Im Mondlicht sieht die Welt (meine Tränen) nicht

Text zum Thema Selbsthass/verletzung/mord

von  ZornDerFinsternis

Es regnete, als ich das Haus verlies. Der Abend neigte sich dem Ende zu.
Irgendwas kurz vor Mitternacht. Die verinzelt, in die Gegend gestreuten Straßenlaternen würden bald erlischen.
In den meisten Fenstern war auch schon Dunkelheit eingekehrt und der Schlaf in die Menschen eingezogen.
Meine Schritte waren lahm, so furchtbar müde, wie ich es, des Lebens war.
Wind zog auf. Von Norden, denke ich - egal. Er peitscht winzige Regentröpfchen auf meine Stirn. So fallen
wenigstens niemandem meine Tränen auf. Sofern ich in dieser Abgeschiedenheit, um diese Zeit, überhaupt noch jemandem
begegnen sollte. Ich steckte mir die nächste Kippe in den Mund, lies das Feuerzeug aufschnippen und inhalierte
genussvoll den Rauch. Einige hastige Züge, dann wurde der Abstand bis zur nächsten Inhalation größer.
Meine Gedanken kriesten wie Aasgeier, in meinem Kopf umher. Immer weiter im Kreis. Engere Kreise ziehend, bis sie
sich blitzschnell, von einem zum nächsten Augenblick, auf ihr argloses Opfer warfen. Nur, bin ich das Opfer. Das
Opfer meiner Gedanken. Die Vergangenheit lässt mich nicht ruhen. Wieder, eine schlaflose Nacht, in der ich einsam
durch die versifften Straßen dieser niederträchtigen Stadt, voller verlogener Spießer, irre.
Ich kämpfe mich über die Kreuzung. Der Wind hat mir das nasse Haare ins Gesicht gedrückt. Ich blinzle. Sehe nur
winzige Lichtreflexe durch den Vorhang auf meiner Nase. Setze langsam einen Fuß vor den anderen.
Ich bin nicht ängstlich, nur einsam und unentschlossen. Schade, dass gerade kein Auto mit besoffenen Jugendlichen
die Krezung passiert und mich über den Haufen gefahren hat.
Ich schließe für einen Moment die Augen. Es ist herrlich still hier draußen. Es gibt nur mich, die schmutzigen Stiefel, die Kippe, den Wind, die Tränen und einen Entschluss.
Ich stecke die nächste Kippe an. Gleiches Spiel, selbe Regeln. Ich rauche sie hastig auf, drücke sie an meinem Unterarm aus. Der Regen streichelt über die frische Wunde hinweg. Es fühlt sich gut an. Fast so, wie bei Papa damals. Mir ist kalt. Der Wald taucht langsam hinter den Häuserketten auf. Ich beginne zu rennen. Zu laufen, wie ich noch nie gelaufen bin - auch damals, bei den Bundesjugendspielen nicht. Schwarz, Häuser, Stadt und Einsamkeit fliegen an mir vorbei, als würden sie in einem Schwarzenwirbel des Weltalls verschluckt werden. Genauso fühle ich mich. Als würde mir irgendetwas, oder irgendjemand, das ganze Leben ausgesaugt haben. Freude habe ich lange Jahre nicht mehr erfahren. Ich erinnere mich nicht mehr daran, was Geborgenheit und was Vertrauen war. Nur an Liebe kann ich mich noch ganz schwach erinnern. An die blauen Flecke, nachdem du heimgekommen warst. An die Tritte und Schläge, wenn ich dich bloß angesehen habe.
Ein leises Knärzen holt mich aus meinen Gedanken, zurück in die Realität. Der Wald umgibt mich. Meterhoch, türmen sich die Bäume um mich. Buchen, Eichen - vereinzelt ein paar Birken und Tannen. Sie ragen bis in die tiefste Schwärze des Firmaments empor, als würden sie sich schützend um mich gereiht haben.
Ich höre von fern her leises Flüstern. Vielleicht die Engel...vielleicht bloß der Wind - egal.
Im Mondlicht sieht die Welt meine Tränen nicht. Richte den Lauf der 44'er an meine Schläfe. Schlucke ein letztes Mal die Verachtung, Vorwürfe, Fragen und Ängste hinunter. Schließe die Augen fest. Kleine gelbe, lilane, grüne, braune und blaue Ringe kreisen durch gräuliche Schwärze. Nur ein leises "Ploff" ist zu hören - genial, so ein Schalldämpfer. Sinke zu Boden und bleibe leblos im Schlamm liegen. Nur, die 44'er in der Hand, ein blutiges Loch in den Schädel gefetzt und einen ausgebombten Krater im Herzen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 franky (07.02.10)
Hi liebe Anni,
Weinen ist ein Rufen, das jemand hören soll. Du weinst nicht um dir dein Herz auszuschütten, es soll jemand aufrütteln. Vielleicht mal bei Tageslicht auf die Straße gehn...Das Bild mit der Vierundvierziger mit Schalldämpfer würde zu einem "Tatortkrimi" passen. Du könntest doch gute Krimi schreiben;? Dort könntest du vieles von deinen Gefühlen wirtuell einpacken.
Traurig, fesselnd und spannend geschrieben.

Herzliche Morgengrüße
von

Franky

 franky meinte dazu am 07.02.10:
PS:
Da habe ich noch was:
"Die verinzelt, (müßte "vereinzelt" heissen) in die Gegend gestreuten Straßenlaternen würden bald erlischen (erlöschen) .

 ZornDerFinsternis antwortete darauf am 07.02.10:
Ach Franky..., du bist wieder mal viel zu lieb ^^ Dankeschön, ich werde tun, was ich tun kann - versprochen ;) LG, Anni
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram