Warum Wellen nichts verraten

Erzählung zum Thema Urlaub/ Ferien

von  Anifarap

Mit dem Reisen ist das so eine Sache. Oft braucht man eine lange Zeit bis man ankommt. Oder man unterwegs ist. In meinem Falle ist Reisen oft ein sprunghafter Schritt nach vorn.
Es beginnt mit der Aufregung vor der Fahrt. Viele Menschen freuen sich bekanntlicherweise und verfallen in positiven Stress.
Zu diesen gehört meine Wenigkeit nicht.
Allein die Überlegungen über das, was benötigt oder nicht benötigt wird, kostet mich alle Beherrschung und deren Opfer ist jegliche emotionale Regung.
Die Neigung zur Logik und Mathematik wird imens groß und jegliche Liebkosung vom Reisepartner wird mit einem genervten Brummen bekundet. Was natürlich den Missmut im Allgemeinen fördert.
Normalerweise legt sich dieser Zustand, sobald ich im Reisemittel meiner Wahl sitze.
Darauf folgt die Stille, gleichzusetzen mit dem Starreverhalten eines Nagers, der am Kragenfell gepackt wird.
Gern lasse ich meine Blicke schweifen. Vor allem über Wolken und menschenleere Landschaften. Vertiefe mich in die Beobachtungen von Vögeln, Kühen und Pferden. Manchmal entdecke ich auch eine wild blühende Wiese. Gut möglich, dass das die Momente sind in denen ich vergesse, dass ich lächele.
Ein mal mehr weiß ich, dass ich mein ganzes Leben nichts anderes machen könnte, als diese Dinge auf diese Weise zu beobachten. Das würde mich erfüllen.
Sobald wir in der Residenz unseres Ziel angelangt sind, vergesse ich die Zeit. Das ist seltsamerweise immer ganz einfach. Es passiert einfach.
Es ist leiser als daheim. Die Möwen tanzen um die Dächer und lachen mich aus. Aber das ist ok. Ich mag das.
Sie sind die weißen Flecken vor den dunklen Wolken, die vom Regen künden. Und sie sind so schrecklich lebendig.
Es ist das leise Geräusch von zereissendem Stoff zu hören. Irgendetwas ist geschehen. Und doch ist nichts zu sehen.
Schließlich folgt das Durchatmen und wir begehen den ersten Ausflug zur Erkundung des Meeres.
Als wir unsere Füsse hineintauchen sind die Wellen seltsam seicht.
Es irritiert mich. Kein befreiendes Gefühl. Nichts Großartiges. Unbedingt nicht befreiend. Es ist erst kalt, dann nass und dann ist man gewöhnt.
Der Sand krümelt weich zwischen den Zehen. Nichts weiter.
Die Wellen verraten nichts. Bewegen nur den Sand.
Nichts weiter.
Über uns kreisen schweigend die Möwen und beäugen uns. Der Wind streichelt uns übers Haar. Mehr nicht.
Die Sonne verbirgt sich hinter dicken, dunklen Wolken. Der Geruch des Regens dagegen wird immer offensiver. Wir begeben uns wieder in Richtung des Domizils.
Die ersten tränenschweren Tropfen verfehlen uns. Einer trifft mein Brillenglas und meine Sicht ist verschwommen. Ein weitere klatscht regelrecht auf meine Stirn, kalt und nass.
Etwas bricht. Aber nicht das Brillenglas. Nichts in mir. Nichts Außerhalb. Etwas zerrt heftig und kurz an mir. Womöglich ruft der Regen, aber ich kann ihn schon lange nicht hören.
Im vorläufigen Zuhause angelangt, lausche ich noch lange dem Prasseln des Wassers, aber ich verstehe es nicht mehr.
Es prasselt. Nichts weiter.


Anmerkung von Anifarap:

21.7.2012

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram