Zacharias Bretzelburgs Wundersame Antenne

Text zum Thema Weihnachten

von  Lala

II.

Von Haus aus war Bretzelburg Lehmkuchenbäcker in Neu-Ulm. Allerdings entbehrte diese Tätigkeit jeglichen weihnachtlichen oder süßlichen Kitschs. Er arbeitete als Bäcker im Schichtdienst in einer Lehmkuchenfabrik. Er arbeitete mit Zucker und Teigportionen, die jegliche Vorstellungskraft sprengten. Besucher, die Lehmkuchenbäckern wie Zach einmal zugesehen hatten, waren sich im Nachhinein nicht mehr sicher, ob sie dabei zugesehen hatten, wie ein Nahrungsmittel oder wie Meterware hergestellt wurde. Sie waren auch darüber überrascht, dass die Firma Schwarz das ganze Jahr über die Lehmkuchen produzierte und bis nach Australien verschiffte. Die rötlichen Verpackungen, das aufgedruckte Weihnachtszimmerambiente verlor jede Strahlkraft, wenn man die Welt hinter den Weihnachtskeksfabrikmauern erblickt hatte.

Immerhin hatte Zacharias sein Handwerk noch gelernt. Er wusste, wie man einen Keks buk oder eine Million davon. Seine Nachbarin Natascha, die bei einem Pharmaunternehmen in Ulm arbeitete, schätzte es sehr, wenn Bretzelburg einmal im Jahr, genauer gesagt am vierten Advent, Plätzchen nach dem Geheimrezept seiner Tante machte. Diese Gelegenheit ließ sie nie aus, um unter irgendeinem Vorwand an seine Tür zu klopfen und sich selber einzuladen.

In den Tagen, wo der Fernseher überwiegend schwarz geblieben war, bemerkte Zacharias in einem hellen Moment, dass seine Nachbarin sich nicht nur am vierten Advent ihm aufdrängte, sondern mindestens einmal die Woche an seiner Tür schellte und um Zucker, Milch, Kerze, Birne, Schere oder Licht bat. Das war ihm bisher gar nicht aufgefallen. Aber er hatte auch jetzt nicht so viel Zeit darüber weiter nachzudenken, denn er musste sich an erster Stelle, um eine neue Antenne kümmern. Als Bäcker musste er zusehen, dass er sich Rat holte, denn von technischen Dingen, hatte er keine Ahnung.

Pepe, sein Freund, aus der Verpackungsabteilung, wo all die Kekse wie eine gigantische Zinnsoldatenarmee über die Bänder marschierten und am Ende in den jeweiligen Verpackungen ausgespuckt wurden, Pepe hatte Ahnung, denn er hatte mal bei einem Elektriker gearbeitet und hatte Zacharias bei Video und HiFi Entscheidungen schon immer unterstützt.

„Tausch deine Antenne doch aus, Zach? Die ist doch offensichtlich kaputt“, schüttelte Pepe den Kopf und schlürfte am Pappbecherkaffee.
„Das habe ich doch schon zweimal gemacht. Ich habe ja Garantie drauf. Gleich am ersten Tag, als die Probleme anfingen, habe ich die Antenne ausgetauscht.“
„Und den Fernseher?“
„Genau so. Zweimal ist ein Techniker gekommen und hat den Fernseher geprüft. Ja, sie haben ihn sogar bei sich im Geschäft aufgestellt.“
„Und?“
„Lief einwandfrei. Ich habe jetzt alles durch. Und selbst der Hausmeister hat mir bestätigt – sogar schriftlich -, er könne das Problem nicht nachvollziehen. Da müsse ich mir einen Fachmann holen. Vom Strahlenschutzamt oder so. Aber das kann ich mir nicht leisten, Pepe! Aber ich will, dass es aufhört. Ich will wieder meine Serien schauen können.“ Und beinahe hätte Bretzelburg noch ausgerufen, dass er mit dem Zacharias nicht mehr allein sein will.

Pepe bemerkte wie verzweifelt sein Kollege von der Bäckerei war, aber er konnte ihm nicht helfen.
„Ich weiß nicht, was wir da tun können, Zach. Du hast die beste Antenne und einen hervorragenden Fernseher, sonst hätte ich sie Dir nicht empfohlen, verstehst Du?“
„Ja“, hauchte Zacharias und schlürfte an seinem Kakao, „ja, ich habe verstanden.“


Nach Feierabend hatte sich Zacharias statt des Kakaos ein Weizenbier aufgemacht, sein Fernseher war schwarz und er war sauer. Missmutig saß er auf seiner Couch, süffelte an der Flasche und zappte trotzig von einem leeren Bild zum Nächsten. Was sollte er denn jetzt machen? Musik hören? Mochte er nicht. Lesen war ihm fad und dauernd zu essen, war auch keine Lösung. Backen? Vielleicht. Aber für wen? An auszugehen oder einen Kollegen anzurufen, dachte er keinen Moment lang.

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