Poolparty

Erzählung zum Thema Kampf

von  Mutter

Ruhig sehe ich ihm zu, wie er auf mich zu geschwommen kommt. Als er am Beckenrand ankommt und die Finger auf das Porzellan legen will, trete ich ihm auf die Finger der linken Hand. Zieht er sie wieder zurück, hält sich mit Hundepaddeln oben. Wie passend.
Ich gehe in die Hocke und sehe zu ihm runter, die Hände auf den Knien verschränkt. Die Halbautomatik schön in Sicht.
‚Wo ist der Kerl? Welchen Teil von „Ich will mit Metriç sprechen?“ hast du Penner nicht verstanden?‘
Er verzieht das Gesicht, spuckt weiter Wasser. ‚Ich wollte das regeln. Was ist mit Herbert passiert?‘, versucht er, den Spieß umzudrehen.
‚Ich stelle hier die Fragen, Arschkrampe. Was war der Deal da oben, im Cottage? Was für ein pissiges Spiel spielt ihr?‘
Während er paddelt, wirft er mir einen scharfen Blick zu. Ist erstaunt, dass ich was weiß.
Ich lehne mich vor, berühre seine Stirn mit dem Schuh. Drücke ihn unter Wasser, den Lauf der Waffe direkt auf sein Gesicht gerichtet. Wünsche mir, er würde was versuchen, mich am Bein packen, zum Beispiel. Könnte ich ihm sein Visage wegschießen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
Blubbernd kommt er erneut hoch, spuckt mehr Wasser aus.
‚Ihr wusstet, dass es die Brüder da oben zerlegen würde, richtig? Wusstet, dass man sich da oben eine Bleivergiftung holt.
Er antwortet nicht.
‚Ich habe einen Anruf bekommen – von jemand, der sich Sorgen um mich macht.‘
Er quittiert mein Lächeln mit saurer Miene und heftigerem Paddeln.
‚Der glaubt, ihr behandelt mich nicht gut. Hör zu, Hackfresse – warum habt ihr mich da oben auflaufen lassen? Warum bin ich am Leben geblieben? Und viel wichtiger, warum mussten die Brüder sterben?‘
Ich richte mich auf, als ich seine Miene sehe. Der sagt mir nichts. Ist viel zu stur, der dumme Hund. Kurzentschlossen gehe ich zurück in die Knie, lasse die Waffe klackend auf die Fliesen gleiten.
Packe ihn mit beiden Händen an der Kehle und fange an, ihn aus den Knien heraus anzuheben. Mit hervorquellenden Augen sieht er mich an, packt meine Handgelenke. Ich hebe ihn aus dem Wasser. Erst als er komplett draußen ist, der Auftrieb vom Wasser weg, kann ich ihn kaum mehr halten. Ziehe ihn näher zu mir ran, wir stehen gefährlich dicht am Beckenrand. Er versucht keine Scheiße – hat Angst, ich brech ihm kurzerhand das Genick.
Mit einem Ruck stoße ich ihn zu seinem Bodyguard rüber, er taumelt, fängt sich. Sitzt halb in dem zweiten Korbsessel, ich nicke ihm zu. Kann sich ebenfalls eine Zeitschrift nehmen.
Ohne ihn aus den Augen zu lassen, bücke ich mich, stecke mir die 9mm hinten in den Hosenbund. Er beobachtet mich.
Gehe zu ihm rüber, stütze mich mit beiden Armen auf die Lehnen seines Sessels, unsere Gesichter sind Zentimeter voneinander entfernt. Er weiß genau, was ich will. Was er mir nicht geben will.
‚Fick dich, du Hurensohn‘, zischt er, noch bevor ich etwas sage.
Ich grinse. ‚Du kleines Arschloch. Ihr dachtet, ihr könnt den kleinen Corker quer über die Motorhaube legen und mal richtig durchziehen, was? Es dem dummen Iren ordentlich besorgen …‘
Mit geschlitzten Augen funkelt er mich an – hinter seiner Stirn tobt ein Raubtier hin und her, eine Bestie, die mich fertigmachen will. Die mir die Haut in Streifen vom Leib ziehen will. Tja, von uns beiden hat gerade nur einer die Hosen an.
Für sein Alter ist er gut in Form – gegen mich hat er trotzdem keine Chance. Selbst ohne die Wumme hinten an meinem Arsch.
Wasser tropft von seinem Körper auf die Fliesen runter.
‚Wer war der Kerl, der die Brüder da oben umgelegt hat?‘ Und mich verschont hat?
Seine Kiefermuskeln spannen sich an. Ich seufze. Dieser Sturkopf.
‚Ich wusste, dass man einen tollwütigen Hund nicht zum Jagen einsetzen kann‘, knurrt er und überrascht mich damit. Hätte nicht gedacht, dass er mir irgendwas erzählt. Er fährt fort: ‚Der Alte wollte nicht hören. Musste einen Deal mit dem Pisser eingehen.‘
Hätte ich größere Ohren, würden sie spitz nach oben stehen. Stattdessen setze ich mein bestes Pokerface auf. Kenne seine Karten nicht, weiß nicht mal, ob wir Bridge oder Whist spielen. Scheiß-egal, ich gehe trotz allem ‚All-In‘, sage: ‚Hat sich nicht dran gehalten …‘
‚Offensichtlich nicht‘, brummt der Graubart und sieht aus, als würde er ausspucken wollen. Dass wir uns noch so nahe sind, hält ihn davon ab. Er hat eine Ahnung davon, wie begeistert ich wäre, wenn er jetzt ausrotzt.
‚Und stattdessen habe ich euch jetzt an den Eiern – und zwar richtig.‘
Mit einem Lächeln, das ich nicht deuten kann, sieht er mich an. ‚Du hast keine Ahnung, du Spinner! Das Inferno, was der Gun-Runner für dich entfesselt hat, wird dich auslöschen, egal, was mit uns ist.‘
Ich schnaube abfällig, aber insgeheim stellen sich mir alle Nackenhaare auf. Mein Gesicht bewegt sich noch weiter an ihn heran. ‚Vergiss es, Drecksack. Die Sackratte, die sich mit mir anlegen kann, muss erst noch geboren werden.‘ Nachdem ich etwas Anstand genommen habe, füge ich hinzu: ‚Wie viel habt ihr ihm geboten? Wie hoch ist mein Preis?‘
Sein Gesichtsausdruck verändert sich, und schlagartig wird mir klar, dass ich mich verspielt habe. Zu hoch gepokert. Ihm verraten habe, dass ich im Grunde genommen überhaupt nichts weiß.
Fuckshitpisse!
Ein kleines überhebliches Lächeln spielt um meine Lippen, Auric Goldfinger wäre stolz auf mich. Ob es mir noch was nützt – keine Ahnung. 
‚Frag ihn, wenn er dich holen kommt. Das nächste Mal trifft er sicher nicht daneben‘, sagt Graubart höhnisch und zeigt mir seine fleckigen Zähne. ‚Und keine Doc Dorian kommt, um dich zusammen zu flicken.‘
Dass er den gleichen Spitznamen für meinen chirugischen Engel benutzt wie ich, regt mich mehr auf als alle Häme und Hilflosigkeit. Meine Rechte schießt vor und hämmert ihm aufs Kinn, sein Kopf fliegt ruckartig zurück. Durch meine gebückte Haltung liegt nicht die volle Wucht hinter dem Schlag – aber es reicht, um ihm die Lippe aufplatzen zu lassen. Sein Kopf, den er mit dem Hit abgewendet hat, dreht sich langsam wieder mir zu. Seine Zunge leckt das Blut auf, das über Lippen und Kinn fließt. ‚Du bist im Arsch, Corker!‘, flüstert er.
Ich verpasse ihm noch eine, treffe diesmal Wange und Jochbein. Er hustet, spuckt Blut und lacht.
Sein Gesicht fängt an, anzuschwellen, und ich versuche, mich im Zaum zu halten. Meine Frustration und Hilflosigkeit zu bändigen. Überlege, wie ich noch mehr aus ihm herausbekommen – ohne irgendwas auf der Hand, mit allen Chips bereits im Pott.
Er unterbricht meine Gedankengänge mit seiner heiseren Stimme: ‚Weißt du, was mir bei der Sache am meisten Spaß macht? Zwei Katholiken aufeinander zu hetzen ist wie Christen im alten Rom den Löwen vorzuwerfen. Ihr habt alle keine Ehre!‘
Für einen Augenblick ziehe ich verwundert die Augenbrauen hoch, bevor ich mich beherrschen kann. Hab mich nie als Katholiken gesehen, auch wenn ich nominell dieser Gruppe zuzuordnen wäre. Sehe mich selbst auch nicht als Republikaner – wobei mir die Loyalisten mit Schlagringen und Eisenstangen jederzeit das Gegenteil bestätigen würden.
Offenbar mag der Graubart keine Katholiken.
‚Schlechte Erfahrungen gemacht? Da unten oder hier?‘ Ich schenke ihm extra ein fettes Grinsen, als würde mich seine Bosheit freuen. Als bedeuten mir Maria und der Heilige Geist tatsächlich was.
‚Wir hätten den Gun-Runner auf Rathlin fertig machen sollen, und dich gleich mit, sobald Lomax mit vollgepissten Hosen bei uns aufgetaucht ist. Ein halber Ire ist bereits einer zu viel im Haus!‘
Während ich mich mit beiden Händen von den Lehnen abstoße, richte ich mich auf. ‚In Ordnung, Graubart. Hast du mir noch was mitzuteilen? Bist du bereit, vor deinen Schöpfer zu treten?‘
Mir ist klar, dass ich ihn nicht umlegen werde. Lust dazu hätte ich, aber mir ist der Geschmack am Töten in den letzten Tagen vergangen. Ihn halbnackt und nass und ohne Chance auf Gegenwehr fertig zu machen und in den eigenen Pool zu kippen – fehlt mir der Biss für. Möglicherweise werde ich mich deswegen noch in den Arsch beißen – aber jetzt muss ich den Kerl laufen lassen. Vorher würde ich ihn gerne winseln sehen.
Den Gefallen tut er mir nicht. Ist ein harter Sack, der Graubart. Presst die Lippen aufeinander und wartet darauf, dass ich es beende. Steht auf, als ich es ihm mit der Linken bedeute.
Mit einem Seufzer lasse ich die Waffe aus meinem Hosenbund gleiten und hämmere sie ihm an die Schläfe. Der Kopf zuckt zur Seite, sein Körper fällt langsam, die Augen sind nach hinten in die Höhlen gerollt.
Er fällt neben Agent Smith an den Poolrand. Für einen Augenblick hatte ich gehofft, er fällt rein. Hätte ich ihn treiben und verrecken lassen, ohne ihn umlegen zu müssen.
Mit einem letzten Blick auf die traurigen Reste von Metriçs Bande von Schlägern gehe ich durch die Tür nach draußen. Vielleicht begegnen mir noch ein oder zwei seiner Bravos – selbst wenn ich niemanden umbringen will: Dem einen oder anderen ordentlich die Fresse polieren wäre ein gesundes Ventil. Könnte ich meiner Frustration Luft machen.
Auf der Suche nach Ärger begebe ich mich in Richtung Ausgang.

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Kommentare zu diesem Text

Alegra (41)
(20.11.09)
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 Mutter meinte dazu am 23.11.09:
Habe ich auch eine Weile hin und her überlegt. Bisher hatte ich nicht die Gelegenheit, das tatsächlich auszuprobieren.

Ich glaube, einfach ist es nicht, müsste aber schon möglich sein. Wie gesagt, ich bin dran, das zu testen ... ;)
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