Ich sah sie. Die glücklichen Augenblicke, die mich wünschen ließen, mit dir alt zu werden. Und doch kam der Tag, an dem ich dir einen kleinen Zettel schrieb - bitte, bring keine Blumen an mein Grab.

Text zum Thema Schmerz

von  ZornDerFinsternis

Jemand sagte mir einmal, dass die Seele mit jeder Träne in Bruchstücken den Körper verlässt.

Zwischen all den Tapetenfetzen und dem Kleister stiegen unwillkürlich Gedanken auf. Weniger Intensive und solche, die mehr als niederschmetternd des Weges kamen. Unfähig, den Schmerz zu tragen, führten meine Schritte ans regennasse Fenster. Und ich fühlte sie kommen. Ehe der Gedanke sein Ende finden konnte, waren sie da. Wie immer. Und diese Taubheit, die die Tränen zurücklassen, fühlte sich an wie Zement. Das etwaige Gefühl in Stein gemeißelt. Für Tage und Jahre.

Ewigkeit.

Wegweiser führen in alle erdenklichen Richtungen. Doch nur aufrichtige Herzen folgen einem Weg. Und so war es. So bleibt es. So ist es. Meines folgt deinem. In fremde Welten, deren schmerzliches Ausmaß ich noch zu ergründen habe.

Deine Schritte verlieren sich zwischen den ersten gefallenen Blättern des Herbstwindes. Ich hänge an deinem Herzen. Und lediglich Augenblicke sind es, die während des nächsten Atemzuges verdämmern. Glück. Hoffnung. Liebe. Zukunft. Wir werden sie an der Deponie für ausrangierten Schrott wiederfinden. Oder auch nie.

Die Einsamkeit vereinahmte mich, als ich am geöffneten Fenster stand und auf die verlassenen Straßen blickte, während ich an der Zigarette zog. So begierig, wie noch nie. Nie zuvor hatte ich ihn mir mehr gewünscht. Den letzten Tag in diesem irdischen Straflager, das immer noch fälschliger Weise „Leben“ genannt wird. Welchen Wert man dem Leben zuträgt, ist jedem selbst überlassen, so sagt man. Undankbare würden es nicht schätzen und in den Tag hinein leben, anstatt jeden Tag zu leben, als könnte es der Letzte sein.

Der Wind schlug mir kalt entgegen und dennoch blieb es warm in mir. Auf der kleinen Parkbank, auf der meist „Puschel“ – ein kleines, rostbraunes Eichhörnchen- sitzt, hatte sich ein altes Paar niedergelassen. Der Vertrautheit und den Gefühlen hatten die Jahre nichts anhaben können.

Ihre Stimmen erreichten mich nicht, obgleich uns lediglich eine schmale Seitenstraße trennte und Stille herrschte. Die Gedanken waren nahe dem Todpunkt. Der Welt entwandert. Und doch reichte ein kurzer Blick aus den tränenverwischten Augenwinkeln, um mein Herz einen Sekundentakt aussetzen zu lassen.

Augenblicklich kehrte die Leere in mein Inneres zurück. Wie sie dort saßen, Arm in Arm, mit dieser tiefen Liebe und Achtung für den Gegenüber, wurde mir klar, dass mir nichts blieb. Nichts, außer zu zu sehen, wie sich mein sehnlichster Wunsch an meine Zukunft kettete. Gemeinsam liefen sie beide auf die Schienen, wo der nächste Schnellzug sie gefühllos auseinander riss.

Meine Hand umklammerte den Fenstergriff schwächlich. Es tobte ein innerer Kampf, von dem ich bereits wusste, dass er verloren war. Mein Geist sträubte sich nicht mehr. Er zappelte nicht einmal. Völlig reglos ließ er mich gewähren, wie ein toter Fisch im Netz.

Ich schloss das Fenster, während ich zuvor die Zigarette am Fensterbrett löschte. Dunkelheit kehrte ein. Drinnen und Draußen.

Und ich wusste – es war vorbei.

Deine Worte verloren sich im Raum. Egal, ob wir in einer Halle gestanden hätten oder eben in diesen 25m² - kein Wort hätte meine Einsamkeit durchdrungen.

Ich hielt noch immer den angekauten Bleistift in der rechten Hand. Krampfhaft umklammert.

Kälte.

Als wir das Licht löschten und ich die Tür hinter mir zu zog, zerbrach wieder etwas. Ob es ein Traum oder ein Wunsch war, das ist egal. Es zählen nur Fakten. Wer weiß das nicht.

Die Zigarette glühte verstohlen auf, als der Wind sich um uns legte. Als wollte er ein letztes Zeichen setzen, das Zusammenhalt  bedeuten könnte. Ich griff nach deiner Hand. Hielt sie fest. Nicht zu fest. Und doch so, dass ich nicht den Mut verlor.

An der roten Ampel wurde mir bewusst, dass sich deine Hand nicht mehr um meine schließen würde. Es war kalt. Haare in den Augen und doch erkannte ich das Rot der Ampel, das sich hämisch grinsend in meine Netzhaut brannte. Und in mir nur einen Wunsch zurückließ. Erfüllbar und greifbar.

Ich sah sie kommen. Die nächste Träne. Brennender Schmerz in meiner Brust. Ich lächelte dir leise zu, riss mich los – und – lief.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (27.08.12)
Wie immer- sehr intensiv geschrieben und sehr traurig. LG

 Dieter Wal (02.09.12)
Beherberge einen übertrieben geschätzten Meter von Büchern über Liebeskummer. Sogar Lyrikanthologien zum Thema gibt es!

Diese Trennungskacke sollte jedem halbwegs klardenkenden Menschen Verliebtheiten oder gar feste Beziehungen gründlich verleiden. Und trotzdem lassen die meisten Menschen nicht von auch erotischen Liebesbeziehungen, die Sex beinhalten. Ertappe mich immer wieder dabei und frage mich dann, weshalb ich es nicht mittlerweile besser wissen müsste und was der Scheiß mit Beziehungen eigentlich soll? Freundschaften sind wesentlich stabiler. Und Trennungsdepressionen so gut wie ausgeschlossen.

Hast einen besonders ausdrucksstarken Text geschrieben.
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