der flaschenhals läuft und jetzt.

Text zum Thema Entfremdung

von  Erdbeerkeks

Bis heute habe ich auf unsere Motten aufgepasst, Lu. Ich dachte, sie starben in der Wärme meiner Hand, doch sie staubten bloß.
Als ich sie hielt, zwischen Tür und Angel, fühlte ich ihre Herzen flattern. Mit gewalttätigen Lippen öffneten sie meine Finger und fielen zu Boden. Ihre vertrockneten Murmelaugen rissen nach meinem Fleisch, während ich sie in meinen Schrank legte.


„Die Welt schreit im Sommer, stirbt im Herbst und ruht im Winter.“
Unsere Stimmbänder waren die einzigen, die uns je verbanden. Leidend hängt unser Echo in den Ästen. Deine blasse Hand widert mich nun an, Lu, doch ich halte sie, weil Versprechen selbst beständig sind, wenn Bindung endet. Das hier ist bloß Nächstenliebe.
Deine Anekdoten erschrecken mich nicht mehr, deine Stimme und Haut sind zu rau. Du siehst mich an, ich schüttele angewidert deinen Blick von meiner Schulter. Halte inne und fühle das Rascheln von grauem Pelz.
„Ich hab sie umgebracht“, lüge ich und deine Augen schmelzen.


Zuerst habe ich geglaubt, es sei Regen, aber sie erholten und vermehren sich. Von Nacht zu Nacht wird das Prasseln lauter und der Laut dichter, nichts kann das Kratzen hinter den Schranktüren übertönen. Mit verwesenden Flügeln werfen sie ihre weichen Körper gegen das weiße Holz und weinen wie alleingelassene Kinder.
Ich weiß nicht, was ich tun soll, als kleine Beine ihren Weg über meine Lippen und Wange zu meinem Ohr suchen. Die Motte wühlt sich unter eine Haarsträhne und schiebt sich energisch voran.
Ich lausche.
Ihre Phrasen sind flüchtig, vorwurfsvoll und fragil. Als ihr Raunen und mein Starren endet, fasse ich sachte einen seidigen Flügel. Sie windet sich nervös in meinem Griff und versteckt sich in meiner Halsbeuge, als ich aufstehe und sie auf meine Schulter setze. Ermutigend streichelt ihr Fell meine Wange.
Der Schlüssel knirscht mottenmalmend im Schloss, ich öffne die Tür.


.



Ich bin grau, Ruine und gesplitterter Boden, gefrorenes Gras und schlafende Ratte. Ich bin berstendes Glas, quietschende Reifen, trocknende Farbe, klickende Tür, schmelzendes Wachs, brennendes Buch, treibendes Holz, wehendes Blatt, beendetes Wort.
Ich bin du.

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Kommentare zu diesem Text

KoKa (44)
(17.07.12)
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 Erdbeerkeks meinte dazu am 17.07.12:
Der Text ist "olala" oder "so lala"? Danke jedenfalls. Werd ich tun.

Grüße, Keks
shadowhunter (28) antwortete darauf am 23.07.12:
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 SunnySchwanbeck (17.07.12)
eigentlich wollte ich so viel hierzu sagen, und das hättest du verdient aber, ich bin sprachlos und ein bisschen k.o. und irgendwo, bist du gealtert. aber das ist gut und wichtig, und ich les den text jetzt gleich nochmal.
cooori (20)
(17.07.12)
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 Erdbeerkeks schrieb daraufhin am 17.07.12:
Danke Becci :) Ich glaub, ich bin durch monatelanges Nicht-Schreiben irgendwie eingerostet. Ich werd's überarbeiten.

 Sternenpferd (05.12.12)
alleine der titel hat schon was :)

cool

lg m.

 Erdbeerkeks äußerte darauf am 05.12.12:
Dankeschön :)
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