Zahnpastaromantik

Roman zum Thema Verlangen

von  Mutter

„Spinnst du?“, zischt Luisa und beugt sich dicht an mich heran. Ich schmecke gerade die Soße mit spitzen Lippen ab. Sie hätte nicht flüstern brauchen – Tiger ist im Bad unter der Dusche, kann uns nicht hören.
Ich verziehe das Gesicht, drehe mich zu ihr um. „Ich hab’s dir schon erklärt – er weiß nicht wohin.“
„Das ist mir egal. Soll er zu einem seiner Junkie-Freunde, oder ins Heim  – nur nicht zu uns“, herrscht sie mich an. Ich habe unterschätzt, wie wütend es sie machen würde, dass ich darüber nicht vorher mit ihr gesprochen hatte. Sie stattdessen vor vollendete Tatsachen stelle.
„Tiger ist kein Junkie!“ Meine Stimme nimmt einen grollenden Ton an, sie zieht sich zurück. Hebt die Hände, sagt: „In Ordnung. Es tut mir leid. Er sieht halt etwas fertig aus und riecht streng. Das ist alles.“
Ich zucke mit den Schultern, wende mich wieder dem Herd zu. Probiere schlürfend, halte ihr den hölzernen Löffel hin. Sie streckt den Kopf vor, kostet vorsichtig. „Hmmm …“, beurteilt sie anerkennend.
„Hör zu, es tut mir leid, dass ich dich nicht vorher gefragt habe. Ich hätte dich nicht überrumpeln dürfen. Aber das hier ist mir wichtig, verstehst du das?“
Sie hält meinem eindringlichen Blick für einen Augenblick stand, nickt dann ernsthaft. Lächelt. „Ja, das verstehe ich, Luca. Und es ist in Ordnung.“
„Wirklich?“
Sie nickt noch einmal. „Ja. Es tut mir leid, dass ich überreagiert habe.“
Ich schüttel den Kopf, küsse sie auf die Stirn. „Sag dem Lahmarsch, dass es in zwei Minuten Essen gibt, ja?“
Sie geht mit einem Grinsen Richtung Bad und ich lasse die Filetspitzen ein letztes Mal in der Pfanne springen, bevor ich anfange, das Essen rüber ins Wohnzimmer zu tragen.

Der erste Teil des Essens verläuft fast stumm. Tiger hat bei unserer Ankunft mitbekommen, dass es Stress gegeben hat, fühlt sich sichtlich unwohl. Luisas und meine Versuche, Kommunikation zu betreiben, fruchten nicht. Er traut dem Braten nicht, weiß nicht, was in der Küche passiert ist. Aber nachdem Luisa ein paar Mal Sachen fragt, wissen will, wie die Geschichte mit Manne gelaufen ist und ehrlich interessiert ist, taut er langsam auf.
Er sieht verändert aus – die kurzen Haare schimmern feucht und das Licht der Kerzen spiegelt sich in seinen dunklen Augen. Ich muss grinsen, als ich sehe, mit welchem  Appetit er sich das Essen reinschaufelt. Er hält kurz inne, als er meinen Blick bemerkt.
„Mach weiter. Macht mir Spaß, dich essen zu sehen. Auch wenn ich das wohl kaum meinen Kochkünsten, sondern eher deinem Hunger zuschreiben sollte.“
Luisa nutzt sofort die Gelegenheit, das Essen zu loben. So hatte ich das nicht gemeint, bedanke mich trotzdem artig.
Fleisch konnte ich immer gut kochen. Habe ich tatsächlich von meiner Großmutter. Aber bevor ich Luisa kennengelernt hatte, war Gemüse bloß eine Beilage. Relativ uninteressant. Sie ist früher Vegetarierin gewesen, und obwohl sie inzwischen wieder Fleisch isst, hat sie mir beigebracht, Gemüse mit neuen Augen zu sehen. Ihm mehr Respekt entgegenzubringen. Ich kann dadurch sogar Gerichte völlig ohne fleischliche Zutaten kochen.
Unser Essen entwickelt sich zu einer netten Runde. Wir unterhalten uns, machen Witze, lachen – es ist fast so, als hätten wir unseren guten Freund Tiger für ein gemeinsames Abendessen eingeladen. Er räumt ab. Ich will ihm helfen, aber Luisa stoppt mich, macht es mit ihm zusammen.
Obwohl wir danach noch eine Weile beisammen sitzen, löst sich unsere Runde relativ schnell auf. Luisa will ins Bett, Tiger sieht ebenfalls hundemüde aus.
Ich bereite ihm das Sofa vor, beziehe es und lege ihm Bettwäsche raus. Sofort ist seine frühere Verlegenheit zurück – ich schlage ihm auf die Schulter. „Denk nicht weiter drüber nach – ich mache nicht mehr als gutes Karma zu sammeln. Das bekomme ich alles irgendwann vom Kosmos zurück.“ Er lächelt schief, nickt.
Ich gehe zu Luisa ins Badezimmer.

Während wir die Zähne putzen, beide zusammen vor dem Spiegel – sie vorne, ich hinten, fängt sie an, sich an mir zu reiben. Ich spüre ihren weichen Hintern an meinem Schwanz, werde hart.
„Hör auf“, sage ich, versuche ohne Erfolg, sie etwas wegzuschieben. Sie lacht, etwas Zahnpasta läuft ihr aus dem Mund. Ich habe nur eine Boxershorts und ein T-Shirt an und bin nicht sicher, ob ich die Ergebnisse von Luisas verspielter Aufmerksamkeit unbemerkt durchs Wohnzimmer ins Schlafzimmer schmuggeln kann.
Statt aufzuhören wird sie richtig frech – greift mir in den Schritt, sieht mir dabei grinsend ins Gesicht. Mit einem Kopfschütteln entscheide ich, sie gewähren zu lassen. Will ihre gute Stimmung nicht dämpfen – dafür bin ich zu froh, dass sie sich mit Tiger arrangiert hat. Es keinen Ärger mehr zwischen uns gibt.
Als ich mich vorbeuge, um die Zahnpasta auszuspucken, umschlingt sie mich von hinten an der Hüfte, hält mich fest. „Ich liebe dich“, flüstert sie.
Anstatt mir den Mund auszuwaschen, drehe ich mich um, ziehe sie zu mir hoch. Bevor sie sich wehren kann, küsse ich sie fett auf den Mund. Als sie merkt, dass ich sie mit minzigem Schaum verschmiere, will sie zurückweichen, aber ich halte sie fest. Küsse sie, bis wir aussehen wie zwei Kinder, die heimlich mit Rasierschaum gespielt haben. Sie lacht, ich grinse. Wir küssen uns ein erneut.
Als wir endlich Atem holen, lehne ich mich etwas zurück, um sie besser betrachten zu können. Streiche ihr eine widerspenstige dunkle Locke aus dem Gesicht, schiebe sie hinter ihr rechtes Ohr. Dafür ist ihr Haar zu kurz – rebellisch fallen die Haare wieder nach vorne.
„Wie passend“, flüstere ich. Als würde ihr die Sturköpfigkeit bis in die Haarspitzen reichen.
„Was denn?“, will sie mit einem Lächeln wissen, die Stirn ganz leicht gerunzelt. Statt zu antworten, verschließe ich ihre Lippen erneut mit meinen.

Kurze Zeit später liegen wir eng umschlungen im Bett – ich in ihrem Rücken, mein Gesicht in ihren Haaren vergraben. Meine Hände wandern über ihren Körper – streicheln Hüfte, den Bauch und ihre Brüste. Ihre Hand ergreift meine, führt sie in unverfänglichere Regionen. Als ich versuche zu entkommen, zischt sie herrisch: „Shhhhh. Er könnte uns hören.“
„Und?“ Ich zucke mit den Schultern, mein Grinsen kann sie nicht sehen. „Soll er doch. Tiger weiß bestimmt, dass Paare manchmal ficken.“
Sie antwortet mit einem missbilligendem Laut. Mag das Wort nicht, und eigentlich benutze ich es nur, um sie damit aufzuziehen.
„Liebe machen“, korrigiere ich mich mit ironischem Unterton.
Sie dreht sich halb zu mir um. „Vergiss es. Dass du Streuner mit nach Hause nimmst – okay. Aber wenn du glaubst, dass ich mit dir schlafe, während der Kerl nebenan liegt, hast du dich geschnitten. Aber gewaltig!“
„Pffff. Mich erst im Bad hochkochen und jetzt einen auf frigide machen. Spinnst wohl.“ Bevor ich den Satz richtig beenden kann, küsst sie mich auf mein Lächeln.
„Musst ihn halt schnell wieder loswerden“, flüstert sie mit leicht heiserer Stimme. „Und schon bekommst du auch wieder Sex.“
„Okay, ich schmeiß ihn raus“, rufe ich halblaut und tue so, als würde ich aufstehen. Mit einem stummen Lachen hält sie mich zurück. „Du bist ein Spinner, Luca.“
Wir küssen uns, bis wir beide müde sind und nebeneinander einschlafen.


Anmerkung von Mutter:

Meinen Dank gilt an dieser Stelle blaubeermund, die den Begriff der Zahnpastaromantik geprägt hat. Die Praxis war mir zwar bekannt, aber der Begriff nicht.

Ob sie das gemeint hat? :D
Man weiß es nicht ...

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Kommentare zu diesem Text

blaubeermund (26)
(09.04.10)
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blaubeermund (26) meinte dazu am 30.04.10:
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 franky (05.05.10)
Hi Muter, du hältst mich so in Atem!
Muß aber jetzt mein Mittagessen brauen, sonst verhungere ich..
Einfach toll wie du schreibst.

Herzliche Grüße

Franky

 Mutter antwortete darauf am 05.05.10:
Sehr gut, vielen Dank ...
Und guten Appetit! :)
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