Station Ostkreuz
Text zum Thema Abenteuer
von max.sternbauer
Die Nazischweine fuhren im Waggon vor mir. Eigentlich hatte ich vorgehabt sie nicht zu beachten, damit sie mich nicht beachteten. Aber bei einer S-Bahnendstation war ihr Pfad vorgezeichnet. In die andere Richtung ging es nicht und sie wollten sicher nicht durch die Station, um in einen anderen Stadtteil zu gelangen. Vor dem Einsteigen hatten sie sich geschupst und in den Schwitzkasten genommen. Wenn ich es richtig gesehen hatte, dann war auch etwas Silbernes zwischen ihnen herumgereicht worden, woraus sie tranken. Auf ihre Gesellschaft legte ich keinen Wert. Nur um eines vorneweg zu nehmen, die Typen waren genau das was ich sie am Anfang auch genannt habe. Zumindest kenne ich keine Zeugen Jehova s mit einem Reichsadlertatoo und Hakenkreuz auf einem rasierten Hinterkopf. Der Ärger mit der Polizei, der tagtäglich abzusehen war, musste es ihm wert gewesen sein. Als der Zug schließlich kam, setzten sie sich in einen anderen Wagen. Da hätte alles vorbei sein können, weil sich unsere Wege gabelten. Was in den nächsten Fünf Minuten drüben geschah, das weiß Ich nicht. Nur das bei mir ein Märchen begann. Leider kein schönes, wo eine Prinzessin ein Topf mit Juwelen oder Ein Scheich wartete, der mir sagte Ich wäre sein lange verschollener Sohn. Nein, eines das so hirnverbrannt war, dass es nur in der Zeitung stehen konnte. Mir ist die Scheiße passiert. Ein Kokon aus Zeitungen saß da, in einer Ecke am Fenster. Verwundert war ich weil ihn niemand weggeräumt hatte. Das war nämlich eine Menge Papier. Ich wollte das Ding gar nicht weiter beachten. Ein Berg Papier in der S-Bahn, ärgerlich aber was soll´s. Aber dann fiel mir wieder etwas ein. Kokon. Das Gebilde war symmetrisch. Es war eigentlich kein aufgeschütteter Haufen mit Unregelmäßigkeiten, sondern mit einer ebenen Oberfläche. Ich sah es an, als hätte es mir eine Frage gestellt, die ich nicht beantworten konnte. Na ich wunderte mich einfach weiter und sah nach draußen. Da aber fiel mir wieder etwas ein oder auf. Ein Rohrbruch. Auf einer neuen Ausgabe einer Tageszeitung wurde von einer Überschwemmung in meiner Straße erzählt. Ich drehte meinen Kopf ein wenig um besser lesen zu können. Da faltete sich etwas auseinander und ich starrte in das Auge. Ich fiel direkt in seinen Blick. Es bohrte sich direkt in mein Gehirn. Schreiend ohne meinen Mund zu öffnen, sprang ich zurück und landete schwankend auf den Füßen. Eine Erschütterung des Zuges schickte mich auf den Metallboden. Das Gebilde blähte sich auf und streckte sich nach oben von dem Sitz weg. Als würde etwas seine Flügel ausbreiten. Meine Stimme war wohl nur noch in höheren Frequenzen hörbar, als Es sich endgültig öffnete. Und ich auf einen Obdachlosen mit verfilztem Bart und Bierbauch starrte. Was genau die Züge des Mannes erzählten, konnte ich nur erraten. Denn er war geschminkt. Ein schmutziges Weiß überzog sein Gesicht und etwas davon klebte in seinem Bart. Rund um die Augen hatte er einen schwarzen Rand gezogen, der aber stellenweise verwaschen war. Er sah aus wie ein melancholischer Clown, den jemand vergessen hatte. Ich rieb mir meinen Rücken, als er mir seine Hand reichte. Sie steckte in einem zerschlissenen Handschuh. Was tat wohl jeder in so einer Situation? Ich bot ihm einen Kaugummi an. Um meine zitternden Hände zu beschäftigen, steckte ich sie in die Aktentasche. Gleichzeitig fragte ich, „Kaugummi“? Aber der Mann runzelte nur die Stirn. Dann deutete er auf beide Ohren und schüttelte den Kopf. Mittendrinn im Wühlen hielt ich inne. Taub, ach so. Ich holte die Packung aber trotzdem raus und reichte sie ihm. 5 Sekunden danach saß ich neben ihm und kaute. Unter seinem Pullover konnte ich ein gestreiftes Hemd erkennen. Mit zwei Fingern faltete er seinen in mehreren Schichten genähten Mantel aus Zeitungen zusammen. Hinter mir schlug etwas gegen eine Scheibe. Die Nazis warfen Dosen gegen das Fenster, wo sie eine rote Zielscheibe gemalt hatten. Daneben stand einer mit einem Stift und markierte die Treffer. Anscheinend waren sie sich über die Regeln nicht ganz einig, denn sie stritten sich in vorhersehbaren Abständen. Arme machten theatralische Gesten. Aber, sie grinsten breit dabei die ganze Zeit über. Denen ging es von Sekunde zu Sekunde aufwärts besser. Zum Kontrast dazu, war der Anblick meines Nachbarn wie aus einem von Smog angegriffenen Stück grauen Steines gehauen. Dann machte er eine Bewegung wie ein Scheibenwischer vor seinem Gesicht und schob dabei eine Augenbraue hoch. Ich drehte mich um und hob die Schultern. Dabei hatte ich mir nichts gedacht. Es war nur ein Reflex. Mein neuer Freund schüttelte den Kopf. Dann las er etwas bei mir und nahm meine Schultern in die Hände. Ich stemmte mich weder dagegen oder schlug seine Berührungen weg. Das war vielleicht komisch. Ich versteh es jetzt immer noch nicht. Nicht das mich hinterher die Erleuchtung erwischte. Mir kam das nicht spanisch vor, sondern babylonisch. Doch lies ich zu das er meine Bewegung von vorhin wiederholte und wild dazu mit dem Kopf schüttelte. Schön langsam verstand ich was er wollte. Eigentlich kam ich nicht selber drauf. Jemand baute für mich die Gedanken zusammen, die wie von einem Luftzug da hinein getragen worden waren. An jedem Bahnsteig sah ich Leute, die kopfschüttelnd den Waggon mieden. Genau wie ich vorhin mit den Schultern gezuckt hatte, zuckten jetzt alle mit den Schultern. Da stellte sich mir eine Frage, die ich mir ausnahmsweise selbst zusammengebastelt hatte. Wollte ich das etwa eine Großmutter, mit ihrem Einkaufswagen, denen da drüben sagte wohin sie sich ihre Bierdosen stecken konnten. Sie waren laut, aber mehr fiel mir auch nicht auf. Sogar die rote Farbe wischten sie Weg, ehe ein Kontrolleur kam. Aber jetzt musste ich ihm klarmachen, dass ich ihm verstanden hatte. Also schrieb ich etwas auf einen Zettel. Aber er konnte nicht lesen. Seufzend gab ich es auf. Aber er nicht. An einer Stange haltend, drehte er sich um und winkte mir zu. Um die Station Alexanderplatz, auf dem U-Bahnplan, machte er mit seinem Finger einen Kreis. Seine beiden Hände falteten sich wie bei einer Ikone und sein Gesicht lehnte er an sie mit geschlossenen Augen, als würde er tief schlafen. Na klar, er wohnte beim Alex. Mit einer eleganten Bewegung machte er Platz und schaute mich fragend an. Ich suchte daraufhin Ostkreuz und tippte dahin. Er hob den Daumen und nickte. Da war das Eis zwischen uns gebrochen. Aber wollte ich das?? Er wurde nämlich mein Reisegefährte bis zum Ende. Mit seinem Schauspiel zeigte er mir an welcher Ecke er Unter den Linden immer stand und seine Pantomime- Tricks aufführte (einmal zeigte er zu den Nazis rüber, tat so als würde sein Kopf aufklappen und sein Hirn davonfliegen). Dann kam was kommen musste, er fragte mich ob ich ihn auf ein Bier einlud. In Ostkreuz stiegen wir aus und Ich dachte wirklich, die Nazi-Typen sehe ich zum letzten Mal. Wir beide hatten hier Wurzeln geschlagen und starrten auf einen Zug. Dann trat mein Nachbar an eines der Fenster, hinter denen wir sie sehen konnten und schlug mit den Fingerknöcheln sanft dagegen. Innen richteten sich die Köpfe nach der Erschütterung aus. Ohne Worte taxierten sie ihn und starrten dann auf den Mittelfinger. Freudig und strahlend fuchtelte er mich zu sich her und er brauchte mich nicht zu überreden. Wir zeigten ihnen nur eines; Arschloch. Ihre Gesichter glitten an uns vorbei, als sich der Zug nach einer Unendlichkeit endlich in Bewegung setzte. Die U-Bahn war fast schon von dem Dunkel des Tunnels verschlungen und ich begann schon diesen netten Abend als Anekdote zu speichern. Der letzte Waggon blinkte mit all seinen Lichtern, als abgebremst und zurückgesetzt wurde. Bis genau vor meinen Fußspitzen. Dort öffnete sich die Türe und Vier Muskelbepackte Schränke stürmten heraus und starrten auf uns herab. Von welcher Höhe auch noch! Ich sah nur Schatten. Entweder würden sie uns nur herablassend verarschen, oder die Scheiße aus dem Leib prügeln. Sicher war letzteres. Unsere Arme waren immer noch in die Luft und unsere Mundwinkel nach oben gestreckt. Aber wohl eher aus Angst verkrampft. Einer von ihnen mit Sonnenbrille und Ohrring bewaffnet, wie ein Pirat, kam auf mich zu. Die Augen von mir und dem Obdachlosen, wanderten jeweils in die hinterste Ecke ihrer Höhlen. Wir rannten los. Und als hätten wir diese Nummer geprobt, sie zwei Sekunden hinter her. Wir rannten, denn der Tod jagte uns. Gut, vielleicht war das ein wenig übertrieben. Aber in diesem Moment, in dieser Sekunde war mir diese Gewissheit bis in die Knochen hineingefahren. Ein Tunnel öffnete sich vor uns. Etwas blinkte, genau dort wo wir hinrannten. Ein greller Blitz der blinzelte. Schnaufende Schatten kamen zu uns in den Tunnel. Dann sah ich das gelbe Band, die Schranken und de Plastikplanen die über der Baustelle lagen. Kurz ehe wir dagegen krachten, glaubte ich noch an die Illusion das es doch noch weitergehen konnte. Aber bevor ich über der Realität stolperte, packte mich der Obdachlose im Lauf an der Seite und gemeinsam verschluckte uns ein lichtloser Gang. Wütende Schreie waren hinter uns zu hören. Ich wusste nicht wohin oder worauf ich meine Füße setzte. Ich spürte den Druck von der Hand auf meinem Arm und nur darauf verließ ich mich. Keine Ahnung wann meine Vernunft aus meinem Kopf geflogen war. Wir stürzten mitten hinein in einen Strudel aus Menschen. Leute waren rundherum wo vorher nur Schwärze gewesen war. Gott sei Dank kollidierte ich mit niemandem, aber auch nur weil mich der Obdachlose zurückriss als stünde ich vor einer Klippe. Im nächsten Schritt den wir aufsetzten, waren wir sie so ruhig geworden wie ein Glas Wasser. Köpfe drehten sich zu uns um. Geduckt schlichen wir zwischen den Gestalten auf der Straße vorbei. Wir versuchten dort unter zu tauchen, wo die Menschen am dichtesten standen. So schummelten wir uns durch. Einen Vorsprung hatte es nur in meinem Kopf gegeben und den auch nicht lange. Der Typ mit dem Ohrring schaute nur mich an, oder besser gesagt meinen neuen Freund. Wie Maschinen hielten sie einen gewissen Abstand ein Ich stellte mir mitten im Hetzten vor, ich würde auf sie zugehen. Wahrscheinlich würde ich an ihnen vorbei kommen, nur durchsiebt von ihren Blicken. Dann würden sie wie ein durch trainierter Schwanenschwarm sich umdrehen und mir folgen. So lange Menschen noch auf der Straße waren, hatten wir noch Engel und einen Schutzschild. Etwas später in der Nacht, sähe es dann verdächtig danach aus dass der Ausflug in einer Seitengasse endete. Wie stupide Roboter verlangsamten wir unsere Schritte. Ich spürte zum ersten Mal das ein Mann genauso viel Angst hatte wie ich, was mich nicht sonderlich beruhigte. Mittendrinn in diesem zwar nicht laufenden aber trotzdem panischen Spaziergang, leuchtete etwas Blaues in der in der Schwarzen Wand hinter einer kleinen Brücke. Scheiße, eine Polizeistation. Mein Herz pumpte kalten Schweiß über mich wie ein Springbrunnen. Sofort rannte ich los. Im blauen Lichtkegel sackte ich zusammen. Auf dieser kleinen Brücke standen vier Schatten Hatte ich Angst, hatte ich keine Angst. Fror ich oder war hungrig? Ich weiß es jetzt nicht und wusste es in jenem Moment auch nicht. Meine Welt war immer so schön heil gewesen, bis zu diesem Abend. Hinter einem kleinen Fenster saß ein Polizist und rührte in einer Kaffeetasse, und rührte und rührte. Wahrscheinlich machte er das schon die ganze Zeit über wollte es die Nacht hin durch weitermachen. Ohne hinzusehen, fuhren meine Fühle zum Türgriff. Aber der hatte einen wolligen Pelzbezug. Eine Bärenpranke lag unter meinen Fingern. Der Obdachlose war mit seinen Augen im Gebäude. Sein Gesicht war halb im Licht und Schatten. Abwehrend schüttelte er seine Hand herum und verzog die Schultern. Dann tat er das womit (ich bin mal so arrogant und behaupte das) wohl kein Mensch jemals gerechnet hat. Er wollte wieder gehen. Spinnt der?? „He he, was machst du da“, rief ich und verstellte ihm den Weg. Wir drehten uns mal im blauen Licht im Kreis. Aber weil er nicht sprechen konnte, schüttelte er alle seine Extremitäten. „Die können uns helfen, verstehst du“. Anscheinend war ihm das egal. So wie er sich benahm, war er wohl nicht gerade ein Unbekannter bei der Polente. Aber wie machte ich ihm klar dass wir sicher eine Lösung finden würden. Auch wen ich mir da nicht so sicher war. Es war sicher besser eine Nacht im Arrest zu verbringen, als von denen da zerfleischt werden. Zuerst dachte ich, vielleicht verschwinden die dahinten. Aber eine Viertelstunde verging, zusätzlich zu der die schon vergangen war. Dann hängte noch jemand eine halbe Stunde dran. Aber die Schatten blieben auf der Brücke. „Komm rein“, sagte ich. Dann verschwand auch der Traum, dass wir uns mit der Polizei arrangieren könnten. Heißte, also ich müsse alleine da rein. Da kam das Zögern zu mir. Ich konnte da reingehen, physisch war da kein Problem. Oh Mann, wieso machte ich eine solche moralische Sache daraus? Ich konnte mich aus den Schwierigkeiten heraus manövrieren. Ganz einfach . Das Leben ging weiter. Ich würde heiraten, Kinder kriegen, mich scheiden lassen und dann komplett senil von meinen Kindern in ein Heim gerollt werden. Oder ich zeigte der Welt in einer hirnverbrannten Kamikazeaktion dass ich Eier besaß, in dem ich bei dem Obdachlosen blieb. In mir verwandelte sich alles in einen suppenartigen brennenden Schleim. Gemeinsam gingen wir von der Tür weg, immer weiter. Ich drehte mich nicht um und schaute ob wir verfolgt wurden, wieder. Der Ausblick war mir so egal wie nur etwas egal sein konnte. Dann verschwanden die Menschen von der Straße. Wir rannten wieder los, auch wenn wir wussten dass vor uns nur noch eine Schlucht war. In einem alten Plattenbau war eine Stripteasekneipe untergebracht, die wie der Rest vom Gebäude aussah wie nach einem Atomkrieg. Über dem Eingang hing ein Verschnörkeltes Gewirr aus Neon das offenbar das laszive Antlitz einer Frau darstellen sollte. Daneben stand doch tatsächlich in Handschrift Marlene Dietrich. Drinnen war es sogar noch finsterer als draußen. Ich hielt mich an der Kante der der Theke fest, um nicht von der Strömung fortgerissen zu werden. Die Farbe mit der das Holz lackiert worden war, splitterte schon ab. Genau wie bei der Frau, die an der anderen Seite zu uns kam. Ihr Gang war so fließend, als würde sie schweben. Ich musste mit einem prägnanten Satz anfangen, der alles sofort klarstellte. Daraufhin würden sie mich todernst ansehen und dabei nickend sagen, „Alles klar, wie können wir euch helfen“? Danach würden sie uns ein Taxi spendieren das uns nach Hause brachte. Na Klar und kochen würden sie für mich und einen Gratistanz auf meinem… Die Hüterin der Spirituosen sah mich und den Obdachlosen an. „Habt ihr Zwei überhaupt Geld“? Ratlos starrte ich auf mich herab, als würden dort Diamanten herab hängen. Wieso musste Sie auch gerade so anfangen. Das nahm mir wertvolle Zeit für meinen genialen prägnanten Satz, der sie erweichen sollte. Und er würde mir sicher gleich einfallen. Da deutet e der Obdachlose auf das Regal und hob wiedermal zwei Finger. Mitten in dieser Bewegung schlug er, nicht besonders sanft, einen Geldbetrag hin. Mir fielen die Augen raus. Nein, sie fielen mir wirklich raus und musste sie wieder aufheben. So brachten wir sie dazu uns zuzuhören. In dem wir uns betranken. Ich erzählte unsere Geschichte und sie hörten uns zu. Die Frau, hinter der Bar, saß die ganze Zeit über auf einem Arm gestützt da und schielte mit einem geöffneten Auge uns an. Entweder wollte sie mich auffressen, oder nur auslachen. Was genau konnte ich nicht feststellen. Dann langte sie zu einer der Tänzerinnen hinüber, die im Licht einer elektrischen Kerze gedöst hatte. „Sachiko, geh mal nach oben und kontrollier das mal, ja“. Sie kam bald wieder. „Ja da stehen wirklich welche und starren die Tür unentwegt an. Die müssen ja eine Scheißwut haben“. Ich nickte zu stimmend und trank noch einen Schluck. Die Frau trommelte mit den Fingern. „Bei der Polizei wart ihr Nasen sicher schon. Aber aus irgendeinen Grund, den ich sicher nicht wissen will, ist es euch nicht möglich deren Dienste in Anspruch zu nehmen.“ Sie hatte ein Selbstgespräch geführt, denn sie kratzte sich am Kinn mit einem Ausdruck in den Augen, als wäre ihr wieder eine geniale Formel wieder eingefallen. „Da bleibt nur noch eines“, sagte sie und schlug die Hände zusammen. Ich zeigte nach draußen. Aber sie zeigte nach hinten und grinste diabolisch.
Marlene starrte uns von allen Ecken aus an. Im Spiegel war mein gespenstisches Ich zu sehen. Marlene lachte von ihren Fotos herab mich aus. Frauen die ich nicht kannte, fummelten an tausend Stellen an mir herum. Trugen Makeups auf und wischten es wieder weg. Es ging alles so schnell und ich war etwas so daran beteiligt, als läge ich in einem Wachkoma. „Na hast du eine Freundinn“, wurde ich von der Seite gefragt. Ich zuckte nur mit den Schultern. „Aber warum denn nicht, kennst du keine Mädchen“. Was antwortet man darauf? Der Obdachlose stand in einer Ecke, die Schminkutensilien vor sich ausgebreitet. Seine Arme bewegten sich langsam, wenn sie etwas taten. Er schmierte das Weiße weg und Trauriges Gesicht sagte Hallo. Aber es wirkte zu einer Maske erstarrt, denn in seinen Augen las man nur starke Konzentration. Ach ja, was die Stripperinnen da mit uns machten war das sie uns in Nutten verwandelten. Ich bekam eine rote Perücke aufgesetzt, die so wirkte als wäre sie aus Zucker gemacht. Die gleiche Farbe wurde auch auf meine Lippen aufgetragen. So wirkten sie viel sinnlicher. Meine Augenbraunen wurden gezupft und die Nägel lackiert. Als ich versuchte mit Stöckelschuhen durch das Zimmer zu gehen, krachte ich hinter einen Berg aus Kisten und musste wieder auf die Beine gehievt werden. Der Obdachlose war zu einer Schönheit der Nacht geworden. Zu einem verbotenen Traum. Sein pelziger Bart war abrasiert worden, das hatte auch die meiste Arbeit gekostet. Seine gewaltige Haarpracht darüber, konnte man wohl als Barock bezeichnen. Ein brünetter Vorhang aus Locken versteckte ihn. Während Ich in eine scheißenge Lederjacke und eine graue Strumpfhose gequetscht wurde, die meine Arschritze ungeniert zum Vorschein brachte, bedankte ich mich bei einer meiner Helferinnen. Worauf sie aber ganz beiläufig die Schultern anhob und mit gelangweilten Ton dazu sagte, „Montags ist eh hier nicht los“. Ich schluckte. Ohne es zu wollen, bildeten sich wie Nebelschwaden Bilder in meinem Kopf, von der Marke Was-Wäre-Wenn und quälte mich mit alternativen Szenarien. Die Bude war da mit Betrunkenen voll und kein Schwanz oder Vagina scherte sich um unser Schicksal. Mit geschmeidigen Bewegungen, mit der Erhabenheit einer Geisha, wandelte der Obdachlose durch die schmale Garderobe. In seinem blauen Kleid bewegte er sich, ohne den Stoff zu zerknittern oder ins Stocken zu kommen. Es war wie eine Welle zu beobachten. Die Frauen standen daneben und jubelten ihm zu. „Mensch Alter, willst du nicht gleich bei uns anfangen“. Ich saß da in meiner Nuttenpracht und wollte einfach nur Heim. Aber nicht in mein WG- Zimmer, sondern zu Mami. Die Alte von der Bar, kratzte sich am Kinn und sah uns wieder mit diesem nach Weisheit gierenden Blick an. „Das ist gar nicht mal so eine blöde Idee“. Ohne weitere Erläuterung, obwohl es davor auch keine gegeben hatte, schnappte sie und zerrte mich in den edlen Tanzsaal zurück. Ein Alter starrte zu mir hoch. Dann deutete er mit dem Daumen auf mich „Und was soll ich mit der Muschi da“. Meine Freundinn klopfte mir auf die Schulter. „Tja, wir mussten es ja ausprobieren, sonst wäre die ganze Show gelaufen“. Ich kehrte nicht mehr in die Garderobe zurück, sondern wurde gleich zum Ausgang gebracht. Der Obdachlose bedankte sich mit einer Vorbeugung bei jeder Dame, die sich alle grinsend bei ihm zurück bedankten. Meine Körpersäfte rumorten, als wir uns der Tür näherten. Meine Schritte verknappten sich, ohne dass ich es merkte. Für einen Schritt brauchte ich dann Zwei. Aber egal wie oft man die Augen schließt, bis Zehn zählt oder schweiß nassen Hände abwischt, man wird auf die Straße gespuckt. Genau die war leer. Mutterseelen allein standen wir am Gehsteig und keiner da, der uns vermöbeln wollte. Vielleicht war es ihnen ja zu blöd geworden? Was war denn das für eine dämliche Frage, natürlich war es ihnen zu blöd geworden zu warten. Der ganze Stress für nichts. Ich sah zu mir herunter. Da drinnen wäre auch einfach Abwarten möglich gewesen. Aber nein, anmalen war ja doch schöner. Der Obdachlose begutachtete die Gegend von Rechts nach Links. Dann begutachtete er sich auch. Er zerknitterte seine Nase und Stirn, über die er dann mit den Händen fuhr als wäre ihm schwindelig. Wir gingen mit flauen Gefühl, also ich zumindest, nach Ostkreutz zurück. Etwas berührte mich ständig an der Schulter. Doch hatte ich keinen Nerv für sowas. Dann kam es wieder und wieder, wie Morsecode. „Was ist“, fragte ich genervt. Der Obdachlose sah mich ruhig an und hob einen fingierten Humpen hoch. Hinter mir war eine kleine Kneipe. Dann dachte ich wieder an mein Versprechen und nickte. Mit einem Gefühl der Erschöpfung, aber einem schönen warmen, humpelte ich nach Hause. Um die Ecke knallte ich mit einem nicht Unbekannten zusammen. Es war der Skinhead mit dem Ohrring. Er klotzte mich von Oben bis Unten an. Lässig stopfte er seine Hände in die Jacke. „Na du“, sagte er und zucke dreimal mit den Augenbrauen.
Marlene starrte uns von allen Ecken aus an. Im Spiegel war mein gespenstisches Ich zu sehen. Marlene lachte von ihren Fotos herab mich aus. Frauen die ich nicht kannte, fummelten an tausend Stellen an mir herum. Trugen Makeups auf und wischten es wieder weg. Es ging alles so schnell und ich war etwas so daran beteiligt, als läge ich in einem Wachkoma. „Na hast du eine Freundinn“, wurde ich von der Seite gefragt. Ich zuckte nur mit den Schultern. „Aber warum denn nicht, kennst du keine Mädchen“. Was antwortet man darauf? Der Obdachlose stand in einer Ecke, die Schminkutensilien vor sich ausgebreitet. Seine Arme bewegten sich langsam, wenn sie etwas taten. Er schmierte das Weiße weg und Trauriges Gesicht sagte Hallo. Aber es wirkte zu einer Maske erstarrt, denn in seinen Augen las man nur starke Konzentration. Ach ja, was die Stripperinnen da mit uns machten war das sie uns in Nutten verwandelten. Ich bekam eine rote Perücke aufgesetzt, die so wirkte als wäre sie aus Zucker gemacht. Die gleiche Farbe wurde auch auf meine Lippen aufgetragen. So wirkten sie viel sinnlicher. Meine Augenbraunen wurden gezupft und die Nägel lackiert. Als ich versuchte mit Stöckelschuhen durch das Zimmer zu gehen, krachte ich hinter einen Berg aus Kisten und musste wieder auf die Beine gehievt werden. Der Obdachlose war zu einer Schönheit der Nacht geworden. Zu einem verbotenen Traum. Sein pelziger Bart war abrasiert worden, das hatte auch die meiste Arbeit gekostet. Seine gewaltige Haarpracht darüber, konnte man wohl als Barock bezeichnen. Ein brünetter Vorhang aus Locken versteckte ihn. Während Ich in eine scheißenge Lederjacke und eine graue Strumpfhose gequetscht wurde, die meine Arschritze ungeniert zum Vorschein brachte, bedankte ich mich bei einer meiner Helferinnen. Worauf sie aber ganz beiläufig die Schultern anhob und mit gelangweilten Ton dazu sagte, „Montags ist eh hier nicht los“. Ich schluckte. Ohne es zu wollen, bildeten sich wie Nebelschwaden Bilder in meinem Kopf, von der Marke Was-Wäre-Wenn und quälte mich mit alternativen Szenarien. Die Bude war da mit Betrunkenen voll und kein Schwanz oder Vagina scherte sich um unser Schicksal. Mit geschmeidigen Bewegungen, mit der Erhabenheit einer Geisha, wandelte der Obdachlose durch die schmale Garderobe. In seinem blauen Kleid bewegte er sich, ohne den Stoff zu zerknittern oder ins Stocken zu kommen. Es war wie eine Welle zu beobachten. Die Frauen standen daneben und jubelten ihm zu. „Mensch Alter, willst du nicht gleich bei uns anfangen“. Ich saß da in meiner Nuttenpracht und wollte einfach nur Heim. Aber nicht in mein WG- Zimmer, sondern zu Mami. Die Alte von der Bar, kratzte sich am Kinn und sah uns wieder mit diesem nach Weisheit gierenden Blick an. „Das ist gar nicht mal so eine blöde Idee“. Ohne weitere Erläuterung, obwohl es davor auch keine gegeben hatte, schnappte sie und zerrte mich in den edlen Tanzsaal zurück. Ein Alter starrte zu mir hoch. Dann deutete er mit dem Daumen auf mich „Und was soll ich mit der Muschi da“. Meine Freundinn klopfte mir auf die Schulter. „Tja, wir mussten es ja ausprobieren, sonst wäre die ganze Show gelaufen“. Ich kehrte nicht mehr in die Garderobe zurück, sondern wurde gleich zum Ausgang gebracht. Der Obdachlose bedankte sich mit einer Vorbeugung bei jeder Dame, die sich alle grinsend bei ihm zurück bedankten. Meine Körpersäfte rumorten, als wir uns der Tür näherten. Meine Schritte verknappten sich, ohne dass ich es merkte. Für einen Schritt brauchte ich dann Zwei. Aber egal wie oft man die Augen schließt, bis Zehn zählt oder schweiß nassen Hände abwischt, man wird auf die Straße gespuckt. Genau die war leer. Mutterseelen allein standen wir am Gehsteig und keiner da, der uns vermöbeln wollte. Vielleicht war es ihnen ja zu blöd geworden? Was war denn das für eine dämliche Frage, natürlich war es ihnen zu blöd geworden zu warten. Der ganze Stress für nichts. Ich sah zu mir herunter. Da drinnen wäre auch einfach Abwarten möglich gewesen. Aber nein, anmalen war ja doch schöner. Der Obdachlose begutachtete die Gegend von Rechts nach Links. Dann begutachtete er sich auch. Er zerknitterte seine Nase und Stirn, über die er dann mit den Händen fuhr als wäre ihm schwindelig. Wir gingen mit flauen Gefühl, also ich zumindest, nach Ostkreutz zurück. Etwas berührte mich ständig an der Schulter. Doch hatte ich keinen Nerv für sowas. Dann kam es wieder und wieder, wie Morsecode. „Was ist“, fragte ich genervt. Der Obdachlose sah mich ruhig an und hob einen fingierten Humpen hoch. Hinter mir war eine kleine Kneipe. Dann dachte ich wieder an mein Versprechen und nickte. Mit einem Gefühl der Erschöpfung, aber einem schönen warmen, humpelte ich nach Hause. Um die Ecke knallte ich mit einem nicht Unbekannten zusammen. Es war der Skinhead mit dem Ohrring. Er klotzte mich von Oben bis Unten an. Lässig stopfte er seine Hände in die Jacke. „Na du“, sagte er und zucke dreimal mit den Augenbrauen.
Anmerkung von max.sternbauer:
Ein kleines Rendezvous in der Berliner S-Bahn.