Wo der Himmel keine Sterne kennt

Brief zum Thema Abschied

von  ZornDerFinsternis

Ich wache auf. In einer Schwärze, die so mächtig und erhaben ist,
das es unmenschlich ist, sie einem einzigen aufzulasten.
Und wie oft ich meinen Kopf auch in die Höhe gerichtet habe,
in der Hoffnung ein Licht; einen winzigen Stern zu sehen -
wurde ich doch jedes Mal bloß enttäuscht.
Mag sein, dass schlechte Menschen bloß Enttäuschungen verdienen,
aber hat man sich jemals die Gedanken gemacht, ob dieser Mensch
schon immer so gewesen ist? Wie er so geworden ist? Warum?
Wodurch? Wie lange schon...?
Nein, natürlich nicht. Niemand macht sich Gedanken um die Welt.
Um die Menschen und die Sorgen darin. Heute ist ein toller Tag - ja genau.
Natürlich ist er das nicht. Wie sollte er auch? Ich freue mich so - ich bin am Leben.
Nein, natürlich freue ich mich nicht. Nein, ganz sicher nicht.
Ich atme Gift und Scherben ein. Alpträume spuken zu jeder Zeit durch meinen Schädel,
lassen keinen Platz für einen anmutigen, winzigen Gedanken.
Und nein, ich freue mich nicht zu leben.
Ich sollte das Leben schätzen, das weiß ich auch, aber mir ist nicht mehr danach.
Alles, was meinem Leben einen Wert gegeben hat, habe ich verloren.
Irgendwo da draußen, in tiefdunkler, einsamer Nacht. Einsam bin ich. Gottverlassen.
Und ja, ich hasse dieses Leben. Mein Leben. Die Welt und am meisten, mich, dafür.
Ich habe nichts mehr, nur die Erinnerung, die ich nicht mehr bei mir halten kann.
Die sich von mir losreißt, um ins Vergessen und die Vergangenheit einzugehen.
Ich habe nichts, außer diesen vielen Narben. Diese Schnitte, die einige Messer und Rasierklingen
im Stillen in mein Fleisch gerissen haben.
Nur diese leise, ganz schwache Melodie, in meinem Herzen. Ich kann sie schon nicht mehr hören,
doch weiß ich, dass sie da ist. Dass sie NOCH da ist. Irgendwann, wird auch sie mich verlassen haben.
Verlassen. Um irgendwo, in der Dunkelheit einen neuen Augenblick der Schönheit zu finden.
Ich brauche keine Flügel mehr, um die Treppen im Hochhaus zu steigen. Es sind einige Stufen.
Und, irgendwie erinnern sie mich an mich. An meine gescheiterten Versuche, das Leben zu lieben.
Den Menschen noch mehr Vertrauen und Gutes zu geben. An mein Bemühen für Schule und Ausbildung, das mir doch
nichts genützt hat. Ich bin und bleibe ein Versager. In diese Rolle wurde ich hinein geboren und werde sie
nicht lebend hinter mir lassen können. Für mich gibt es keine Beförderung. Keinen Job. Weil es für mich, nichtmal
ein Leben gibt.
Und, das Einzige, das ich habe, ist neben der quälenden Gewissheit, dass dies noch ewig so weitergehen muss, ist
das Wissen, dass der Mensch, der mir als einziger bleibt; den ich am meisten liebe, dass dieser Mensch mich
verlassen muss.
Niemand kennt den Tag und das Jahr. Aber eins ist sicher, es werden nicht mehr viele Jahre bleiben.
Ich habe Angst, dich gehen lassen zu müssen. Die Schmerzen in deinen so wunderschönen Augen schreien zu sehen.
Habe Angst, dass ich deine Hand nicht halten kann. "Wenn du gehst...dann komm ich mit.", ja...aber ich kann dein
Leid nicht ertragen. Breche fast so sehr an deinem Schmerz kaputt, wie du selbst.
Ich kann nicht mehr zusehen, bitte verzeih mir irgendwann.
"Wenn du gehst, dann bin ich schon da und fang dich auf".

Ich liebe dich, gib niemals auf.

XYZ

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Kommentare zu diesem Text

weitblick (20)
(27.12.09)
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 ZornDerFinsternis meinte dazu am 27.12.09:
Hab vielen Dank. Klar, wäre es wünschenswert, dass man nicht nur einen Menschen hat. Aber oftmals ist es leider so. Ich danke dir sehr, und hoffe, du hast die Festtage schön verbracht :) LG, Anni
weitblick (20) antwortete darauf am 27.12.09:
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 Dieter Wal schrieb daraufhin am 27.12.09:
Wenn sich Freunde (Liebende) gegenseitig stützen, ist das mehr als man von ihnen erwarten kann, aber sollte. Hier scheint die Textsituation darauf hinzudeuten, dass beiden Depressionen bekannt sind.

 ZornDerFinsternis äußerte darauf am 28.12.09:
Ja, Dieter. Beiden ist es bekannt und seit Jahren vertraut. Nur einer der beiden kämpft mit einer Krankheit, die ihn früher oder später das Leben kosten wird. Die schreibende Person ist hilflos. Unsterblich verliebt. Und kann das Leid des Gegenüber nicht mehr aushalten und wünscht sich, vor ihm dort zu sein, um ihn aufzufangen und zu sagen: Ich liebe dich.

 Fuchsiberlin (28.12.09)
Sehr traurig und sehr schmerzvoll. Zwei Menschen, die darum kämpfen nicht in den Abgrund zu fallen, der ihnen so nahe ist. Zwei Menschen, die eines noch haben: Die Liebe füreinander, das Wichtigste im Leben eines Menschen. Und die doch dadurch umso i ntensiver das Leid des anderen spüren und manchmal in Hilflosigkeit zum Abgrund hinabblicken. Der Schmerz des anderen wird zum eigenen Schmerz. Die Liebe kämpft mit der Hoffnungslosigkeit.

Die Hoffnung - eine zarte Blüte - sollte von beiden sehr gut gepflegt werden. Die Liebe kann vieles bewirken!

Ganz liebe Grüsse
Jörg

 ZornDerFinsternis ergänzte dazu am 28.12.09:
Danke, Jörg. Und ich freue mich immer, deinen Optimismus zu hören (lesen), obwohl das Leben dir so unwahrscheinlich ungerecht und grausam gegenüber trat. Du bist ein sagenhafter Lehrmeister :) Anni
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