Gottes Ratschlüsse

Persiflage zum Thema Gott

von  loslosch

Iudicia Dei sunt ita recondita, ut quis illa scrutari nullatenus possit (Cicero, 106 v. Chr. bis 43 v. Chr.; zitiert nach Jon R. Stone, The Routledge Dictionary of Latin Quotations, New York, London 2005, S. 51). Die Urteile und Entscheidungen Gottes sind so verborgen, dass keiner sie jemals ergründen könnte.

Ein Gedanke, der älter ist als das Christentum. Und ein abwegiger dazu. Die Problematik der Theodizee, wonach der allmächtige und gütige Gott alles Übel der Welt zulässt, kannte Cicero wohl über die Lehren skeptischer griechischer Philosophie, die diese Weltsicht schon früh in Frage gestellt hatte. Im 18. Jh. erhielt diese Kritik neue Nahrung: Am 1.11.1755 wurde Lissabon durch ein gewaltiges Seebeben nahezu vollständig zerstört. Nur das Viertel der Prostituierten blieb weitgehend verschont. Wer im katholischen Portugal an jenem Tag, es war Allerheiligen, statt in die hl. Messe in den Puff gegangen war, durfte überleben. Gottes Ratschläge sind unergründlich? Nein, er hatte an jenem denkwürdigen Tag dem Satan das Zepter in die Hand gedrückt, um so seine eigene absolute Souveränität und Entscheidungsfreiheit zu unterstreichen. Voltaire hatte übrigens seine Freude an dieser Kuriosität, Leibniz mit seiner Idee der besten aller Welten wand sich im Grabe.


Anmerkung von loslosch:

Das klassische Theodizeeproblem (zitiert nach Wikipedia) lautet:

Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht: Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
Oder er kann es, will es aber nicht:
Dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
Oder er will es nicht und kann es nicht:
Dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:

Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg? (Ein unauflösbarer Widerspruch.)

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Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (31.12.10)
Lieber Lothar,
deine Recherchierlust und Schreibfreude, fast Schreibwut, die hätt ich gerne ab und zu!
Ich wünsch dir eine gute Fortsetzung 2011. Ich bin sehr froh, dich kennengelernt zu haben!
LG, Uli

 loslosch meinte dazu am 31.12.10:
Ein Cacoethes scribendi bin ich beim kv-Jahresaufkommen von 200 hoffentlich noch nicht! Vgl.  Beitrag zur Schreibwut. :) Lothar

 franky (31.12.10)
Die Wertung von Gut und Böse ist ein rein menschliches Zählwerk, vielleicht kann Gott mit dieser Skala überhaupt nichts anfangen. In der Natur Gottes passiert vieles in Unmaß, ist unmäßig.
Gott ist für uns Menschen unbegreiflich, so auch seine Rechssprechung.

Liebe Grüße

Franky

 loslosch antwortete darauf am 31.12.10:
Du bist vermutlich ein Deist: Es gibt einen Schöpfer des Universums, der sich in der Folge aus allem raushält. Der Unterschied zum Agnostiker wäre damit verschwindend. Sonst hättest Du ja Probleme mit dem Text gehabt. Lothar

 EkkehartMittelberg (31.12.10)
Dein Text ist eine harte Nuss für gläubige Christen, Lothar. Aber diese sind mit Atheisten auch nicht zimperlich umgegangen. So gesehen ist es nur gerecht, sie mit einem Problem ins neue Jahr zu schicken, falls sie denn bereit sind, die Herausforderung anzunehmen.
Kein Hals- und Beinbruch heute abend, falls du vor die Tür gehst.
Ekki

 loslosch schrieb daraufhin am 31.12.10:
Viel lieber Agnostiker als Atheist. Der hat ja ein Programm und damit eine Achillesverse. Vielen Dank, Ekki. Und - metaphorisch - einen guten Rutsch. Lothar
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