder, das anrauschen der wellen, die flut, das geknatter der drachen in der luft, der duft von salz, von meer und sonnenmilch. ab und zu verdunkelt sich das rot über meinen augen, ein kleines wölckchen schiebt sich frech vor die sonne. ich versinke langsam in eine angenehme dämmerung, das geschrei und das geknatter wird leiser, was bleibt ist das rauschen der wellen. die gedanken beginnen sich als bodensatz in meinem bewusstsein zu sammeln darüber wird es klar und leicht und ich beginne zu träumen.
ich träume von marie, träume wie sie mir sand auf die beine streut. träume von ihrem weichen haar, von ihrer warmen haut, wie sie daliegt, wie sie mich anschaut, wie sie mir eine handvoll sand ins gesicht schleudert. in meinem mund knirschen. in meinem mund erdiger geschmack, der versuch mir den sand von den augen zu wischen misslingt, meine arme wollen sich nicht bewegen, wie festgebunden, mein atem geht schwer.
ich öffne die augen, der sand kratzt unter den lidern. wo gerade noch marie lag steht der nachbarjunge und schaufelt mir erneut eine ladung sand ins gesicht. ich versuche den kopf zu bewegen und schütttle so gut es geht den sand ab hole luft und befreie meine zunge von einem mundvoll sand. mundvoll, ich liege unter einem berg von sand unfähig mich zu bewegen. noch schnell ein tiefer atemzug, augen zu und eine erneute ladung landet in meinem gesicht. der sand geht mir über die ohren, der mund ist vollständig bedeckt, wegblasen geht nicht, den kopf kann ich auch nicht mehr bewegen. durch den schlitz den meine augenlider offen lassen sehe ich einen weiteren schwung sand auf mich zukommen. es wird dunkel, ich atme sand.
::SYSTEM MESSAGE:: SESSION CLOSED

he du wichser, blickst du es überhaupt mit der maschine? oder bist du nur so ne dusselige aushilfe die nicht den kleinsten stinkenden furz ne ahnung hat? was ist mit der kalibrierung? ich wäre fast erstickt. wieviele leichen tragt ihr denn jeden tag hier raus?
mein herr entschuldigen sie bitte, der techniker war erst heute früh hier und hat alles neu justiert. wann hatten sie denn ihre letzte sitzung.
na grade eben.
nein nicht die von heute, davor?
vor zwei tagen.
        und wieviele waren es das letzte mal?
drei, aber ich wüßte nicht was dich das angeht bürschchen. nochmal sowas und du kannst dich wieder zusammenflicken lassen.
        sie sollte bei einer derart intensiven anwendung die möglichkeit eines flashbacks        berücksichtigen.
papperlapapp, schalt mich auf eine andere einheit, die hier ist mir zu gefährlich.
wie sie wünschen.

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::START ID="COIN 4"::
ich trete ein, dunkles blau mit grünen schleiern durchwoben empfängt mich, hüllt mich ein und lässt mein herz, wie in gelee getaucht gedämpft und ruhiger schlagen. mein herz, das sich vor aufregung kaum bremsen lässt.
marie, ich werde sie wiedersehen, hier, hier in dieser blauen unterwasserwelt. verborgene lautsprecher spülen ein angenehmes blubbern und meeresrauschen in meine gehörgänge, doch ich höre nur ihren namen, marie. ich schlendere durch die meereswelt, neben mir, über mir, unter mir, wasser und fische. die lautsprecher flüstern weiter marie in meine ohren. ich werde unruhig, schaue auf die uhr, schon eine stunde über der zeit.
ich gehe den gang zurück. links und rechts pressen sich die fische an die scheibe, blicken mich an und zwinkern mir zu, stoßen mit ihren mäulern gegen das glas. zu dem blubbern aus den lautsprechern mischt sich das klopfen der fische und das immer heftiger werdende pochen meines herzens. immer stärker schlägt es, so stark, bis ich meine, das blut spritzt mir aus den ohren. marie.
marie. sie steht hinter der scheibe. die arme ausgebreitet, die hände, die nase und den mund, wie die fische an die scheibe gepresset. ihr haar schwebt im wasser, schwebt mit den algen und verflicht sich darin. ihre augen schauen mich an, fragend, flehend. aus ihrem mund steigen luftblasen, sie sagt etwas, ruft mir zu. ich höre nur das, zu einem tosen gewordene, blubbern, höre nur das pochen in mir.
auch ich presse mich an die scheibe lege meine hände auf ihre, lege meinen mund auf ihre lippen, meine knöchel werden von wasser umspült. ich halte mein ohr an ihren mund um durch die scheibe zu hören, was sie mir zuruft. ich vertehe nichts. das tosen wird stärker, kälte kriecht an mir hoch, das wasser steht mir bis zum hals, steigt weiter, dringt in meine mund. ich hole noch einmal tief luft, halte den atem an und werfe noch einmal einen, durch das wasser getrübten blick auf marie. marie.
das pochen verstummt.
::SYSTEM MESSAGE:: SESSION CLOSED

he junge jetzt reichts, das ist kein spaß mehr. willst du mich umbringen
he lassen sie mich los, ich kann doch nichts dafür wenn sie so mies drauf sind, ich mache einen reset der einheit, dann wird es besser.
wehe es passiert nochmal sowas, ich mach dich kalt.
kommt nicht wider vor, das system hat neu gebootet und ist wieder bereit.
denk dran, du bist gewarnt

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::START ID="COIN 5"::
es war ihre idee, maries idee. ein wochenende in den bergen. in einer einsamen hütte. die berge, nach diesem langen sommer am meer.
es ist anfang oktober. dieses jahr ist die sonne noch sehr verschwenderisch, als ob sie ihre wärme und ihr licht schnell loswerden will. sie schüttet ihre strahlen über die berge, aus vollen kübeln, damit der winter endlich kommen kann.
wir schälen uns aus dem matratzenlager, marie hat sich in meinem ohr verbissen und will mich nicht gehen lassen. den rucksack haben wir gestern abend schon gepackt, wein brot und käse. und marie. marie mein glück. meine marie.
die bäume weiter unten im tal geben sich bunt, haben sich parfümiert mit frischem herbstduft, dem duft nach feuchter erde, feuchtem laub und moos. der duft nach pilzen und frisch geschlagenem holz. haben sich so stark eingesprüht, dass es bis hier hoch duftet.
wir ziehen los, mit den ersten sonnenstrahlen legt der berg seinen schlafrock aus weißem nebel ab. die schlafmütze behält er auf. auch sie ist weiß und der gipfel erscheint fast zum greifen nahe vor uns. wir gehen hand in hand. marie und ich. ich und marie. ich helfe marie über die felsen und sie zeigt mir die dingen die ich übersehe, hier eine gemse, dort ein stein, ein felsen der aussieht wie ein zwerg mit zipfelmütze, ein blume zwischen all dem kargen geröll.
marie kennt den weg. sie hat hier eine lieblingsstelle, ihren traumfelsen. früher war sie oft hier, in den sommern in den sommern bevor sie ans meer ging, in den sommern in denen sie die höhe noch ertrug und ihr nicht schon allein von dem gedanken, einen berg hinaufzusteigen schwindelig wurde.
heute versuchen wir es noch einmal. versuchen es zu zweit. steigen zu zweit auf den berg, vollgesaugt von meer, völlig schwindelfrei.
marie, ihr traumfelsen, eine plattform die sich mehrere meter von der bergwand über das tal beugt, drei vier meter breit mit einem stein in der mitte als tisch und zwei kleineren felsbrocken wie geschaffen um als hocker zu dienen.
brot, wein und käse. wir schlagen uns den bauch voll. danach legen wir uns an den tisch gelehnt auf den boden und betrachten die bunte welt unter uns. die sonne scheint uns ins gesicht, marie atmet mir ins ohr.
ich muß eingenickt sein und als ich wieder die augen öffne sehe ich marie, wie sieh einen fuß vor den anderen setzend am rand der plattform entlangläuft, die arme etwas abgespreitzt und bei jedem schritt von der einen auf die andere seite schwankend.
traust du dich? du traust dich nicht. sie blickt mich an und in ihren augen spiegel sich der weiße berggipfel.
klar traue ich mich. na gut, wie weit kannst du deine zehen über den rand schieben? mit schuhen? nein natürlich nicht, sonst sieht man ja die zehen nicht. sie schaut mich an und lacht wie ein kleines mädchen, das sich über eine tafel schokolade freut. ich ziehe meine schuhe und socken aus, der fels ist angenehm warm, ich stehe am rand und schiebe meine füße langsam vor über die kante. du traust dich nicht, schau. marie steht ebenfalls barfuß die füße weit über den rand, nur noch auf den fersen balancierend. ich muß wegschauen mein magen krampft sich zuammen, weiter, weiter, noch ein stück schiebe ich  meine zehen weiter vor in die luft. weiter noch weiter, meine arme rudern wie wild, gleichgewicht ich muß das gleichgewicht halten, ruhig, ruhig bleiben, wo ist marie, marie ich sehe sie nicht mehr. marie. meine hände greifen ins leere. das bunte im tal kommt näher, marie. marie. ich sehne mich zurück ans meer.

                sehnsucht nach dem meer

                von der frischen brise angeregt
                saugt meine nase
                die letzten reste meer
                aus der luft
                die der wind vorüberweht

                etwas neidisch geworden
                lauschen nun auch
                meine ohren
                auf das ferne
                rauschen der brandung

                ungehalten beginnen
                meine zehen sich
                in den feinen sand zu wühlen
                der immer noch
                zu spüren ist

                auf dem rücken
                brennt immer stärker
                heiß die sonne
                während kühle wellen
                die beine umspülen

                unter den fußsohlen
                rufen sich
                die harten rillen
                auf dem sand
                wieder in erinnerung

                und auf den lippen
                ist wieder
                das salz zu schmecken
                die sehnsucht
                nach dem meer



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::SYSTEM MESSAGE:: COMMUNICATION ABORTED
::SYSTEM MESSAGE:: SESSION CLOSED

hallo, hallo servicezentrale? schickt mal das elimination-team. in kabine sieben, ja kabine sieben, liegt wieder so ein süchtiger, wie immer, ja genau, kein aufsehen. ja die kabine ist solange gesperrt. nein ist nichts mehr zu machen.



jds - alletagekunst - 27.11.2005

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Kommentare zu diesem Text

regen (26)
(18.10.09)
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 jds meinte dazu am 19.10.09:
hallo regen,
vielen dank fuer deine anregungen, werde mal versuchen sie umzusetzen.
dasz mit den formatierungen habe ich allerdings schon mehrmals versucht und jedesmal sieht der text dann anders aus als ich ihn im texteingabeformular formatiert habe grueszle
der jens
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