aus den augen

Brief zum Thema Augenblick

von  redangel

ich lasse dich nie mehr.
dabei befasse ich mich nicht im herkömmlichen Sinne mit dir.
wir haben uns beide nicht wirklich gesehen, da kannten wir uns schon, wir kannten uns längst.
ich hatte so viele bilder von dir im kopf, vorher schon.
bevor ich das erste echte von dir in meinen händen hielt. ich fasste dich nicht wirklich an. aber ich befasste mich ernsthaft ausdrücklich ausgiebig wirklich sehr mit dir. stark im wörtlichen sinne. bevor ich mich dagegen erwehren konnte, gewann ich schon jedes einzelne kleine wort von dir lieb. ich nahm deine worte in mir auf. sammelte deine worte, sammelte sie wie in der steinzeit die frauen ihre beeren. pflanzennahrung. während die männer jagten. während ich immer ein auge auf den eingang der höhle haben mußte. das feuer nie ausgehen lassen durfte. um die wilden tiere damit abschrecken zu können. du ich hütete deine bilder, die höhle. szenen die du an die höhlenwände gemalt hast für mich. mit diesen warmen leuchtenden naturfarben. dich auf der jagd. dich im kampf mit dem bären. dich mit dem mamut als beute. unsere sprache beschränkte sich anfangs nur auf ein paar sätze. die ich in meinem kopf wie aufregende kurzfilme immer abspulte, immer wieder ansah. sah. mit feuereifer. atemlos verfolgte ich jeden deiner filme bis zum ende. sie erregten meine aufmerksamkeit, stillten meine abenteuerlust. sie berührten mich dort, wo ich mich nie wehren konnte. instinktiv. gegen eine berührung. sie packten mich bei meiner eigenen vorstellungskraft. deine worte haben mich so angestachelt. meine phantasie erweckt durch zärtlich leises geflüster, laut herausgebrüllte wut oder sachlich vorgetragenes. ich antwortete dir mit meinen. mit unseren worten berührten wir uns gegenseitig sehr direkt indirekt. nicht auf die übliche weise. wir berührten uns von innen nach außen, nicht wie normalerweise üblich von außen nach innen. nicht durch einen händedruck. oder durch eine herzliche umarmung. wir brauchten unsere hände dafür nicht. weder beide arme noch lippen. trotzdem befühlten wir uns hautnah. trotzdem spürten wir uns. trotzdem küssten wir liebevoll in gedanken den mund des anderen. ich fühlte mich sehr nackt vor dir. aber ich schämte mich keinen augenblick lang dafür. ich habe mich sprichwörtlich ganz ausgezogen. du siehst mich mit staunenden augen. wir erfassen uns wort für wort und langsam begreifen wir alles. uns mit dem nötigen fingerspitzengefühl. wir besitzen es beide. genau wie die unverfrohrenheit und die frechheit. du weißt schon, ich weiß. mitgefühl sitzt uns immer schon mittendrin im gehirn. von dort rutscht es gelegentlich tiefer bis hinein ins herz. nur feinfühlige menschen besitzen diese herzlichen direkten worte in ihrem speicher. bewahren sie. deine augen sprechen mir bände. hals über kopf fällst du mir wortlos stumm in meine. dort lesen wir gierig einer vom anderen beispiele ab. das ungesagte, die vorsicht, die tollkühnheit. du, wir werden immer offene augen haben füreinander. augen die große risiken in sich bergen. verletzlichkeit zeigen könnnen, auch betroffenheit. du hast schrecklich schöne augen. einen tiefen blick. auf den bildern die ich von dir gesehen habe hast du total warme augen. ich sehe mich direkt darin auf dem kopf stehen. ich bade mich genüsslich in deinen. ich lese dir herzlich viele schönen worte heraus. auch die schlimmen worte lese ich, die wütenden, die grausamen. darüber verlieren wir uns nicht. keiner mehr. die härte mit der sie dich getroffen haben früher, vergiss sie. du, aber dein blick ist unverstellt geblieben. deine augen, sie lügen mich nicht an. sie haben erfahren, eigene erfahrungen gemacht, sie haben mich trotzdem wahrgenommen. ich schwöre es dir, du hast mein wort. darauf, daß wir uns nie verlieren. nie mehr aus ihnen verlieren können.
ich lasse dich  nie mehr 

(c) redangel

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