Nachtangst

Text zum Thema Missbrauch

von  MrDurden

„Ich hab schlecht geträumt.“

Kindliche Verzweiflung in seinen müden Augen. Kleine Hände, die krampfhaft am Stoff des verschwitzten Schlafanzugs zerren. Ein wenig verloren steht er im Türrahmen und sieht mich erwartungsvoll an. Die Türschwelle scheint ihm etwas Sicherheit vor den großen, dunklen Räumen unserer Wohnung zu geben, wenn er nachts Angst bekommt.

„Willst du darüber reden, Partner?“

Heftiges Kopfschütteln. Seine kleinen Finger stellen den dünnen Schlafanzugstoff auf eine harte Probe.

„Huckepack?“

Heftiges Nicken. Breites Grinsen. Ein Knopfdruck erstickt den Nonsens der Zauberkiste in knisternder Dunkelheit. Höchste Zeit auch für Papa, ins Bett zu gehen. Huckepack. Nachtangst und Türrahmenrefugium geraten auf meinen Schultern in Vergessenheit. Große, dunkle Räume. Als kleiner Junge hätte ich in dieser Wohnung wohl auch Alpträume bekommen. Endstation Simpsonsbettwäsche. Ausstieg in Fahrtrichtung Teddy.

„Soll ich dir ein Geheimnis verraten, Großer?“

Heftiges Nicken. Große Augen.

„Als ich in deinem Alter war, hatte ich einen Freund, den nur ich sehen konnte. Er hat mir immer zugehört, wenn mir etwas Angst gemacht hat. Auch wenn wir nur kurz darüber geredet haben, hatte ich danach nie wieder denselben Alptraum.“

Nachdenkliches Augenrollen. Ich muss ihm versprechen, niemandem davon zu erzählen.

„Ich hab mal gehört, dass es jeden Menschen nur einmal auf der Welt gibt. Aber wenn ich träume, dann gibt es jeden Menschen zweimal. Als ob überall Zwillinge wären. Oder als ob jeder von denen zwei Gesichter hätte.“

Seine Nase verschwindet immer tiefer unter der Bettdecke.

„Und das macht dir Angst?“

Heftiges Nicken.

„Habe ich auch zwei Gesichter, wenn du träumst?“

„Nein. Aber manchmal hast du zwei Gesichter, wenn ich wach bin.“

Er zittert am ganzen Körper. Ich mache ihm Angst.

„Keine Sorge, Partner. Ich erzähl niemandem davon. Versuch etwas zu schlafen. Morgen hast du deinen Traum bestimmt vergessen.“

Kuss auf die Stirn. Ein Knopfdruck erstickt den schwachen Lichtkegel der Lampe in Dunkelheit. Nachtangst in den großen, finsteren Räumen unserer Wohnung. Ein wenig verloren stehe ich im Türrahmen und sehe meinen Jungen erwartungsvoll an.

„Ich hab dich lieb. Erzähl niemandem, wie lieb ich dich habe.“

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Kommentare zu diesem Text

Karmesin (20)
(24.08.12)
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 MrDurden meinte dazu am 24.08.12:
Es geht um Kindesmissbrauch. Der letzte Satz soll das verdeutlichen. Vielleicht kommt es nicht richtig raus. Aber danke für deine Empfehlung! David
Karmesin (20) antwortete darauf am 24.08.12:
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 michelle (24.08.12)
gedanken, sehnsucht, traum? erfahrungen...

 MrDurden schrieb daraufhin am 24.08.12:
Fiktion. Angst. Missbrauch.
(Antwort korrigiert am 24.08.2012)
wonderland (67)
(24.08.12)
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 MrDurden äußerte darauf am 24.08.12:
Ich hoffe nicht, dich um den Schlaf gebracht zu haben. Danke für dein Lob und die Empfehlung! David
wonderland (67) ergänzte dazu am 24.08.12:
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