Alan - Teil 3

Kurzgeschichte zum Thema Kinder/ Kindheit

von  MrDurden

Ich hab erstmal genug von der lauten Stadt und schlendere in Richtung Park. Der Herbstnebel hat sich verzogen und die Sonne vertreibt den kalten Wind. Manchmal, wenn niemand hinsieht, stelle ich mich an den Rand des kleinen Miniflusses, der durch den Stadtpark führt. Dann sammle ich ein paar kleine Steinchen und werfe sie hinein. Manchmal kommen Enten dazu und springen den Steinchen hinterher. Sie denken wohl, es wäre Brot. Einmal kam ein Fußgänger vorbei und sagte mir, das wäre arglistige Täuschung oder so was. Täuschung macht mir Spaß, doch heute will ich interessante Menschen treffen. Und siehe da, schon hab ich einen.

Es ist eine sehr hübsche Frau. Sie ist noch jung und liegt auf einem großen Handtuch in der Sonne. Meine Mutter sagt immer, dass es ganz einfach ist, mutig zu sein. Man muss nur sagen und tun, was man selbst für richtig hält. Die Frau auf der Wiese ist so schön, dass ich sie mir einfach näher ansehen muss. Also schleiche ich mich ran und setze mich unauffällig neben sie. Sie hat blondes Haar und ihr Gesicht ist perfekt. Eine ganze Weile lang sind ihre Augen geschlossen, vielleicht schläft sie. Vielleicht hat sie aber auch der Blick eines Superschurken zu Stein erstarren lassen. Ich muss feststellen, ob es ihr gut geht, also tippe ich ganz leicht mit dem Zeigefinger auf ihre Nase.

Sie lächelt und sieht endlich zu mir herüber. Ihre Augen sind wunderschön, genau wie das Kleid, das sie trägt. Einen Moment lang sagen wir beide nichts und sehen uns nur gegenseitig in die Augen. Dann fragt sie mich, wo denn meine Eltern seien. Alleine im Park umherzuwandern sei für einen kleinen Jungen wie mich doch viel zu gefährlich.

„Meine Mutter sagt immer, es ist wichtig, mit offenen Augen in der Welt umherzuwandern. Man muss sehen können, wohin man geht, und sich von dunklen Wegen fern halten.“

Wieder lächelt die hübsche Frau. Und ihr Lächeln ist so schön, dass ich auch lächeln muss. Dann schließt sie wieder ihre Augen und wendet sich der Sonne zu. Sie ist wieder zu Stein erstarrt. Sogar ihr Lächeln bleibt auf ihren Lippen. Beinahe, als müsse sie ständig an einen Witz denken, den eine Möwe ihr am Flussufer erzählt hat. Vielleicht hat ihr auch niemand das Laufen beigebracht. Vielleicht ist sie aber auch krank. Wie der arme, alte Mann am Fluss oder der starre Superheld, der nicht mehr fliegen kann.

Wieder konnte ich ein paar Seiten in meinem kleinen Lederbuch füllen. Die Herbstsonne scheint warm auf die schönste Frau herab, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Sogar ihr Haar ist gekämmt. Wahrscheinlich hat ihre Mutter ihr auch von den Mäusen und ihren Nestern erzählt. Immer noch liegt sie regungslos und erstarrt vor mir in der Sonne. Also beschließe ich, weiterzugehen. Und hoffentlich wird sie bald wieder gesund.

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