II.
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III.

Kindergeschichte zum Thema Illusion

von  Lala

Sie war wieder stehengeblieben. Ihr Oberkörper steckte in einer regenbogenbunten Alpacastrickjacke und sie trug eine Strickmütze mit einer Bommel und zwei Kordeln.

Sie war wieder stehen geblieben. In sich zusammengesackt. Dabei hatte ich sie erst am Morgen vor der Mittagspause aufgezogen gehabt.

Seit ein paar Monaten beobachtete ich sie, weil ich das merkwürdige Gefühl nicht losgeworden war, dass mit ihr etwas nicht stimme. Abgesehen von ihrem Aufziehmechanismus, der zwar arg klemmte, verschlechterte sich ihr Zustand zusehends. Aber das war es nicht - auch wenn ich nicht sagen konnte, was es war.

Ich fand sie diesesmal auf dem Spielplatz. Sie saß – wie immer – etwas abseits des großen Kindertrubels, aber nie so, dass sie ihn nicht sehen konnte – den Trubel der anderen Kinder. Sie hielt nur immer Abstand, blieb auf Distanz und hatte immer dickere Klamotten als die anderen an. Ihre buntgewebten Panzer aus südamerikanischer Wolle.

Sie hatte sich in eine der vier Ecken der großen Buddelkiste zurückgezogen und konzentrische Viertelkreise mit ihren kleinen Fingern in den Sand gezogen. In jedem dieser Viertelsaturnringe hatte sie Schriftzeichen hineingemalt und Figuren aufgestellt. Im äußersten Ring fand sich ein Figur mit schwarzem Mantel, schwarzen Hosen, Hemd und blassem Gesicht. Ein Dämon, ein Vampir, ein Bösewicht, ein Schreckensmann vor dem sich Kinder fürchten müssten, aber sein Gesicht war durch eine groteske Brille mit dickeren als dicken Gläsern verunstaltet. Seine Augen glotzten überdimensional in die Welt. Ein Dämon als Witzfigur.
Aber es gab auch in einem der inneren Kreise bedrohlichere, einen Lehrer mit Spitzhacke und eine Priesterin mit hinter ihren Ohren festgetackerten Lachfalten.
Es gab auch freundlichere Figuren, wie zum Beispiel das uralte, mechanische Blechspielzeug oder die Frau mit den wirren Haaren, die im Zentrum eines gelben Plastikmoleküls stand, welches das Mädchen aus den Tüllen der beliebten Kinder-Überaschungseier gebastelt hatte. Keine ihrer Figuren war im Sinne ihrer Hersteller oder Sammlern original geblieben. Sie waren alle aus allen möglichen Teilen zusammenkombiniert worden.
Im letzten Viertelkreis, dem engsten vor der Ecke der Buddelkiste, thronte sie. Stoisch saß sie da und überblickte ihr Viertel-Universum; das kleine Mädchen mit der Wollmütze und dem immer schlechter funktionierendem Getriebe.

Obwohl ich ihre Aufbauten, ihre Schutzringe oder ihren Regenbogen aus Sand und Spielzeug nicht hätte kaputtmachen können, selbst dann wenn ich geradewegs, quer durch die Buddelkiste auf sie zugelaufen wäre, respektierte ich dennoch ihre Welt und vermied es, diese zu berühren. Glücklicherweise konnte ich mich bequem hinter sie knieen und aufziehen. Aber der Schlüssel drehte immer öfters bei ihr ein paar mal ins Leere, rastete nicht ein und ich befürchtete stets schon Schlimmeres, bis endlich die Zähne im Innenleben ineinandergriffen und ich sie wieder aufziehen konnte. Es rührte mich jedesmal, wenn sie, so als sei nichts geschehen, nach einem minutenlangen Stillstand, wieder eine Figur aufhob, meist einen stotternden Clown, mit fehlenden und halben Gliedmaßen, und mit ihm Zwiesprache über die anderen Figuren hielt. Immer wenn ich mich dann von ihr abwandte, um mich wieder meinem Tagesgeschäft zu widmen, meinte ich, und das nicht zum erstenmal, dass sie „Danke“ sagte und ich wieder schwören mochte, dass es mir gegolten hatte, so unmöglich das auch war.

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Kommentare zu diesem Text

fdöobsah (54)
(07.10.11)
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 Lala meinte dazu am 08.10.11:
Hallo fdöobsah,

die Monster AG - glaube ich - war mir auch im Kopp rumgespukt als ich das mir zusammenschrieb. Man ist ja nicht frei von Einflüssen und das ist ja auch nicht per se schlecht. Schon gar nicht im Falle der Monster AG. Den Vergleich buche ich mal als Lob an die Geschichte.
Hawking war mir nicht namentlich im Sinn, aber sehr wohl meine Erinnerungen an seine Versuche mir eine mehrdimensionalé Welt zu erklären. Der Begriff des Planeten gefiel mir, nicht nur wegen des Universums in uns selbst und einem Babuschka-Effektes, sondern auch wegen seiner mechanischen Doppelbedeutung, denn in jedem Zahnradgetriebe gibt es auch Planeten - später Dank an Wiki an dieser Stelle. Also das passte einfach. Ich sag jetzt auch: Boah! und Danke an Deine Adresse und hoffentlich werde ich in der Qualität weiter liefern können.

Ach ja, das der Text, in Deinen Augen, nicht rührselig geworden ist, hat mich nicht nur gefreut sondern mehr noch: beruhigt.

Gruß

Lala
iseabail (46)
(07.10.11)
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 Lala antwortete darauf am 08.10.11:
Hallo isebail,

das freut mich und alle drei Teile ;)

Danke Dir.

Gruß

Lala

 Isaban (07.10.11)
Warum hört es denn da auf, verdammt?
Dieser Text macht hungrig, macht Appetit auf sehr viel mehr. Ich harre gespannt der Dinge, die da kommen.

 Lala schrieb daraufhin am 08.10.11:
Hallo isaban,

jetzt bin ich wohl in der Bringschuld? Warten wir ab, ob die nächsten Gänge genaus gut schmecken. Ich hoffe es sehr.

Gruß

Lala

 Isaban äußerte darauf am 08.10.11:
Ich freu mich drauf.

 AZU20 (08.10.11)
Fantasievoll und skurril zugleich. LG

 Lala ergänzte dazu am 08.10.11:
Hallo AZU20,

fantasievoll und skurril? Beides ist mir großes Lob und freut mich, denn dieses Lesegefühl soll - im besten Fall - transportiert werden. Danke Dir.

Gruß

Lala
*Frieda* (48)
(10.11.11)
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