Der Fisch im Wasser

Text

von  MrDurden

James sagt, dass Fische keinen Schmerz empfinden können. Ich habe James nie persönlich getroffen, dennoch weiß ich, dass er sich ernsthaft mit Fischen auseinandergesetzt hat. So behauptet zumindest das fortwährende Gedächtnis der Menschheit, genannt Internet. Viele Menschen erkennen James’ Thesen an, und doch scheinen nur wenige ihn persönlich zu kennen. Ob James überhaupt existiert?

Ich ertappe mich dabei, unnötige soziale Kontakte zu meiden, denn selbst einfach gestrickte Menschen sind auf ihre Weise kompliziert. In meinem Leben habe ich nur einen Menschen kennengelernt, der es immer aufrichtig genossen hat, alleine zu sein. Dieser Jemand bin ich. Isolation ist allerdings ein schwer verdaulicher Begriff, deshalb sehe ich mich nicht als gesellschaftlich isoliert. Vielmehr scheine ich auf etwas zu warten. Nicht auf jemanden. Niemals auf jemanden, sondern auf etwas. Auch nicht auf Weihnachten oder meinen Geburtstag. Ich denke, ich warte auf Schmerz.

James sagt, dass Fische ein unzureichend entwickeltes Gehirn besitzen, um Schmerz und folglich auch Angst empfinden zu können. Er sagt, dass relevante Gehirnregionen dieser Tiere ab einem gewissen Punkt in der Evolution keine Fortschritte mehr gemacht haben. Das alles natürlich basierend auf der Annahme, dass James existiert und diese Thesen irgendwann formuliert hat.

Manchmal sehe ich in den Spiegel und kann keinen Menschen erkennen. Ich sehe einen Fisch in einer mit Wasser gefüllten Glaskugel. Ein Tier, das unfähig ist, Schmerz zu empfinden. Ein Lebewesen, dessen physische Beschaffenheit keinen Platz für das erste und letzte Gefühl hat, das jedes Lebewesen erfährt. Menschen brauchen Gemeinschaft, um leben zu können. Und ich bin ein Fisch in einer mit Wasser gefüllten Glaskugel.

James sagt, dass Schmerzempfinden Bewusstsein voraussetzt. Ich sage, dass James ein Idiot ist, der weder existiert noch seine Gedanken zu Ende denkt. Ich sage, dass Bewusstsein Empfindungen voraussetzt. Der Mensch entwickelt nur dann eine Persönlichkeit, wenn er empfindet, aus schmerzhaften Erfahrungen lernt, Geborgenheit und Liebe erfährt. Doch dann blicke ich in den Spiegel und erkenne dort keinen Menschen. Nur einen Fisch in einer mit Wasser gefüllten Glaskugel.

Wenn ich Angst vor dem Schmerz habe, den mein Leben mit sich bringt, leugne ich meine Menschlichkeit. Dann sehe ich mich als etwas Unmenschliches, das weder Schmerz noch Angst empfinden kann. Kein Mensch ist im Spiegel zu erkennen. Nur ein Fisch in der Schwerelosigkeit seiner selbst.


Anmerkung von MrDurden:

James D. Rose lieferte Nachweise darüber, dass Fische weder Angst noch Schmerz empfinden können.

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Kommentare zu diesem Text

magenta (65)
(11.08.12)
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 MrDurden meinte dazu am 11.08.12:
Genau das alles wollte ich mit den paar Zeilen sagen. Dank dir für deine Empfehlungen und den Kommentar. Freut mich, dass der Text dir zusagt. Grüße, David!

 Dieter_Rotmund (11.08.12)
Der Text ist mir persönlich stellenweise zu sphisticated-egozentrisch. Die Stellen, in denen es nicht um das Lyrich geht, sind erheblich besser. Handwerklich habe ich nichts auszusetzen, dafür möchte ich ein Lob aussprechen, das ist hier bei kV nicht selbstverständlich, dass die Autoren Sorgfalt walten lassen...

 MrDurden antwortete darauf am 11.08.12:
Dein Kommentar freut mich. Das mit dem Egozentrischen habe ich mir auch gedacht. Habe lang überlegt, ob ich das überhaupt veröffentlichen soll. Ich sehe es als Selbstbetrachtung/-analyse. Das Bild vom gefühlstoten Fisch liegt mir schon lange auf der Zunge. Werde den Text mal so belassen und weiteres Feedback abwarten. Danke für dein Lob! David
LudwigJanssen (54)
(11.08.12)
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 MrDurden schrieb daraufhin am 11.08.12:
Ich freue, bedanke, verneige mich
fragilfluegelig (49)
(11.08.12)
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 MrDurden äußerte darauf am 11.08.12:
Ich denke, diese Leere rührt von einer extremen Schmerzerfahrung her. Eine Erfahrung, die den Protagonisten an seine psychischen und seelischen Grenzen getrieben hat. Nach dieser Erfahrung zog er sich aus dem Leben zurück, weg von den Menschen, hinein in "ein mit Wasser gefülltes Glas". Darin versteckt er sich vor dem Schmerz, den das Leben mit sich bringen kann, und sieht sich als ein Tier, das schmerzunempfindlich ist.

Aber er bleibt zwangsläufig menschlich, und Menschen müssen empfinden, um leben zu können. Er steht nun vor der Wahl, sich der Härte des Menschseins zu stellen, oder sich zurückzuziehen und so zu tun, als sei er ein Fisch.

Freut mich sehr, dass ich dich zum Nachdenken bringen konnte. David
fragilfluegelig (49) ergänzte dazu am 11.08.12:
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 MrDurden meinte dazu am 11.08.12:
Danke dir, werds ihm ausrichten
woertermord (31)
(13.02.13)
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 MrDurden meinte dazu am 13.02.13:
Dann freu ich mich, dass du es jetzt getan hast. Danke für deinen Kommentar! David
gaby.merci (61)
(13.02.13)
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 MrDurden meinte dazu am 14.02.13:
Dann gibts ja vielleicht noch Hoffnung für mich Danke für deine Empfehlungen und den Kommentar! David
gaby.merci (61) meinte dazu am 14.02.13:
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