Wissenschaftlicher Fortschritt und Misstrauen

Erörterung zum Thema Fortschritt

von  loslosch

Ad profectum scientiae nil aeque impendit ut diffidentia (Quelle unklar; vielleicht nach dem Zisterzienser-Abt Bernhard von Clairveaux, 12. Jh.; oder eine pseudoantike Literatur des Mittelalters). Am Fortschritt der Wissenschaft hindert nichts so sehr wie das Misstrauen.

Würde die Sentenz lauten ... ut dubium (wie der Zweifel), wäre der Gedanke ein methodologischer Fehlgriff; denn Wissenschaft löst Probleme und erzielt Fortschritte nach der Trial-and-Error-Methode (Versuch und Irrtum). Hier aber geht es um Misstrauen.

Sicherlich kann Misstrauen lähmend wirken, Fortschritt behindern. Aber ohne ein gesundes Maß an Skepsis funktioniert der Fortschritt eben auch nicht. Kritik und Misstrauen sind kein Gegensatzpaar. Manchmal lösen "sensationelle" Erkenntnisse und Befunde in der Forschergemeinde Verdacht, Misstrauen aus. Gelegentlich entpuppt sich die vermeintliche Entdeckung als plumpe Fälschung.

Erinnert sei an den Veterinärmediziner und Skandalforscher Hwang Woo Suk aus Südkorea, der 2005 Aufsehen erregende Fortschritte in der Stammzellenforschung veröffentlichte (king of cloning), die noch im gleichen Jahr als Fälschungen enttarnt wurden.

Manchmal ist es auch ein simpler Tipp- oder Denkfehler, der die Forscher oder Ernährungswissenschaftler zeitweilig in die Irre lenkt. 1890 hatte Gustav von Bunge nachgewiesen, dass Spinat einen extrem hohen Gehalt an Eisen aufweist. Er hatte getrockneten Spinat analysiert, was den Messwert um den Faktor 15 beeinflusst.

Generationen von Kleinkindern hatten darunter zu leiden. Mancher hat sich vom Spinatschock zeitlebens nicht mehr erholt.

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Kommentare zu diesem Text


 irakulani (01.07.11)
Kleine Ursache - große Wirkung. Wobei Spinat wirklich die harmlose Variante ist - aber interessanterweise zeigt, wie hartnäckig (und lange ) sich solche Irrtümer fortpflanzen.

Heute sind es die Fehler, die sich bei Wikipedia einschleichen und tausendfach einfach übernommen werden, oder ähnliche Phänomene.

Spinatgrüne mitternächtliche Grüße,
Ira

 loslosch meinte dazu am 01.07.11:
allerherzlichste lebertrangrüße zurück. lothar
Jack (33)
(01.07.11)
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 loslosch antwortete darauf am 01.07.11:
die lehrmeinung sagt, der glaubenszweifel sei etwas urgesundes; hauptsache, der zweifelnde findet geläutert zurück. lothar

 tigujo (01.07.11)
;-)

Mein Spinatschock resultierte aus seltsamen Gründen:

Ich liebte Spinat, musste jedoch traditionsgemäß immer bis Gründonnerstag darauf warten. Und wegen der Bevorratungspolitik meiner Mutter, die der damaligen Marktsituation fehlangepasst war, war er dann meist - ausverkauft.

Seitdem begegne ich der Wissenschaft mit Misstrauen, der Religion, meiner Mutter und dem Markt sowieso

 loslosch schrieb daraufhin am 01.07.11:
der anti-spinatschock-knaller am morgen! lothar
Nimbus (35)
(01.07.11)
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magenta (65) äußerte darauf am 01.07.11:
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Nimbus (35) ergänzte dazu am 01.07.11:
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 loslosch meinte dazu am 01.07.11:
... Beiß aber nur zurück, wenns sich lohnt!!!! ... ein satz, über den nachzudenken sich lohnt.

texte laden in der kommentierung oft dazu ein, den faden in scheinbar unkontrollierte richtungen weiterzuspinnen. danke euch beiden (und dir, heike, für die super empfehlung). lothar
magenta (65) meinte dazu am 01.07.11:
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 tigujo meinte dazu am 01.07.11:
...ich dank dir für deinen kommentar. bin selber noch staunender, lernender KV-nivoze, ähm...novize.. ,-)

 loslosch meinte dazu am 01.07.11:
@magenta: kv ist auch psychosozialer stützverein ... :)

 tigujo meinte dazu am 01.07.11:
@ loslosch - stimmt. Steht zwar nicht am Beipackzettel, aber ich fragte meinen Apotheker..
Caty (71)
(01.07.11)
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 loslosch meinte dazu am 01.07.11:
da schreibt man etwas wissenschaftskritisches und bekommt lauter positive rückmeldungen ... hübsch skeptisch bleiben, so ists. der geschulte wissenschaftler hat längst drauf, was ich in einfachen worten sagen wollte. wenn er nicht ideologisiert ist! auch das kommt leider vor. lothar
Caty (71) meinte dazu am 02.07.11:
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RobertaRupp (48)
(01.07.11)
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 loslosch meinte dazu am 01.07.11:
roberta wang hat hier in knappen worten einen super kommentar hingelegt. lieben dank. Lothar
ichbinelvis1951 (64)
(01.07.11)
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 loslosch meinte dazu am 01.07.11:
klaus, du kennst dich aus. hast du 1960 comics gelesen? ich habe anno 1949 in comics geblättert (geschenk von us-amerikanern, ausgewanderte deutsche). man muss englisch können ... bäng, pffff, uiii ... das verstand ich schon. danke fürs spinatfrohe vorbeischauen. lothar

 EkkehartMittelberg (01.07.11)
Was wäre die Wissenschaft ohne Skepsis, ohne Misstrauen? Ich würde freilich das weniger belastete Wort "Skepsis" bevorzugen. Ich vermute, dass die Skepsis in den Naturwissenschafte ein methodisches Prinzip ist, hinter dem nicht sofort Feindseligketi vermutet wird. In den Geisteswissenschaften kommt sie häufig als Reflex vor, wobei anderen Ideologie unterstellt wird in der Annahme, man sie selbst frei davon.
Ekki

 loslosch meinte dazu am 01.07.11:
last but not ... klar wäre skepsis der fachterminus. gratias agens. lothar
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