nightly talks.

Text zum Thema Hilfe/ Hilflosigkeit

von  Erdbeerkeks

Es ist Nacht.
Während der Bus durch die Straßen kurvt
und mein Ego unruhig hinterher schlurft
hast du mich um den Schlaf gebracht.
Mich um zwei aus meinem Bett geschmissen und angefleht,
an meinem Kleid gerissen,„Mir geht's beschissen“ gewispert, ich solle mitkommen, wenn ich ein Gewissen hätte.
Du bettelst mit Schokoladenbraun und Wachheitsweiß um weitere Stunden.
Sind verschwunden im Dunkeln,
eins geworden mit Straßenlaternen, mit dem Dreck in den Gassen,
verwunden mit den Massen der Mengen von Synthetik.
Deine Pupillen sind wie Plastik und tellergroß.
Ich weiß nicht, worauf du wartest. Auf das ganz ganz große Los
vielleicht, auf Vergessen
und nie mehr wiederkommen,
völlig besessen
leerst du den Kopf und kotzt mir dein Herz in die Hand.
Ich hab es in meine Tasche gepackt, als liebloses Accessoire oder Mahnung oder Pfand
oder einfach so, weil ich es bestimmt besser brauchen kann als du.
Ich könnte damit gehen und sagen: Naja, nicht mein Problem. Jetzt sieh halt zu,
wie du nach Hause kommst oder es weitergeht
und wäre es nicht so spät
und du so kalt allein,
ich würde schon lange irgendwo verschwunden sein.
Hätte den nächsten Zug nach Hause genommen oder den, der mich hinbringt, wo ich hinmuss.
Doch ich kann nichts mehr erkennen, sehe alle nur verschwommen und ich hab dir versprochen, ich bleib bis zum Schluss.
Seh mir bis zum Ende die Schatten unter deinen Augen an,
verspreche, diese Geister zu verbannen, so gut ich das nunmal kann
ohne zu sagen, dass sich da nicht soviel ausrichten lässt.
Dass sich solche Dinge in dir ausbreiten, schneller als die Pest
und intravenös alles infizieren, noch den letzten kleinen Rest.

Und nun, mit offenen Ohren
und geschlossenen Lippen, die Zunge erfroren
und starr vor Besinnen, bleibt mir nichts übrig, als an Wein zu nippen und die Sitten zu wahren, meinen Anstand aufzubahren wie irgendein kostbares Gut. Die Glut zu schüren und dich zum reden zu zwingen und das alle irgendwie aus dir rauszubringen.
Du fühlst dich, als seist du 100 Jahre alt, ich mich wie ein volles Wespennest.
Dein Körper liegt schon lang nicht mehr nur
in deiner Gewalt und ich schon lange neben der Spur.
Wir sind wie Autowracks am Straßenrand.
Sehen den anderen wirklich gebannt
zu und sind unfähig uns zu bewegen.
Auch nur einen einzigen Finger zu regen
um Dinge zu verbessern.
Wir liegen einfach lahm
und warten auf irgendwen, der uns irgendwann mit ins warm
nimmt und uns repariert.

Für Smalltalk sind wir schon lange zu verbraucht,
haben das hinter uns gelassen, all dieses „Wie geht's dir, was machst du so“, während du eine nach der anderen rauchst
und ich mich frage, ob deine Lunge so schwarz ist wie unser Humor und deine Eigenironie.
Ob du es eigentlich nie
verstehst, dass all das hier genau das ist, was du doch eigentlich schon so lang vermisst, wie du immer sagst.
Doch betrunken und ignorant weißt du nicht was ich mich frag
und wir stieren in die Sterne,
machen schlechte Witze über unsere Leben, Distanz und über Ferne.
Wir sind nicht mehr greifbar, sind das Auge des Tornados,
ruhen einfach völlig still inmitten dieses Chaos
und versuchen zu verstehen, welche Dinge abgehen hinter diesen glasigen Augen des jeweils anderen.
Versuchen uns zu artikulieren, Sätze zu formulieren die das beschreiben, was in uns zirkuliert und krepiert.
Und nichts kommt dabei raus.
Schweigen, aus die Maus.
Ich hasse das.

Glaub mir, ich würde wirklich gerne,
irgendwas sagen oder irgendwas tun,
irgendwas das dich dazu bringt, deine müden Augen auszuruhen
und deinen schweren Kopf in meinen Schoß zu legen,
diese verdammten Gedanken aus deinem Hirn zu fegen
und sie mit dem Rauch aus deinen Lungen und dem Teer in deinem Lachen
in die Nacht hinauszupusten und mit dem Warten Schluss zu machen.
Deine Taschen auszuleeren und das alles fall'nzulassen, was dich sonst so runterbringt, dein Leben irgendwie anders anzufassen und das alles mit mir vielleicht auch.

Vielleicht hol ich sogar dein Herz aus meiner Tasche, wenn du es wirklich brauchst.


Anmerkung von Erdbeerkeks:

Mein quasi erster Slamtext. Vorgetragen kommt's natürlich besser.

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Kommentare zu diesem Text

KoKa (44)
(07.03.12)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Erdbeerkeks meinte dazu am 07.03.12:
Wow (: vielen lieben Dank.

 FloravonBistram (30.03.12)
Kommt sehr reif rüber, ist eine Bündelung von Gefühlen, die sich weich und hart zeigen. Als Eigenschutz oder zum Schutz des anderen?
Flo
cooori (20)
(15.05.12)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Sternenpferd (15.07.12)
super :)
besonders mag ich den letzten absatz !
danke fürs lesendürfen
lg m.

 Erdbeerkeks antwortete darauf am 15.07.12:
Liebend gern. Ich danke auch. :)
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