Heute warst du es. Morgen bin ich es... - vielleicht.

Text zum Thema Schmerz

von  ZornDerFinsternis

Wir standen am Ende des Weges,
mitten im freien Fall.
Von Gefühen übermannt.
Nicht fähig zu schreien, oder Vergebung zu erbitten.
In den Augen erzählten Tränen von einer alten Sehnsucht.
Einem alten Leben. Von Tagen, die kamen und gingen.
Liebten und hassten.
Und in deinem Herzen sah man das Leben verlischen.
Das leise Rauschen des Wildbaches, verzauberte dein Gesicht nicht mehr.
Und soviele Nadeleinstiche auch diesen kostbaren Schmerz nahmen,
wilde, angstfreie Minuten und Stunden schenkten, es lief doch alles in die gleiche Richtung.
Zeit gegen Stunden und Tage. Du, ich... wir beide, gegen den Rest der Welt.
Leben gegen Tod, gegen uns.
Wir sind so oft mit der Fresse auf dem Bordstein gelandet.
Haben uns so oft, die Erinnerung aus dem nutzlosen Körper prügeln lassen.
Mal waren es Menschen, die man Familie oder Freunde nennt. Fremde. Jugendliche. Nazis.
Es gab immer jemanden, der dich mehr hassen konnte, als du dich selbst.
Und der Schmerz brach lodernd aus uns hervor.
Schreiend und tobend.
Erschlug uns immer nahezu.
Doch immer nur ein winzig schmaler Grad ließ uns am Leben baumeln.
An diesem seidenen Faden, diesem sagenumwobenen Faden, den wir so tief verachten lernten, wie Liebe und Leben.
In dem Nichts deiner Augen, konnte ich alles lesen. Alles sehen.
Die Entstehung und den Niedergang. Der Erde. Von uns. Von Liebe, Zuversicht, Freundschaft... von allem.
Und die Erinnerung kommt zurück. Tritt mir mit Stahlkappenstiefeln mitten in die Fresse.
Sehe dich mit diesem abgestumpften, kalten Lächeln. Wie du aus deiner grauen Häkelmütze vorlugst. Mit den roten, zerzaust-lockigen Haaren und den niedlichen Sommersprossen. Der blassrote Mund zieht sich soweit zu den Seiten, wenn du grinst, dass man locker sehen könnte, was du gestern gegessen hattest. Wenn du dann hättest...
Es war keine einfache Zeit. Zeit war überhaupt nie etwas Einfaches.
Der Dreck der Straße verschmälerte deine ohnehin makellosen, filligranen Gesichtszüge erschrend.
Und mit dem Tag, jeder Nadel lief die Zeit gegen dich.
Dein Lächeln wurde müder. Zumindest schien es mir unterbewusst, als wäre es manchmal so gewesen.
Aus deinem Mund kam kein Lächeln mehr. Keine Fragen. Keine Worte über Hass und Illusion.
Früher hattest du immer gehofft, du würdest ihm wiederbegegnen. Ihm, diesem Menschen, der dich so zerrissen hat, dass es für dich nirgends mehr Halt und Sicherheit zu finden gibt.
Und ich kann noch immer die blauen Flecken sehen, die deine Narben und Tattoos verblasst haben.
Doch heute ist alles anders.
Die Passanten. Der Wind unter der Brücke, an der 3. Ampel rechts.
Die Sonne. Der Lärm. Das Schweigen. Diese Kälte... es ist alles so schmerzend. Realer und näher als sonst.
Es liegt nicht daran, dass ich heute noch keinen Whisky und keinen Joint hatte.
Es liegt an dem leeren Platz, den du in meinem Herzen hinterlassen hast.
Ich senke den Kopf. Damit vielleicht du, meine Tränen nicht siehst.
Ich schweige und ziehe irrend durch die kalten Straßen. Damit du nicht sehen kannst, dass ich kein zu Hause habe.
An der 2. Rockerkneipe gehe ich links. Die 12. Kippe zwischen den Fingern.
Im Hinterhof riecht es immer noch nach Kotze, so wie heute Früh. Mir wird schlecht.
Eigentlich stört mich dieser Geruch nicht. Nein.
Es ist etwas anderes.
Hinter dem Müllcontainer klebt Blut hartnäckig am Asphalt fest. Scherben liegen wild verstreut daneben.
Hätte ein wundervolles Bild der neuen, abstrakten Kunst abgegeben, der Scheisshaufen.
Und ja, es schieben sich Tränen in mein Gesicht. Ich gehe in die Knie, kauer mich neben diese leblose Linie, klammer mich am verdreckten Rand des Containers fest.
Es ist so anders. Ein Licht weniger, hattest du immer gesagt... Eins von vielen.
Und heute warst es du. Morgen bin ich es... - vielleicht.

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