Endlich (still)

Text zum Thema Alles und Nichts...

von  ZornDerFinsternis

An Tagen wie heute ist Aufstehen schier unmöglich und sinnlos. Draußen vor dem Fenster ist es stockdunkel. Blätter werden von Wind und Regen umhergepeitscht - verlieren ihr eigentliches Ziel. Das Lärmen vorbeifahrender Autos - monoton. In etwa so monoton, wie dieses kleine, dreckige Leben, das ich "lebe". Die Nachttischlampe flackert - mal wieder. Krame den Aschenbecher unter dem Bett hervor. Er ist brechend voll - mal wieder. Fische eine Zigarette aus der halbleeren Schachtel. Zünde sie an und ziehe den Rauch genussvoll ein. Draußen fällt der Regen bedrückend weiter. Läuft, wie auch die Zeit, langsam und tacktvoll, gegen mich. Es ist kalt hier drinnen. Kahle, weiße Wände starren mich an. Greifen mit knöchrigen Fingern nach mir, als wollten sie mir den letzten winzigen Hauch Leben aussaugen. Am Schreibtisch steht die einzige Grünpflanze in dieser Wohnung. Die einzige, die es bei mir überlebt hat - eigentlich schade drum. Staub und leere Kippenschachteln bedecken den runzligen, alten Teppichboden. Das einzige Fenster nach draußen; ins "Leben" hinein, ist schmutzig. In etwa so dreckig, schmutzig und verachtenswert, wie dieses Leben. Nehme einen weiteren Zug und inhaliere den Rauch. Warum ich das Rauchen anfing, das weiß ich nicht einmal mehr. Als hätten meine ganzen selbstzerstörerischen Hobbys nicht schon gereicht. "Naja, was soll's..." Die blassen Arme sind von hunderten Schnitten und blässlichen Narben gezeichnet. Zarte, dunkelrote Schnitte winden sich über die Innenseite meiner Unterarme. Manche tanzen aus der Reihe: dick. Tief. Breit. Brandlöcher. Einige wenige, nicht so tief, wie andere. Manche mit Skalpell, andere mit Küchenmesser oder Taschenmesser gezeichnet. Ich starre mit einem leichten Gefühl der Genugtuung auf die geschundenen Arme. "Wunderschön". Als könnte man direkt, aus den Trümmern meines Herzens lesen. Als würde der ganze innere Schmerz zum Ausdruck kommen. Und ich hoffe noch immer darauf, dass jemand kommt und mein Leiden; meinen Schmerz und all meine Angst versteht. Aber auch nach 6 Jahren bin ich noch immer allein. Kam niemand, der sich um mich gesorgt hätte. Ob ich das wollte, weiß ich mittlerweile auch nicht mehr - "ist auch egal". Mitleid, will ich keines. Vielleicht etwas wie "Verständnis". Vielleicht auch noch nicht einmal das. Keine Ahnung, was ich eigentlich wirklich "will". Auf jeden Fall weiß ich schon lange, dass ich das; dieses Leben; mich, dass ich das nicht will. Nicht mehr. Diese ganzen schmerzlichen Bilder der Erinnerung - ich will sie einfach nicht mehr sehen. Will nicht mehr dieses Monster im Spiegel sehen - so hässlich, fett und grauenvoll. Ich kann, und ich werde mich nie damit abfinden, was ich bin. Wer ich einmal war. Und am wenigsten, mit dem, was ihr aus mir gemacht habt. Was DU, aus mir gemacht hast. Ich hasse mich, für jeden Atemzug, den ich tue. Ich habe das Gefühl, ich würde allen anderen; allen Menschen, die wertvoll sind, etwas Schreckliches antun. Das tue ich ja auch - ich lebe. Einfach eine grausame Zumutung, die niemand verdient hat. Richtig, es hat niemand verdient, mich ertragen, sehen, oder "lieb haben" zu müssen. Mein Beileid, an meine Eltern - ich bin ein nutzloses Kind. Nicht wert, geliebt, oder in den Arm genommen zu werden. In der Schule habe ich zu nichts getaugt. Die einzigen Fächer, die mir halbwegs lagen: Deutsch, Geschichte, Bio, Physik. Aber für einen guten Abschluss hat es nicht gereicht. Gerade mal 3,2 - und das, an einer Realschule. "Herzlichen Glückwunsch. Du bist nichts. Du warst nichts. Und, du wirst auch nie etwas sein!" Naja, was kann man schon groß von jemandem erwarten, der schon in der Grundschule nur eine 4 in Mathe "zu Stande" gebracht hat, und sonst nichts in seinem Leben "erreicht" hat? Manchmal wundert es mich sehr, dass ich überhaupt mal Freunde hatte. Ich habe diese Menschen über alles geliebt. Hätte alles getan, damit es ihnen gut geht. Dass ihnen niemand etwas antut. Ihnen wehtut. Sie verletzt. Sie glücklich sind. Ich hätte alles gegeben. Aber der Tod, war schneller. Vielleicht auch wärmer, herzlicher und liebevoller als ich. Auf jeden Fall, war er es wert, dass er nicht alleine blieb. 5 Menschen habe ich verloren. Und jeder einzelne Verlust schmerzt unglaublich. Kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal gelacht habe. Vielleicht irgendwann im Kindergarten, so ungefähr, als ich 5 oder 6 Jahre alt war. Keine Ahnung, ist auch eigentlich ziemlich egal. So egal, wie alles einfach egal ist. Einen tieferen Sinn, gibt es nicht mehr. Und Hoffnung schon mal gar nicht. Kann mir jemand sagen, welcher verrückte Spinner dieses Wort überhaupt erfunden hat? Wahrscheinlicher wieder so ein christliches Kirchenoberhaupt, oder ein vor Geld triefender und stinkender Schnösel, der eh keine Ahnung hat, was Leben für eine beschwerliche, miese Angelegenheit ist. Nehme den letzten Zug meiner Zigarette. Schiebe die Ärmel meines Pullovers hoch. Vor meinem geistigen Auge, sehe ich schon, wie sich die heiße Glut ihren Weg durch meine Haut frisst. Ich drücke sie am Unterarm aus. "Wow. Ein unbeschreibliches Gefühl - einfach der Wahnsinn". Der Schmerz des Lebens lastet für einen winzigen Augenblick nicht mehr auf den brechenden Schultern. Die ganzen Lasten fallen von mir ab. Meine gestutzten Flügel wachsen wieder nach, und ich ersteige der Asche meiner Träume, wie ein Phönix. Eine mickrige Flamme lodert wieder - irgendwo, zwischen Schutt und Trümmern, in morastiger Leere meines Herzen. "Wahnsinn". Draußen ist es immer noch finster. Genauso dunkel, kalt und leer, wie es in mir aussieht. Ich blicke zu den Wolken auf - kein Stern zu sehen - nicht ein ein einziger. Ich frage mich, ob es überhaupt noch jemanden gibt, der an mich denkt. Ob es nun hier, hier, in diesem scheiß Leben ist, oder da oben. Da oben, irgendwo, zwischen Vergessen und diesem gigantischen Wolkenmeer. "Oma, liebst du mich noch? Denkst du noch an mich...?" Tränen pressen sich still und langsam aus meinen Augen. Verlaufen sich, irgendwo in der Hässlichkeit meines Gesichts. "Opa, wie geht es dir? Siehst du mich? Warum, kannst du nicht mehr bei mir sein?" Es zerreißt mich innerlich und ich greife nach dem Messer. Wieder reiße ich tiefe Furchen in mein Fleisch. Halte den Atem an. Das Blut ist wunderschön. Dunkelrot. Einfach bezaubernd. Es läuft und läuft. Tropft hinab auf den Teppich, saugt sich in seine Fasern und hinterlässt einen tiefdunklen Fleck - egal. Dieses Leben hat einfach nichts mehr zu bieten. Was immer bleiben wird, ist diese zerreißende Leere in mir. Diese Ausweglosigkeit und die gottverdammten Schmerzen. Die schmerzende Erinnerung. Die Sehnsucht, jemanden zu haben, der an mich glaubt. Der mich hält. Der sagt, es ist "schön", dass es mich gibt. Jemanden, der mir Mut macht. Einfach jemanden, der da ist. Einfach... - ach, egal. Es gibt diese Menschen nicht mehr. Es waren fünf. Fünf an der Zahl. Und sie sind alle fort. Mussten von hier verschwinden. Weil "Gott" es so wollte. Weil "Gott" weiß, was für ein nichtsnutziges, wiederwertiges Wesen ich bin. Und seine Strafe, die ist grausam - empfinde ich zumindest so. Dieses Leben - es ist die reinste Hölle. Jeden Abend, schlafe ich ein. Mit diesen Bildern im Kopf. Das dunkelblaue Autowrack. M. und L., wie sie leblos daliegen. Schnee und Kälte, die sie langsam, still und leise zudecken. Dann bist auch du wieder da. Deine rauen Hände, die mich überall lüstern anfassen. Dein stickiger, erregter Atem, ganz dicht über meiner Haut. Deine Hand, auf meinem Mund - die andere, irgendwo anders. Und dieses dreckige "Schauspiel" geht weiter. Ich möchte schreien, aber ich kann es nicht. Ich will raus hier, aber ich kann es nicht. Dann, wieder Bilder von Grabsteinen. Mit Namen derer, die ich liebte. Rosen, die welken. Wieder kommt der Frühling - und immer noch, bin ich hier. Immer noch, "lebe" ich. Sommer, Herbst...Winter. Frühling. Ich "lebe" noch. Blätter welken an den Bäumen. Winter frisst sich in die Leere hier. "Ich kann nicht mehr." Ich nehme das Messer und schneide mit entschlossener, eisiger Härte das Aderwerk entzwei. Langsam kommt der Schlaf. Das Vergessen schleicht auf leisen Sohlen zu mir. Setzt sich neben mich ans Bett. Von weit her, kommen vertraute Stimmen auf mich zu. Ein kleines, strahlendes Licht erscheint vor meinen Augen. Es zieht mich zu dir hin. Ich verlasse diese Welt, die nur Leid, Tod und Schmerzen zu bieten hat. Ich schlafe ein, und es ist endlich still.

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Kommentare zu diesem Text


 Fuchsiberlin (15.10.09)
Sehr traurig und sehr schmerzende Zeilen. Rote Tränen, um zu spüren, um zu entlasten von dem inneren Druck, und doch keine befreiende Dauerentlastung bringen.

Diesem Menschen, der so leidet, möchte ich so vieles sagen, aber keinen "Auf-Regen-folg-Sonnenscheion"-Spruch, sondern dass er den Glauben an die Hoffnung nie verliert. Und ich aus diesem Grund diesem Menschen eine Regenbogenbrücke baue, die ihn hoffen lässt, zum anderen Ufer, zu einem besseren Leben zu gelangen.

Ganz liebe Grüsse
Jörg

 Liadane (15.10.09)
Sehr traurig, aussichtslos, fast kann man LI verstehn.
Doch auch aus solch tiefen Löchern gibt es einen Weg, ganz sicher!
Drück dich ganz lieb, Liadane

 ZornDerFinsternis meinte dazu am 15.10.09:
Das ist wahr. Von irgendwo, wird vllt. doch immer irgendwann ein Stern blass leuchten.
Danke. Drück' dich auch:)
VomLebenVerraten (28)
(16.10.09)
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 ZornDerFinsternis antwortete darauf am 16.10.09:
Vielen, vielen Dank, Liebes:)
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