Sommerpsychose

Text zum Thema Denken und Fühlen

von  Erdbeerkeks

Ich hab mich schon so gefreut. Auf den Sommer und sogar ein wenig auf die Sonne, obwohl ich sie eigentlich nicht mag, weil sie viel zu warm ist.
Darauf, dass die Tage länger werden und dass ich mehr Zeit habe, zu verstehen. Dass alles Kalte schmilzt und ich abends im Bett liege und ich so breit lächle, dass ich am nächsten Morgen mit Muskelkater im Gesicht aufwache.
Draußen auf dem Rasen vor meinem Fenster wächst Löwenzahn und der Himmel ist so blau wie ich am letzten Samstag und ich könnte kotzen, weil alles vor Euphorie und Glück nur so strotzt. Ich hasse dieses ewige Getschilpe der Vögel und die Sonne, die mir auf meinen Rücken scheint und ohne mich an deiner Schulter für mich vollkommen nutzlos ist.
Ich hasse die einsamen Spaziergänge durch Felder hindurch, den Geruch von frisch geschnittenem Gras und das leise Surren von Traktoren in weiter Entfernung. Ich hasse Zuckerwattewolken und die warme Luft, die sie vorantreibt und zerpflückt, noch mehr als das Gras, auf dem ich liege. Ich hasse das alles ohne dich.
Ich bin draußen, inmitten all dieser nervenaufreibenden Dinge und blättere in deinen Gedanken, wie in einem schlechten Roman. Alles fällt auseinander und Kopien hab ich nicht.
Ich höre Schritte auf dem weichen Boden, jemand legt sich neben mich.
„Ich hasse den Sommer auch“, sagt er leise und nimmt meine Hand.
Auch wenn wir hier im Warmen fast einschlafen, die Sonne auf unserer Haut brennt, die schwüle Luft kurz über dem Horizont flimmert und das Wassereis in unseren Händen schmilzt. Auch wenn das Thermometer weit über 20°C anzeigt, die Leute ihre Sonnenschirme aufspannen und die Grillen im Grastreifen am Straßenrand stetig zirpen;

Unsere Herzen bleiben kalt.

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Kommentare zu diesem Text

Maskitow (25)
(26.04.10)
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 SunnySchwanbeck (28.04.10)
"dass ich am nächsten Morgen mit Muskelkater im Gesicht aufwache."

Liebe diesen Satz.
Gelungen, wie immer Frau Keks. Wassereis mögen sie also auch?
Kuesschen.

 Maya_Gähler meinte dazu am 20.06.10:
sorry, wenn ich mich hier anhänge, aber genau diesen Gedanken hatte ich auch... Lieblingsstelle: "dass ich am nächsten Morgen mit Muskelkater im Gesicht aufwache."
Einfach klasse dieser Satz.
Und keine Bange, jedes Eis schmilzt irgendwann (wenn ich jetzt ganz böse wäre, würde ich den Vergleich zu den Gletschern anbringen, aber bin ja nicht böse ;o) )
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