Ex und Hops (oder: Vielleicht morgen.)

Text zum Thema Selbsthass/verletzung/mord

von  ZornDerFinsternis

Traurig. Wie so vieles im Leben.
Ich hab' den Karren ordentlich in den Dreck gesetzt.
Mit 200km/h vor'n Baum hätte mir mehr gebracht.
Traurig, aber wahr.
Ich stecke mir die nächte Kippe an, während ich zum gefühlten
300.000sten Mal das gleiche, niederschmetternde Lied durch die schrabbeligen Lautsprecher
meines Laptops jage.
Stecke meinen Traum in Brand. Direkt vor meinen Augen.
Einen sinnlosen Gedanken, von einem glücklichen, vielleicht auch, erfüllten Leben.
Ich stehe auf. Draußen ist es schon wieder dunkel geworden. Keine Ahnung, wie spät es ist.
Ich könnte sicherlich auf dem Laptop nachschauen, aber ich will es nicht.
Manchmal, will man einfach diesen Augenblick auskosten. Ja, ich habe bewusst auskosten gewählt,
da ausleben zu lächerlich wäre.
Heute genieße ich meine Einsamkeit. Wahrscheinlich, werde ich sie morgen wieder verfluchen.
Sofern es dann ein Morgen gibt.
Bruder..., ich vermisse dich. Heute ist dein 5. Todestag. Und es fällt jedes Jahr schwerer.
Schwerer, an dem Holzkreuz an der Landstraße entlang zu gehen. Dein Bild auf meinem Schreibtisch
zu betrachten. Du hast viel erlebt. Gelitten. Und jeden Tag, den ich neu beschreiten muss, sitzt du da
hinter deiner 10x10cm kleinen Scheibe. Und du lächelst. Ja, verdammt... du lächelst jeden Tag.
Dieses engelsgleiche Lächeln. Und manchmal scheint es, zwischen den Tränen, so auszusehen, als würdest
du mir aufmunternd zuzwinkern.
Stecke mir die nächste Kippe in den Mund. "Klick".
Ich huste. Wahrscheinlich ist mein Pensum an Nikotin für heute noch nicht erreicht.
Was auch immer.
Ich würde so gerne, dass du bei mir bist. Nicht einfach nur zu mir hoch lächelst. Oder, von "da oben",
auf mich herab.
Es schmerzt. Neben dir stehen meine Großeltern. Meine Oma hat einen Strauß dunkelroter Rosen in den Händen.
Auch sie lächelt. Eisern. Tapfer, jeden Tag aufs Neue. Mein Opa hält sie im Arm. Lächelt.
Ich wünschte, ich hätte euch noch so vieles sagen können. Euch mehr Liebe geben können.
Ja, ich möchte euch nicht mehr vermissen.
Ich genieße heute die Stille. Anders, als sonst.
Auch, wenn dieser Raum jeden Tag gräßliche Bilder und Fratzen in mir hervor ruft.
Bin eingesperrt in diese scheiss Erinnerung. Jeden Abend muss ich mich dort schlafen legen, wo du dich an mir vergangen hast. Ja, in dem Haus meiner Eltern. Dort, wo man eigentlich Geborgenheit und Sicherheit mit verknüpft.
Und die grinzt so beschissen. Aus jeder Ecke des Raumes. Auch, wenn nichtmal mehr die Zeit deine Anwesenheit bemerkt.
Traurig. Wie so vieles.
Ich sollte nicht rauchen, ich weiß das. Aber es kümmert mich nicht.
Ich wollte nicht leben, aber es hat euch nicht gekümmert.
Ich sollte nicht so viel Alkohol in mich hinein schütten. Sag das mal den beschissenen Erinnerungsfetzen in meinem Schädel. Sag das meinem Spiegel. Den Menschen, die mich hassen. Sag es. Ja, verdammt nochmal SAG ES!
Ich schlage meinen Kopf gegen die Schräge. Mit voller Wucht. Ein paar Dutzend Mal. Es fühlt sich zumindest so an, als wäre für ein paar Minuten Ruhe. Vor der Vergangenheit.
Nächste Kippe. Ein Griff auf den Nachtschrank. Das Messer schnappt auf. Es duftet nach Blut.
Ja, nenn' mich doch ein gestörtes Psychoblag, wenn du meinst. sag schon, dass ich eine Schande bin.
Ein beschissener Christ. Ein noch beschisseneres Kind. Eine scheiss Schwester. Eine scheiss Mutter.
Ja... eine scheiss Mutter...
Grabe das Messer tiefer in mein Fleisch. Blut tropft auf den Boden. Lecke das Blut von meinem tattoowierten Handgelenk. Befriedigung.
Setze die Whiskyflasche an - EX und HOPs.
Ja, eine beschissene Mutter. Eine, die genauso wenig leben, wie sterben wollte.
Und ich weiß, du würdest mir nichts als Vorwürfe machen. Den Rest meines Lebens.
So, wie es alle Kinder tun. Weil kein Mensch perfekt ist. Jeder Fehler macht.
Ich schneide über die gesamte Fläche meines Unterarmes. Seufzend stehe ich auf.
Schalte den Fernseher aus. Gehe Richtung Balkontür. Blicke auf euch, die ihr euren Platz auf dem schreibtisch habt. zumindest symbolisch. Ich trage euch im Herzen.
Lösche das Licht und trete in den eisigen Wind auf dem Balkon. Die Sterne lächeln. So wie du damals...
Ich schließe die Tür. Tränen.
Der Mond sieht hinter der Scheibe so traurig aus.
Tränen.
Nur einen Schritt weiter. Eine halbe Pulle Whisky mehr und...
Ja, vielleicht morgen. Vielleicht.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (06.01.11)
Es fällt schwer, beim Lesen durchzuhalten. LG

 ZornDerFinsternis meinte dazu am 07.01.11:
Das glaube ich sehr wohl, mein Lieber... Es viel mindestens genauso schwer, Worte zu finden um die Gefühle auszudrücken... Lediglich eine Skizze.
Liebe Grüße und herzlichen Dank :)
Anni

 Erdenreiter (07.01.11)
Hallo Anni,
Dein Text geht einem durch Mark und Bein,trifft mitten ins Herz.

Liebe Grüße
Marco

 ZornDerFinsternis antwortete darauf am 07.01.11:
Vielen Dank -lieb drück-
Alles Liebe, Anni

 princess (07.01.11)
Liebe Anni,

Einen sinnlosen Gedanken, von einem glücklichen, vielleicht auch, erfüllten Leben.
Mhh...
Denn an sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu. (Shakespeare, Hamlet)
:-)
Liebe Grüße, Ira

 ZornDerFinsternis schrieb daraufhin am 07.01.11:
Das ist süß... das ist richtig süüüß. Dankeschön, Ira -lieb knuddel- Danke :)

 Fuchsiberlin (07.01.11)
Liebe Anni,

sein sehr sehr ergreifender Text. Es ist viel mehr als ein Text: Intensive Gefühle und Gedanken, sehr gefühlsstark beschrieben, sie erreichen den Leser, sie erreichen mich und treffen ins Herz.

Ganz liebe sonnenstrahlige Grüßels
Jörg

 ZornDerFinsternis äußerte darauf am 07.01.11:
Ich weiß nicht, was ich sagen soll... ich bin so bewegt von deinen Zeilen... Tausend Dank -knuddel-
Martok (44)
(09.01.11)
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 ZornDerFinsternis ergänzte dazu am 09.01.11:
-umknuddel- Danke :)
Moritz (28)
(23.01.11)
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