killing time

Kurzprosa zum Thema Erinnerung

von  mondenkind

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Das ist es, woran ich denke, wenn Anne singt. Eine feine, spröde Sehnsucht. Nicht dieses weiche, rotgewischte Horizontgeträume. -Meine Sehnsucht bestand aus zu großen Männerhemden. Sie lag nicht in der Brandung, nicht in Frühlingsblüten. Nein, sie wuchs auf den Sandhügeln der Bauplätze und mein Blick schweifte rostig mit den langen Armen der Kräne. Ich trug meine Haare wild und sauber und der Wind zog sie angenehm kühl mit sich.
Meine Finger strichen zärtlich über asphaltierte Risse, während ich Anne lauschte. Ihren klaren Worten. Und spielerisch streckte ich die Arme aus, tastete nach dem großen, geheimnisvollen Dahinter. Ich mochte es, wie die Stadt roch, hier oben, wenn der Abend sie leuchtend bemalte. Die Dunkelheit trug die Melodie viel weiter hinein, und uns wuchsen Herzen, so groß wie schallende Fabrikhallen.
Wir waren Könige. Ungekrönt, ungestüm. Und unser Blut pulste edel und ungeduldig im rauen Takt von Annes Musik, während eine Schar Krähen den Himmel schwärzte. Wir träumten neonfarben, laut und lebendig. Unsere Zeit schmeckte nach scharfem Kaugummi, einer vorsichtigen Gauloise und manchmal ein wenig nach Rotwein. Und nachts, wenn ich dann verschwörerisch in meine Kissen grinste, war ich für einen kleinen Moment unsterblich.

Meine Sehnsucht, sie ging mit Anne, am Ende des Herbstes. Und ein bißchen auch ich.
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Anmerkung von mondenkind:

(again)

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Kommentare zu diesem Text


 makaba (23.03.11)
wow. das ist grandios!

atemlose grüße, makaba

 mondenkind meinte dazu am 24.03.11:
oh, das freut mich! danke dir sehr. :)

 AZU20 (24.03.11)
Toller Text. LG

 mondenkind antwortete darauf am 24.03.11:
merci, armin :)
chinansky (29)
(01.04.11)
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 mondenkind schrieb daraufhin am 01.04.11:
ds freut mich sehr! vielen dank. :)

 poena (04.04.11)
so fühlt sich jung sein an. und in jedem moment der kleinen ewigkeiten konserviert sich etwas unsterbliches, altersloses in einem selbst. nur vergessen darf man diese gefühle nie, sonst ist man vor der zeit tot.
das dachte ich eben beim lesen. lieben gruß, s

 mondenkind äußerte darauf am 07.04.11:
jah. das stimmt, liebe s.
man wächst und blüht mit solchen momenten und man wurzelt in ihren erinnerungen. :) schön, dass du es so liest. danke dir!
lg, nici
schlaumuckel (43)
(08.10.11)
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 mondenkind ergänzte dazu am 19.10.11:
ja, du hast recht. am ent-poetisieren arbeite ich gerade.
ist halt schwer, den zwirbelnden finger aus den erinnerungen zu nehmen. es ist mir aber sehr bewusst. danke fürs feedback!
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