Ich würde sagen, Mel. Es ist Brainfuck. Oder: Dein Herz steht endlich still.

Text zum Thema Einsamkeit

von  SunnySchwanbeck

„Du tust mir weh.“ Sagst du, dich festhaltend an deiner abgebrannten kippe. Und ich weiß, was du meinst. Denn es ist nicht so, als würde ich dich verletzten. Ich schmerze dir. Du hättest ebenso von deinem Kopf reden können, und jeder hätte es verstanden. Ich bin ein Teil deines Seins. Deines Körpers, vonmiraus. Und ich bin kaputt. Verbeult, triefend, halb abgstorben. Ich umklammere deine Rippen und schlage mit Fäusten gegen deine Herzklappen, erfolglos. Als würdest du mich je gehen lassen, mich müssten schon behandschuhte Hände und merkwürdig klingende Ärzte-Manöver aus dir raus schneiden, ist es dir das wert, Mel?
Aber so ist es eben; Dein Fuß juckt, dein Kopf hämmert, dein Knöchel tut dir weh, dein Hals ist rau, deine Lippen auch, du sowieso und ich tue dir weh. Aber so leicht ist es nicht, und so leicht sollte es nie werden. Wir sprechen unsere eigene sprache, wir gehen unseren eigenen Gang, wir lachen unser anderes Lachen und trinken unseren kaffee weiß. Wir sind die nacht und tragen so lange schwarz, bis es etwas dunkleres gibt, das die Wärme anzieht, die wir vor so langer Zeit ausgezogen haben.
Wir haben verlernt zu leben. Zu kichern, zu frieren, zu schwitzen, zu trinken, zu essen, zu kotzen, zu schlafen, zu wachen, zu atmen.
„Ich weiß nicht mehr, wann ich die letzte Gänsehaut hatte, Mel.“

Du willst dir neuerdings das Herz piercen lassen, damit ich was anzusehen habe. Dreckige Bahnhofshalle, würd’ ich gern mal wieder sehen. Tankstellengeruch riechen und verschwitzt gegen die andern fiebernden Tänzer taumeln. Ich würd’ gern wieder leben, Mel. Wär das möglich? Ich bin nur noch dein Schatten. Hast mich an deine verdreckte Fußsohle genäht, da sie doch hin, deine Schuhe sind voll Blut. Ich bin doch noch ein verdammtes Kind, Mel. Meine Finger sind befleckt von Tinte, und was du unter deinen Nägeln trägst, will ich nicht einmal erahnen. Ich hatte Träume, wusstest du das eigentlich? Ich wollte in Berlin studieren, in ne WG ziehen mit ner zusammen gewürfelten Küche, Dielenboden, ein kleiner Balkon der in einen Innenhof führt. Ich wollte Ampel werden, Mel. In deinem Kopf. Denn da kollidieren gerade die letzten Synapsen. „Brainfuck“ hat deine letzte Nutte dazu gesagt, du weißt schon Mel, diemitdempiercing.

Ich weiß nicht was ich zum Abschied sagen soll, Mel. Ich wusste all die Jahre nicht was ich dir sagen soll. Du weißt, ich konnte deinen Kummer nie [er]tragen, aber er stand mir so gut. Und Mel, ich danke dir. Nun muss ich nicht mehr zusehen, wie dich dein Herz grün und manchmal indigo schlägt.


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

verlassen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Erdbeerkeks (11.07.11)
einfach sososo VERDAMMT GUT.

 SunnySchwanbeck meinte dazu am 12.07.11:
ich danke dir, schwesterchen.

 Ephemere (12.07.11)
Sehr stark...kunstvoll und voller kostbarer Miniaturen, ohne an Roheit, Unmittelbarkeit zu verlieren und ohne gewollt "artsy" zu wirken. Sätze wie "Wir sind die nacht und tragen so lange schwarz, bis es etwas dunkleres gibt, das die Wärme anzieht", "Du willst dir neuerdings das Herz piercen lassen, damit ich was anzusehen habe" oder "Ich wollte Ampel werden" sind eigentlich jeder für sich jeweils schon einen eigenen Text wert! Du solltest beginnen, Songs zu schreiben!

 SunnySchwanbeck antwortete darauf am 12.07.11:
ich danke dir, jan. songs schreiben, sagte derjenige der's kann und voll rockt mit seinem scheiß. ich glaube wenn ich songs schreiben würde, würde mtv auch noch viva dazu bringen privat zu werden. bin da ne echte niete drin.

dank' dir aber trotzdem, ich sag einfach mal: wir reden in remscheid nochmal drüber?

küsschen vom schwänchen.

 Ephemere schrieb daraufhin am 12.07.11:
Glaub ich Dir nicht...also das mit der Niete. Ich hab da so nen Gefühl. Vertiefen wir dann in Remscheid :) (und ich überlege mal noch, als welches Tier ich ein Küsschen zurückschicke...vielleicht als ein Tapir).
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram