Blood Money

Erzählung zum Thema Abrechnung

von  Mutter

Mit unfokussiertem Blick betrachte ich den Deckenventilator, der über mir unbeeindruckt seine Kreise zieht. Die abendliche Sonne, bedeutungsschwanger eingefärbt, wird durch die groben Jalousien beim Einfall ins Zimmer gebrochen. Erinnert an Film Noir oder einen Streifen der Coen-Brüder. Und wie in jedem ihrer Filme betrachtet man den sympathischen Hauptdarsteller, mich, mit einem unguten Gefühl. In ihren Flicks überlebt selten jemand, am wenigsten die Hauptperson.
Ich verziehe das Gesicht und lege mit einem Seufzer den Kopf in den Nacken. Um den Ventilator besser betrachten zu können. Mir ist schwindelig - immerhin hat Doc Dorian die Schmerzen verschwinden lassen. Mir mehr von ihrem Zaubermittel mitgegeben.
Nachdem mich Agent Smith in das Zimmer verfrachtet und mir eingeschärft hat, mich nicht zu rühren, sitze ich in meinem Sessel und spüre dem Singen der Drogen in meinem Körper nach. Eigentlich müsste mir der Arsch auf Grundeis gehen. Ich müsste darüber nachdenken, wie ich aus dem verschissenen Zimmer herauskomme. Lebend.
Interessiert mich nicht, Flucht ist gerade keine Option. Meine Chancen stehen ohnehin nicht gut. Notdürftig vom Doc zusammengeflickt, auf jeder Menge Hardcore-Drogen – vermutlich käme ich bis zur nächsten Ecke.
Besser, ich bleibe hier sitzen, sehe weiter dem Ventilator zu und warte ab, was der Albaner mit mir vorhat.

Eine halbe Stunde und gefühlte dreitausendvierhundertdreiundzwanzig Umdrehungen der Rotorblätter später öffnet sich die Tür.
Langsam nehme ich den Kopf aus dem Nacken nach vorne und betrachte Metriç und den Graubart, die das Zimmer betreten. Smith hält ihnen die Tür auf. Schließt sie von draußen, nachdem die Männer das Zimmer betreten haben.
Metriç zieht sich einen Sessel heran und setzt sich mir gegenüber auf die andere Seite eines niedrigen Kaffeetisches. Der Graubart bleibt an der Tür stehen, die Arme vor der Brust verschränkt.
Für einen endlosen Augenblick sehen wir uns an. Der Albaner und ich. Mit schweren Lidern betrachte ich ihn, mein Hirn surrt mühelos im Leerlauf. Ohne mit der Wimper zu zucken blickt er zurück.
Rede mit mir, alter Mann. Was willst du?
‚Was war das, Corker?’
Ich stelle fest, irgendwann zwischen unserer letzten Begegnung im Bookie und jetzt ist ihm das höfliche ‚Mister’ abhanden gekommen. Soll mir recht sein. Mir reicht ‚Corker’.
‚Du hast meine beiden Neffen getötet.’
Kurz denke ich darüber nach, ob es lohnt, ihn darauf hinzuweisen, dass ich keinesfalls derjenige war, der seine Verwandtschaft umgelegt hat. Lohnt nicht, schätze ich, und zucke mit den Schultern. Weiß er so gut wie ich.
Der Albaner schlitzt die Augen und beugt sich nach vorne, die gefalteten Hände nur einen halben Zentimeter über der fleckigen Fläche des Tisches.
‚Als hättest du eigenhändig den Abzug durchgezogen, nein?’
Ich lege den Kopf schief - ein höfliches ‚Möglicherweise’.
‚Auf deinen Kopf ist eine Belohnung ausgeschrieben. Ein Kopfgeld – ist das korrekt?’
Diesmal bekommt er ein eindeutiges Nicken von mir.
‚Davon war nicht die Rede. Bei unserer Abmachung.’
Ich bilde mir einen leicht schmollenden Unterton bei seinem Vorwurf ein. Was hätte ich sagen sollen? Okay, machen wir den Deal – allerdings sage ich gleich: Mir klebt ein Killer am Arsch, und wer mit mir Geschäfte macht, muss sich darauf gefasst machen, einen Teil der Verwandten zu beerdigen? Yeah, right!
‚Was passiert jetzt?’ will ich wissen. Wünschte mir, er würde sich und mir den verschissenen Sermon ersparen. Ich habe Mist gebaut, ihm sind seine Thronfolger abhanden gekommen –umlegen will er mich offenbar noch nicht. Sonst würde er nicht versuchen, mich tot zu quatschen.
Seine Augen werden noch enger. Habe ich ihn böse gemacht?
‚Was?’ Ich breite die Arme in bester Al-Pacino-Manier aus. Will endlich wissen, um was wir hier pokern.
Der Albaner nickt. Sieht er ähnlich. ‚Zwei Tote. Zwei Verwandte. In Tirana hätte ich deinen Kopf auf einen Pfosten genagelt. Nageln müssen.’
Fast nehme ich ihm ab, dass es ihm leid tun würde. Verstehe ich. Familienehre und so, Blutschuld. Mann, habe ich ein Schwein, dass wir nicht in Tirana sind. Schüttelt mir die Hand, ich klopfe ihm auf die Schulter, sage ‚Nichts für ungut’ und unsere Wege kreuzen sich in diesem Leben nie wieder.
Scheiße, ich brauche einen Drink.
‚Und hier?’ frage ich, als er nicht fortfährt, mich eindringlich ansieht.
Anscheinend habe ich ihm das benötigte Stichwort gegeben. Ich  bin ein rasend guter Souffleur.
‚Hier’, sagt er, und richtet sich auf, ‚ haben wir eine weitere Option.’
Die wäre, will ich wissen, sage nichts. Ziehe meine Augenbrauen enthusiastisch nach oben.
‚Du zahlst deine Blutschuld ab. Mit Blutgeld.’
Ah, Kohle. Daher weht der Wind. Will sich seine missratene Neffen von mir in Gold aufwiegen lassen.
Noch mal die Al-Pacino-Arme von mir. ‚Ich fürchte, daraus wird nichts. Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen.’
Es sei denn, die beiden toten Albaner kann man mit dem Wechselgeld aus dem Supermarkt bezahlen. Den Part denke ich mir.
Er lächelt. War ihm klar – alles noch Teil des Plans. Fuck, was kommt jetzt?
‚Uns sind deine finanziellen Umstände bekannt, Corker. Keine Sorge – monetäre Entschädigungen sind nicht das, was wir im Sinne hatten.’
Sweet mother of Jesus! Was dann – sexuelle Gefälligkeiten? Sollte ich ihm gleich sagen, dass ich nur bedingt auf sowas stehe. Blasen wäre in Ordnung, alles andere ginge mir zu weit. Selbst für zwei umgelegte Albaner.
‚Es ist simpel: Wir bieten dir eine Möglichkeit, deine Schuld abzutragen. Zwei Tote für Tote.’
Schnall ich nicht. Come again? ‚Wie bitte?’
‚Zwei Tote. Die für meine Neffen bezahlen. Und die Schuld ist beglichen.’
‚Ich soll für Sie zwei Morde begehen?’
Er nickt. Das ist sein Ernst. Ich sehe hoch zum Ventilator, will mich in dem Rotieren verlieren. Was für ein Gott-verschissener Sumpf! Und ich kann mich nicht am eigenen Kragen selber rausziehen.
‚Ich begehe keine Morde.’
‚Oh, aber ich kenne dein geas. Du tötest nicht für Geld.’ Sein Lächeln  ist diesmal deutlich süffisanter. ‚Musst du nicht. Du tötest, um zu überleben. Handelst quasi in Notwehr. Weil Mister Bardha und seine Jungs dir sonst die Haut in Streifen vom Körper schneiden. Mit rostigen Klingen.’
Ein kurzer Blick auf den Graubart zeigt mir, dass das vermutlich keine leere Drohung ist. Er nickt business-like, unter Gewissenskonflikten scheint er nicht zu leiden.
‚Das ist nicht meine Kanne Bier, nicht mein Metier. Ich bin kein Killer.’
Mann, langsam geht mir sein überhebliches Lächeln auf die Eier.
‚Wie war das gleich? Dein Portfolio? In dem gibt’s genug Tote. Schätze, da findet sich die ein oder andere Methode, um meiner Forderung nachzukommen. Da habe ich keine Sorge.’
Verstehe. So hast du dir das vorgestellt, du kleine Sackratte. Während ich ihn mit stoischem Gesichtsausdruck ansehe, stelle ich mir bildlich vor, wie ich seine selbstzufriedene Fresse mit einem Schlagring auseinandernehme.
Nicke langsam. Eine echte Wahl habe ich nicht. Kann mich auch gleich hier zum Sterben hinlegen. Der Graubart fängt bestimmt schon mal alleine an, bis seine Jungs hier sind.
Signalisiere weiter Zustimmung, schicksalsergeben. Na dann los, du Kanaille, schieß los.
Wen soll ich umlegen – den Rest deiner verschissenen Verwandtschaft?

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Kommentare zu diesem Text


 derNeumann (18.09.09)
Guten Tag,

chic, chic, der Text, gefällt mir. Noch etwas kürzen vielleicht, die Dialoge knackiger und gründlich auf die Erzählperspektive geschaut, aber schon ein guter Grund bei diesem Forum zu bleiben.

es grüßt: der Neumann

 Mutter meinte dazu am 18.09.09:
Jut ... :)

Firma dankt.
Alegra (41)
(16.11.09)
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 Mutter antwortete darauf am 17.11.09:
Danke ... :)
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